topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Euro-Zone - Mitglieder der Beitrittswerber

Ein schwacher Euro?

»Aus dem Euro ist aber eine recht schwache Währung geworden!« ­ diese Meinung hört und liest man immer wieder. Doch schon eine kurze Gegenfrage zeigt, dass die wenigsten Kritiker überhaupt eine Vorstellung davon haben, wann man eine Währung als stark oder schwach bezeichnet. Ganz einfach ist die Sache auch nicht. Denn wie so oft in der Sprache der Volkswirtschaft, wird auch hier für völlig unterschiedliche Dinge das gleiche Wort verwendet. Wenn man eine Währung als stark bezeichnet, kann man damit den inneren oder den äußeren Wert dieser Währung meinen. Und das ist durchaus nicht immer dasselbe, es ist sogar oft ganz verschieden.

Bei dem inneren Wert einer Währung geht es um ihre Kaufkraft, darum, was man sich für diese Währung kaufen kann. Konkret nennt man eine Währung nach innen dann stark, wenn ihre Kaufkraft im Inland über längere Zeit stabil bleibt, wenn es wenig oder keine Preissteigerungen gibt, wenn es (anders gesagt) wenig oder keine Inflation gibt. Eine Währung ist also dann nach innen schwach, wenn sie einer starken Inflation unterliegt, wenn die Preise - in dieser Währung ausgedrückt - stark steigen.

Innere und äußere Werte

Bei dem äußeren Wert einer Währung geht es um ihr Austauschverhältnis gegenüber anderen Währungen. Konkret nennt man eine Währung nach außen dann stark, wenn ihr Austauschverhältnis, ihr Wechselkurs gegenüber anderen Währungen stabil bleibt oder sogar zunimmt. Eine Währung ist nach außen dann schwach, wenn ihr Wechselkurs gegenüber den Währungen, mit denen man sie vergleicht, zurückgeht.

Manchmal laufen die beiden Entwicklungen parallel und hängen sogar ursächlich miteinander zusammen: Weil es in einem Land eine starke Inflation gibt, geht auch der Wechselkurs ihrer Währung zurück. Doch dieser Zusammenhang muss nicht bestehen. Es gibt Situationen, in denen ein Land (oder ein Währungsgebiet) ein sehr stabiles Preisniveau hat und der Außenwert seiner Währung ist dennoch rückläufig. Genau das ist derzeit beim Euro der Fall.

In den (seit 2001 zwölf) Ländern, in denen der Euro als Währung gilt, ist der Preisauftrieb bemerkenswert gering, wenn er auch im zweiten Halbjahr etwas zugenommen hat. So gesehen (also nach innen) ist der Euro eine starke, sogar eine sehr starke Währung. Gegenüber dem amerikanischen Dollar hat der Euro aber seit seiner Schaffung Anfang 1999 stark an Wert eingebüßt. So gesehen (also nach außen) ist der Euro zumindest derzeit eine schwache Währung.

Gut und gerne streiten ...

Was ist aber wichtiger? Worauf kommt es wirklich an? Wieder eine Frage, auf die es keine ganz eindeutige Antwort gibt und über die Volkswirte gut und gerne streiten können. Einiges ist immerhin unbestritten: Eine starke Währung nach innen, also möglichst wenig Preissteigerungen, ist sicher ein volkswirtschaftlicher Vorteil. Beim Außenwert gilt es dagegen sowohl Vorteile als auch Nachteile zu beachten.

Die europäischen Staatsmänner, die für die Schaffung des Euro verantwortlich waren, haben jedenfalls nicht den geringsten Zweifel darüber gelassen, was ihnen am wichtigsten ist. Sie haben es im Vertrag (dem so genannten Vertrag von Maastricht) ganz genau festgeschrieben: Die neu geschaffene Europäische Zentralbank hat als zentrale Aufgabe in ihrem Statut verankert, dass sie für einen stabilen inneren Wert des Euro zu sorgen hat. Der Außenwert ist demgegenüber ein untergeordnetes Ziel.

Die Erfinder des Euro

Haben die Erfinder des Euro hier einen entscheidenden Fehler gemacht? Hätten sie ihre Prioritäten anders setzen sollen? Sind nicht gerade wir in Österreich jahrzehntelang mit einem Wechselkurs-Ziel (nämlich der Bindung des Schilling an die Deutsche Mark) besonders gut gefahren? War das alles falsch? Sicher nicht! Denn unser altes Wechselkurs-Ziel war für unsere damaligen Bedürfnisse, für ein kleines Land mit einem sehr hohen Anteil der Außenwirtschaft (Warenverkehr und Tourismus), das Richtige. Und wir haben unseren Schilling nicht an irgendeine Währung gebunden, sondern an die Deutsche Mark, die über Jahrzehnte einen starken inneren Wert (also wenig Inflation) hatte und noch dazu die Währung unseres wichtigsten Außenwirtschaftspartners war. In einer solchen Situation spielt der Wechselkurs der eigenen Währung wirtschaftlich eine entscheidende Rolle und es war vernünftig und erfolgreich, den Schilling völlig an die Mark zu binden. Wir haben damit die gleiche innere Stärke unseres Schillings wie jene der Mark erreicht und sind damit auch in der Außenwirtschaft gut gefahren.

Im Euroraum sehen die Dinge allerdings wesentlich anders aus. Der Anteil der Außenwirtschaft (also des Handels in Waren und Dienstleistungen mit Ländern außerhalb des eigenen Währungsraumes) ist weit, weit geringer, als er es beim kleinen Österreich war. Schwankungen des Wechselkurses des Euro sind daher für die Euroländer leichter zu verkraften, sie betreffen im Falle Österreichs nicht einmal mehr zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung. Die so erreichte geringere Abhängigkeit von einem nur schwer unverändert zu haltenden Wechselkurs war ja einer der wesentlichsten Gründe, warum wir für die Schaffung des Euro waren. Aber die Nachteile einer inflationären Entwicklung gelten auch in einem großen Wirtschaftsraum. Deshalb haben wir dem stabilen inneren Wert des Euro so große Bedeutung beigemessen.

Leichte Beschleunigung des Preisauftriebs

Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wechselkurs der Währung und dem Preisniveau im Inland. Sinkt der Wechselkurs der Währung, werden Einfuhren teurer und die teureren Einfuhren erhöhen das Preisniveau im Inland. Das gilt besonders bei Rohstoffen. Wir erleben es gerade jetzt bei Erdöl, dessen Preis in Dollar verrechnet wird und das daher auch deswegen teurer wird, weil der Wert des Dollar gegenüber dem Wert des Euro gestiegen ist - wobei beim Erdöl allerdings die Verteuerung am Weltmarkt (auch in Dollar ausgedrückt) noch schwerer ins Gewicht fällt als die Wechselkursveränderung. Doch ohne Zweifel spielt der gestiegene Wechselkurs des Dollar gegenüber dem Euro eine Rolle bei den Preisen jener etwa 5 bis 10 Prozent aller von uns verbrauchten Güter und Leistungen, die Österreich aus dem Dollarraum bezieht. Das ist eine wesentliche Ursache für die leichte Beschleunigung des Preisauftriebs.

Erhöhte Gebühren und Steuern treiben die Preise ...

Viel wichtiger für unser Preisniveau sind aber andere Umstände. Vor allem kommt es auf die Konjunkturlage an. Bei einer überhitzten Nachfrage, also wenn die Nachfrage stärker ist als das Angebot - was sowohl für Teilmärkte als auch für die gesamte Volkswirtschaft gilt -, kommt es erfahrungsgemäß häufig zu Preissteigerungen. Dem versuchen Zentralbanken (wie die Europäische Zentralbank) durch eine vorsichtige Geldmengen- und Zinspolitik entgegenzusteuern. Wenn aus welchen Gründen immer öffentliche Gebühren und Steuern erhöht werden, treibt das die Preise an. Wenn (oft in Situationen eines allzu angespannten Arbeitsmarktes) die Löhne zu stark ansteigen, versuchen die Unternehmer, diese Kostensteigerungen in Form von Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben. Deshalb berücksichtigen verantwortungsbewusste Gewerkschaften wie der ÖGB die Wirtschaftslage bei ihren Lohnforderungen sehr genau. Es wurden schon viele Bücher über die Ursachen von Preissteigerungen und von Inflationen geschrieben, aber lassen wir es bei diesen wenigen Beispielen bewenden.

In den Euroländern gibt es jedenfalls derzeit keine Inflation, die Preissteigerungsrate ist sogar deutlich geringer als jene in den USA. Müsste da nicht der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar zumindest stabil sein, wenn nicht sogar steigen? Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte jeder Volkswirt diese Frage eindeutig bejaht. Devisengeschäfte, also der Tausch einer Währung gegen eine andere, wurden vor allem zur Bezahlung von Waren und Dienst- leistungen im internationalen Wirtschaftsverkehr abgeschlossen. In einem Land mit starker Inflation wurden die Ausfuhren teurer, die Einfuhren wurden billiger. Die Ausfuhr nahm daher ab, die Einfuhr nahm zu. Die Währung dieses Landes wurde weniger nachgefragt und ihr Wechselkurs ging daher zurück.

Devisengeschäfte und Kapitalverkehr

Doch heute werden nur noch weniger als ein Zehntel aller Devisengeschäfte zur Bezahlung von Waren und Dienstleistungen abgeschlossen. Heute ist der entscheidende Faktor der so genannte Kapitalverkehr. Devisen werden angekauft und verkauft, weil Kapitalbesitzer in fremden Ländern investieren wollen. In Unternehmen, in Wertpapieren, in Grundstücken usw. Weil sie sich davon einen besseren Ertrag erhoffen oder weil sie glauben, dass sie die Investition später (womöglich schon sehr bald) zu einem höheren Preis wieder verkaufen können. Oder auch nur, weil sie auf oder gegen eine Währung spekulieren wollen: Sie nehmen an, dass sich der Wechselkurs schon bald ändern wird und versuchen, an dieser Änderung zu verdienen. Konkret: Jetzt Dollars um Euro kaufen, um sie nach einem Kursrückgang des Euro wieder in (dann mehr) Euro zurückzuwechseln.

Die Kapitalströme bestimmen also die Nachfrage nach den einzelnen Währungen und damit ihre Wechselkurse. Diese Kapitalströme hängen aber von vielen Umständen ab: zum Beispiel, welche Börsenentwicklungen die Anleger in den einzelnen Märkten erwarten, wie hohe Zinsen man für Anlagen in den verschiedenen Währungen bekommt, wie die Konjunkturaussichten der Länder von den Anlegern beurteilt werden oder wie sich die Außenwirtschaft entwickelt und voraussichtlich entwickeln wird. Von oft entscheidender Bedeutung für den Wechselkurs ist die Einschätzung der zukünftigen Wechselkursentwicklung durch die Anleger.

Die Stärke liegt in der Schwäche

Sehr wichtig ist die Erwartung, ob die jeweilige Zentralbank, eventuell sogar gemeinsam mit anderen Zentralbanken, für (oder sogar gegen) den Wechselkurs der eigenen Währung am Markt intervenieren, das heißt, die Währung kaufen (oder verkaufen) wird. Macht eine solche Intervention aber überhaupt Sinn und erreicht man damit das gewünschte Ziel? Vorerst zum Sinn: Ein starker Wechselkurs hat Vor- und Nachteile. Zu den Nachteilen gehört ohne Zweifel der Umstand, dass Importe dadurch teurer werden. Zu den Nachteilen rechnet man aber auch, dass eine starke Währung mit nationalem Prestige verbunden ist, eine schwache dagegen als »nationale Schwäche« ausgelegt wird. Das mag kein sehr wirtschaftliches Argument sein, ein politisches ist es aber immer wieder.

Der wichtigste Vorteil eines nicht so starken Wechselkurses ist, dass dieser die Exporte erleichtert. Denn der gleiche Preis in Euro ist heute ein niedrigerer Preis in Dollar, als er es noch vor wenigen Monaten war. Das erleichtert die Konkurrenz im Export. Der derzeit etwas schwächere Euro hat den europäischen Export begünstigt und damit zum Konjunkturaufschwung nicht unmaßgeblich beigetragen. Der lange Konjunkturaufschwung in den USA in den neunziger Jahren wurde ebenfalls durch den damals verhältnismäßig schwachen Dollarkurs gefördert. Und die derzeitigen Schwierigkeiten der englischen Exportwirtschaft werden von dieser nicht zu Unrecht zu einem erheblichen Teil dem überstarken Pfund zugeschrieben.

Vage absehbare Zeit

Also ist ein nach außen schwacher Euro für uns gut? Nicht unbedingt. Auf bedeutende Nachteile wurde schon hingewiesen. Man sollte auch nicht übersehen, dass die europäischen Währungen zum Zeitpunkt ihrer Verschmelzung in den Euro gegenüber dem Dollar gerade ein Rekordhoch zu verzeichnen hatten. Die Mark und der Schilling sind auch nach allen Kursrückgängen der letzten Monate gegenüber dem amerikanischen Dollar noch immer viel mehr wert, als sie es etwa 1985 waren. Die meisten Fachleute nehmen auch an, dass der Eurokurs gegenüber dem Dollar in absehbarer Zeit (aber das ist ein sehr vager Begriff) wieder ansteigen wird.

Inzwischen müssen wir uns mit der gegebenen Situation zurechtfinden. Wir haben einen nach innen sehr starken Euro, der aber nach außen, vor allem gegenüber dem amerikanischen Dollar, weit schwächer ist, als die meisten Beobachter erwartet hatten. Der Versuch, das durch Interventionen der Zentralbanken zu ändern, war nicht sehr erfolgreich. In den nächsten Monaten wird nicht mit einem stärkeren Kursanstieg des Euro gerechnet. Seien wir daher mit dem starken inneren Wert unserer Währung zufrieden und nützen wir jetzt die Vorteile des Wechselkurses im Export. Lassen wir uns aber auch in Zukunft nicht allzu sehr von den Klagen jener irritieren, die bei einem Wiederanstieg des Euro jammern werden, wie schwer ihre Wirtschaftslage geworden sei.

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum