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Sozialabbau treffsicher | Eine Bestandsaufnahme der Sozialpolitik der neuen Bundesregierung

Die neue Bundesregierung ist seit Februar im Amt. Inzwischen sind 9 Monate vergangen ­ 9 Monate, die in der Sozialpolitik tiefe Spuren hinterlassen werden. Auf der einen Seite werden Pensionen, Unfallrenten, Arbeitslosengeld, Urlaubsentschädigungen etc. massiv gekürzt, auf der andern Seite wird eine Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber um insgesamt fast 10 Milliarden Schilling in Aussicht gestellt, milliardenteure neue Sozialleistungen sollen ohne jede Bedarfsprüfung eingeführt werden.

Die Regierung versucht, das Ganze als »Sparkurs« zu verkaufen. In Wahrheit steht bei dieser Art von Politik aber nicht einmal das Sparen im Vordergrund. Hier wird ganz gezielt umverteilt, und das zu Lasten der Arbeitnehmer und der sozial Schwächeren!

Es verwundert nicht, dass die Regierung zur Umsetzung dieser Politik den Einfluss von ÖGB und AK durch extrem kurze Stellungnahmefristen usw. so weit wie möglich zurückschrauben will. Der Versuch, die AK-Umlage zu senken, liegt auf dieser Linie.

1. Bereits beschlossene Rechtsänderungen

Neuordnung der Kompetenzen der Ministerien - Wirtschaftsministerium zuständig für Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, usw.; Frauenministerin abgeschafft

Eine der ersten Maßnahmen der neuen Bundesregierung war die Neuordnung der Zuständigkeit der Ministerien. Was bereits im Regierungsabkommen erkennbar war, fand hier seine erste Bestätigung: Die neue Bundesregierung setzt auf eine klare Unterordnung der Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den Interessen der Wirtschaft. Die Zuordnung von Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, Arbeitsinspektion und Arbeitslosenversicherung zum Wirtschaftsminister macht das mehr als deutlich.

Eine zweite wesentliche Änderung brachte der Wegfall der Frauenministerin - die Frauenagenden nimmt seither das »Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen« wahr. Auch das ein klares Signal: Frauenpolitik wird von der neuen Bundesregierung nicht als eigenständige Aufgabe gesehen. Seit die Ressortleitung im »Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen« von einem Mann übernommen wurde, wird das Abwegige dieser Situation besonders deutlich.

Arbeitsrechtspaket - »Aktion Unfairness« kostet die Arbeitnehmer 3 Milliarden Schilling

Seit vielen Jahren wird von der Gewerkschaft eine Beseitigung der Schlechterstellung der Arbeiter im Arbeitsrecht gefordert. Anfang der 90er-Jahre entstand die auf dieses Ziel ausgerichtete gewerkschaftliche »Aktion Fairness«. 1996 wurden vom ÖGB mehr als 300.000 Unterstützungsunterschriften vorgelegt. Eine Umsetzung ist am Widerstand der Wirtschaft gescheitert.

Die neue Bundesregierung hat nunmehr die Gegenforderungen der Wirtschaft zu 100 Prozent erfüllt und gleichzeitig die Rechtsangleichung auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall reduziert! Alle anderen Schlechterstellungen der Arbeiter (Kündigungsfristen, Kündigungstermine etc.) blieben unangetastet. Und selbst bei der Entgeltfortzahlung erfolgte keine volle Angleichung! So sind z. B. die Fortzahlungszeiträume bei den Arbeitern auf ein Jahr, bei den Angestellten hingegen auf ein halbes Jahr bezogen.

Im Gegenzug wurde der Arbeitnehmeranspruch auf volle Urlaubsabgeltung bei Arbeitgeberkündigung beseitigt. Beseitigt wurde auch der Anspruch auf Postensuchtage bei Selbstkündigung. Daneben wurden noch der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung (für Arbeiter) gesenkt und der Entgeltfortzahlungsfonds aufgelöst. Für Arbeiter mit Gesundheitsproblemen wird das Risiko des Arbeitsplatzverlustes durch die Fondsauflösung steigen.

Im Ergebnis wurde mit diesen Rechtsänderungen aus der ursprünglichen »Aktion Fairness« eine »Aktion Unfairness«, eine riesige Umverteilungsaktion von den Arbeitnehmern hin zu den Arbeitgebern. Die Arbeitgeber steigen mit einem Plus von etwa 3 Milliarden Schilling aus, entsprechend hoch liegt der Verlust bei den Arbeitnehmern.

Im Budgetbegleitgesetz 2001 ist als zusätzliche Belastung für die Arbeitnehmer vorgesehen, dass noch verbleibende Abgeltungen offener Urlaubsansprüche und sonstige Beendigungszahlungen mit Ausnahme der Abfertigung in Zukunft wesentlich höher besteuert werden sollen.

Verpackt in einer Novelle zum Wohnrecht erfolgte eine weitere Arbeitsrechtsänderung, diesmal zu Lasten einer einzelnen Berufsgruppe. Für Hausbesorger, die ab Juli 2000 in ein neues Arbeitsverhältnis eintreten, wurden die Schutzbestimmungen des Hausbesorgergesetzes ersatzlos gestrichen.

»Pensionspaket« - 15 Milliarden Schilling fürs Budget von denen, die in den nächsten 3 Jahren das Pensionsalter erreichen

Die »Pensionsreform 2000« bedeutet eine grobe Missachtung des Vertrauensschutzes gegenüber zigtausend älteren Menschen und ist aller Voraussicht nach in etlichen Punkten verfassungswidrig.

Die plötzliche Anhebung der Altersgrenzen um eineinhalb Jahre lässt sehr vielen Menschen, die knapp vor Erreichung der seit Jahrzehnten gültigen Altersgrenzen stehen, keine Chance, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Die volle Anhebung um 1,5 Jahre gilt bereits für derzeit 53-jährige Frauen und für derzeit 58-jährige Männer! Und für sie kommt auch die Anhebung der Pensionsabschläge bereits voll zum Tragen.

Enorme Härten bringt auch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Es wird damit gerechnet, dass etwa die Hälfte der bisher pro Jahr etwa 13.000 Bezugsberechtigten keine Möglichkeit haben wird, in eine andere Pension auszuweichen. Welche Arbeitschancen sie haben, kann man sich leicht ausmalen ­ es geht da fast ausschließlich um ungelernte Arbeiter, die aufgrund jahrzehntelanger schwerer Arbeitsbelastung Gesundheitsprobleme haben und älter als 57 sind.

Insgesamt wird damit gerechnet, dass mehr als 20.000 ältere Arbeitnehmer durch die »Pensionsreform 2000« in die Altersarbeitslosigkeit abgedrängt werden. Die ­ zeitlich eng befristeten - Härtefallregelungen im Pensionsrecht und in der Arbeitslosenversicherung sind völlig unzureichend, um dem entgegenzuwirken.

Sozialpolitisch nicht vertretbar ist auch die Kürzung der bereits jetzt sehr niedrigen Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen. Gleiches gilt für die Kürzung von Witwen-/Witwerpensionen. Allfällige Rücknahmen bei Witwenpensionen wurden bisher immer im Konnex mit dem Ausbau der eigenständigen Alterssicherung der Frauen diskutiert. Die Regierung hat diesen Konnex verlassen und beschränkte sich auf eine reine Abbaumaßnahme.

In Summe soll durch das »Pensionspaket« der Bundeszuschuss zu den Pensionen bereits im Jahr 2003 um beinahe 15 Milliarden Schilling reduziert werden. Zur Kasse gebeten werden vor allem diejenigen, die in den nächsten 3 Jahren das Pensionsalter erreicht hätten.

Aber auch die Pensionisten bleiben nicht verschont. Nach Änderungen bei der Pensionsanpassung im Rahmen des »Pensionspakets« erfolgt im Rahmen des »Budget-Begleitgesetzes 2001« nunmehr noch eine Abschleifung des Pensionistenabsetzbetrages (5500 Schilling) und damit ein unmittelbarer Eingriff in bestehende Pensionen. Ab einer Pensionshöhe von 20.000 Schilling brutto wird der Absetzbetrag schrittweise bis auf null reduziert.

Wieso diese Art von Pensionsreform? Die Regierung führt im Wesentlichen zwei Gründe dafür ins Treffen: »Abbau des Budgetdefizits« und »langfristige Sicherung der Finanzierbarkeit der Pensionen«.

Eingriffe in das Leistungsrecht der Pensionsversicherung sind allerdings ein denkbar ungeeignetes Mittel für den kurzfristigen Abbau eines Budgetdefizits. Die massive Schlechterstellung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und Beiträge bezahlt haben, ist nicht verantwortbar und untergräbt das Vertrauen in die Pensionsversicherung. Mindestens ebenso wenig stichhaltig ist das genannte Langzeitziel. Es entbehrt jeder Logik, dass die Finanzierbarkeit der Pensionen in 20 oder 30 Jahren extrem kurze Übergangsfristen notwendig macht.

Von ÖGB und AK wurde eine Alternative zu den Regierungsplänen vorgelegt, sie wurde aber nicht aufgegriffen. Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer haben vor allem wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitschancen älterer Arbeitnehmer eingefordert. Durch eine Beendigung des Hinausdrängens älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben könnte ein mindestens ebenso hoher Anstieg des durchschnittlichen Pensionsantrittsalters erreicht werden wie durch die Hinaufsetzung der gesetzlichen Altersgrenzen. Darüber hinaus wurde vor allem eine kostendeckende Finanzierung der Ersatzzeiten und eine Erhöhung der Eigenfinanzierungsgrade bei den Pensionen der Selbständigen gefordert.

Gesundheitspaket - Kranke Menschen massiv belastet

Gemeinsam mit dem »Pensionspaket« wurden einige Änderungen im Gesundheitsbereich beschlossen. Im Wesentlichen erfolgte eine Erhöhung der Rezeptgebühr von 45 auf 55 Schilling, also um mehr als 20 Prozent(!), und die Einführung von Ambulanzgebühren in Höhe von 150 bzw. 250 Schilling.

Beides sind Maßnahmen, die die Heilungskosten für kranke Menschen beträchtlich in die Höhe treiben. Besonders betroffen sind Familien mit Kindern.

Mit den Ambulanzgebühren soll unter anderem dem Ärztewunsch entsprochen werden, eine Verlagerung von den Ambulanzen hin zu den niedergelassenen Ärzten zu erreichen. Dabei wird aber übersehen, dass die Ärzte bei weitem nicht in der Lage sind, ein vergleichbares Leistungsangebot wie die Ambulanzen zu bieten (Öffnungszeiten, Ausstattung mit medizinischen Geräten etc.). Überdies sind 80 Prozent der Ambulanzfälle Behandlungen, Kontrolluntersuchungen usw., die überhaupt nur in Ambulanzen erbracht werden.

2. In parlamentarischer Behandlung - das »Treffsicherheitspaket«

Leistungskürzungen um 7,7 Milliarden Schilling - treffsicherer Sozialabbau

Das »Treffsicherheitspaket« bringt den nächsten dramatischen Schritt gegen Arbeitnehmer und gegen sozial Schwache.

In klarem Widerspruch zu den Ergebnissen der von der Regierung selbst eingesetzten Arbeitsgruppen sollen unter der Bezeichnung »Erhöhung der Treffsicherheit« Sozialabbaumaßnahmen in einem Volumen von etwa 7 Milliarden Schilling durchgeführt werden. Der im Regierungsabkommen genannte Wert von 3 Milliarden Schilling wurde damit im Handumdrehen mehr als verdoppelt.

Da die einzelnen Maßnahmen zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Beitrags noch in Bearbeitung waren, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, was letztlich konkret beschlossen wird. An der Grundausrichtung des Pakets dürfte sich aber aller Voraussicht nach nur noch wenig ändern.

Besteuerung der Unfallrenten

Durch die Besteuerung der Unfallrenten sollen für das Budget 2 Milliarden Schilling eingebracht werden. Da für Unfallrenten in Summe 6 Milliarden Schilling ausgegeben werden, bedeutet das im Schnitt eine Rentenkürzung um ein Drittel. Zum Vergleich: Die von der Regierung angekündigte Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung bedeutet einen beinahe ebenso hohen Einnahmenverzicht!

Wie stark die Wirkung dieser Maßnahme im Einzelfall ist, zeigt folgendes Beispiel: Ein Pensionist mit 12.000 S brutto Alterspension und 3.000 S Unfallrente verliert durch die vorgesehene Besteuerung der Unfallrente im Jahr mehr als 10.000 S netto. Betroffen von der Besteuerung sind 108.000 Bezieher einer Unfallrente.

Nach heftigen Protesten der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer und der Pensionistenverbände kam es zu einem ersten Einlenken der Regierung. Nach aktuellem Stand sollen Schwerversehrte mit einer Erwerbsminderung von zumindest 70 Prozent eine Aufstockung der Unfallrenten um 30 Prozent erhalten. Dadurch soll der aus der Besteuerung entstehende Verlust wettgemacht werden. Für die Abfederungsmaßnahme sind 185 Millionen Schilling veranschlagt - der Vergleich mit dem Gesamtvolumen der Mehreinnahmen aus der Besteuerung macht das bescheidene Ausmaß der Änderung deutlich.

Völlig offen ist einstweilen, in welcher Form die im Gegenzug in Aussicht gestellte Behindertenmilliarde zum Einsatz kommen soll. Eine Verbesserung der Unterstützungen für Behinderte wäre sicherlich zu begrüßen, allerdings kann das auf keinen Fall die massiven Einkommenskürzungen für fast alle Unfallrentner rechtfertigen.

Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung für kinderlose Ehepartner

Nach Schätzungen gibt es etwa 100.000 beitragsfrei mitversicherte Ehepartner bzw. Lebensgefährten ohne Kinder. Es handelt sich fast ausschließlich um Frauen.

In Zukunft soll für den Krankenversicherungsschutz dieser Frauen ein Zusatzbeitrag in Höhe von 3,4 Prozent des Partnereinkommens bezahlt werden. Die Einnahmen aus dem Zusatzbeitrag sollen - über Umwege ­ ins Bundesbudget fließen! Was die zusätzliche Beitragszahlung bedeutet, zeigt folgendes Beispiel: Bei einem Bruttomonatseinkommen des Ehepartners in Höhe von 20.000 Schilling ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 9520 Schilling netto pro Jahr zu bezahlen (S 680,- x 14).

Die Beitragspflicht soll unabhängig vom Alter der betroffenen Personen gelten. Selbst wenn eine Frau z. B. bereits 80 ist und - mangels eigenen Pensionsanspruchs - mit ihrem Gatten mitversichert ist, soll dieser die Beiträge entrichten müssen. Übergangsregelungen sind nicht vorgesehen!

Ähnlich wie bei der Besteuerung der Unfallrenten kam es erst nach massiven Protesten zu einem gewissen Einlenken. »Besonders sozial Schutzbedürftige« (Einkommen unter dem Ausgleichszulagen-Richtsatz etc.) sollen nach aktuellem Stand von der Beitragspflicht ausgenommen werden bzw. soll für sie der Beitragssatz gesenkt werden können. Ausnahmen soll es nun auch für bestimmte Formen der Pflege geben.

Massive Abschöpfungen aus dem Budget der Arbeitslosenversicherung

In engem Zusammenhang mit dem »Treffsicherheitspaket« stehen diverse Finanztransaktionen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung.

So sollen z. B. im Jahr 2001 rund 6,5 Milliarden Schilling unter dem Titel »Überschuss-Abschöpfung« an die Pensionsversicherung weitergeleitet werden - und das zusätzlich zur laufenden Überweisung von 4,9 Milliarden Schilling pro Jahr.

Der »Überschuss« von 6,5 Milliarden Schilling wird zu einem erheblichen Teil erst durch die im Folgenden dargestellten Leistungskürzungen ermöglicht, sie sollen mehr als eine Milliarde Schilling bringen! Aber selbst unter Einrechnung der Kürzungseinsparungen dürfte sich die Rechnung nicht ausgehen. Zu befürchten ist, dass eine »Überschuss-Abschöpfung« in diesem Ausmaß die Arbeitslosenversicherung ins Defizit führt. Dringend erforderliche Arbeitsmarktprogramme für ältere Arbeitnehmer, Wiedereinsteigerinnen etc. müssen auf alle Fälle zurückstehen - es besteht sogar die Gefahr, dass laufen-de Programme zusammengestrichen werden.

Neben den erwähnten Überweisungen an die Pensionsversicherung soll die Arbeitslosenversicherung in Zukunft auch den Wegfall von 2,5 Milliarden Schilling Bundeszuschuss zur Arbeitsmarktpolitik verkraften. Dieser Zuschuss soll ersatzlos gestrichen werden, was zur europaweit einmaligen Situation führt, dass aus dem allgemeinen Budget kein Schilling mehr für allgemeine Arbeitsmarktpolitik ausgegeben wird.

Kürzung der Familienzuschläge zu Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Karenzgeld

Als Teil des Maßnahmenpakets »Erhöhung der Treffsicherheit« sollen auch die Familienzuschläge gekürzt werden - von 660 auf 400 Schilling im Monat, was eine Kürzung um 40 Prozent bedeutet. Und das, obwohl im Expertenbericht auf die hohe Bedeutung der Familienzuschläge zur Armutsvermeidung ausdrücklich hingewiesen wurde!

Von der Kürzung der Familienzuschläge sind pro Jahr mehr als 200.000 Menschen betroffen. Für eine allein erziehende Mutter in Elternkarenz mit 2 Kindern bedeutet die Rechtsänderung einen Einkommensverlust von mehr als 3000 S im Jahr.

Geradezu zynisch ist, dass die Kürzung der Familienzuschläge parallel zur Ankündigung erfolgt, dass man die Familienleistungen durch ein ohne jede Bedarfsprüfung zu zahlendes »Kinderbetreuungsgeld für alle« erheblich ausbauen will.

Sperre des Arbeitslosengeldbezugs für 4 Wochen bei einvernehmlicher Auflösung eines Arbeitsverhältnisses und bei Auflösung durch Ablauf einer Befristung

Insgesamt erfolgen pro Jahr 350.000 bis 400.000 Übertritte in die Arbeitslosigkeit aufgrund des Auslaufens einer Befristung oder aufgrund einer einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. Davon rund 60.000 im Fremdenverkehr und 15.000 bis 25.000 in der Bauwirtschaft.

In der Regierungsvorlage war vorgesehen, betroffene Arbeitnehmer mit einer 4-Wochen-Sperre des Arbeitslosengeldes zu bestrafen - und das, obwohl die Verursacher von einvernehmlichen Lösungen und der Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge in aller Regel die jeweiligen Arbeitgeber sind! Nach heftigen Protesten der Gewerkschaften und Vorlage eines Konzepts der Sozialpartner zur Verlängerung der Saisonbeschäftigung in der Tourismuswirtschaft wurde von diesem unvertretbaren Vorhaben abgegagen.

Im Gegenzug zum »Verzicht« auf die 4-Wochen-Sperre bei Ablauf einer Befristigung und bei einvernehmlicher Lösung haben die Regierungsparteien dem Wirtschaftsminister eine äußerst problematische Verordnungsermächtigung eingeräumt. Er soll in Zukunft in bestimmten Fällen das Recht haben, branchenbezogen eine generelle Sperre des Arbeitslosengeldes in den ersten beiden Wochen der Arbeitslosigkeit zu verfügen! Dieses Mittel soll dem Minister offenstehen, wenn Saisonverlängerungsmodelle seiner Einschätzung nach keine wirksame Entlastung der Arbeitslosenversicherung bringen.

Im letzten Augenblick eingebracht wurde weiters, dass bei wiederholter Arbeitslosigkeit 28 statt bisher 26 Arbeitswochen für einen erneuten Arbeitslosengeldanspruch erforderlich sein sollen. Vor allem in Saisonbranchen wird das zu vielen Härtefällen führen. Schließlich wurde noch die bereits bisher gegebene 4-Wochen-Sperre bei Selbstkündigung auf Fälle des berechtigten Austritts ausgedehnt! In Zukunft soll in derartigen Fällen nur bei Einwilligung des Regionalbeirats ein sofortiger Anspruch entstehen.

Weitere Rechtsverschlechterungen für Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verlieren

Zusätzlich zu den bereits genannten Punkten sind noch etliche weitere Rechtsverschlechterungen für Arbeitslose im »Treffsicherheitspaket« vorgesehen:

  • Einschränkung der Jugendanwartschaft;
  • Entfall des Weiterbildungsgeld-Anspruchs nach Ablauf der Elternkarenz;
  • Entfall der Aufwertungsbestimmungen;
  • Einschränkung der Leistungsobergrenze (inklusive Familienzuschlägen) auf 80 Prozent des Netto-Aktiveinkommens - Umstellung auf wöchentliche Kontrollmeldungen;
  • Erhöhung der Strafbestimmungen;
  • Auslaufen der Sonderunterstützung für Bergbaubetriebe.

Ursprünglich waren auch eine erhebliche Senkung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld und massive Verschlechterungen bei der Insolvenzentgeltsicherung vorgesehen. Auch hier hat der Widerstand der Gewerkschaften Wirkung gezeigt. Die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Leistungskürzungen wurden in wichtigen Punkten zurückgenommen.

Eine gewisse Verbesserung soll es für bestimmte Arbeitslose mit sehr niedrigem Leistungsanspruch geben: Liegt der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter dem Ausgleichszulagen-Richtsatz, so sollen in Zukunft 60 Prozent des Netto-Aktiveinkommens an Arbeitslosengeld zustehen. Bei Mehrkindfamilien kommt es aber auch bei 60 Prozent Arbeitslosengeld aufgrund der Reduktion der Familienzuschläge zu einer Verringerung des Gesamtanspruchs.

Einführung vom 10.000 S Studiengebühr pro Studienjahr

Durch diese - sowohl bildungspolitisch als auch verteilungspolitisch verfehlte - Maßnahme wird für sehr viele Kinder aus Arbeitnehmerfamilien der Universitätsbesuch erheblich erschwert. Für eine Familien mit einem studierenden Kind und einem Monatseinkommen von 20.000 Schilling netto bedeutet das den Verlust eines halben Monatslohns! Die in Aussicht gestellten Verbesserungen bei den Stipendien sind bei weitem nicht ausreichend, um die Einführung von Studiengebühren »abfedern« zu können.

Durch die Studiengebühren sollen 2 Milliarden Schilling für das Budget eingenommen werden.

3. Resümee

Abschließend ist nochmals zu betonen, dass viele der hier aufgelisteten Maßnahmen nicht nur unvertretbare soziale Härten bringen, sondern dass sie in wesentlichen Teilen dazu dienen, die von der Regierung gegebenen Wahlversprechen (Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber, Einführung eines ohne jede Bedarfsprüfung gezahlten »Kinderbetreuungsgeldes für alle«) finanzieren zu können. Ganz klar ist das z. B. bei den Kürzungsmaßnahmen in der Arbeitslosenversicherung, wo den Arbeitgebern eine Senkung ihrer Beiträge um 0,5 Prozent versprochen wurde. Ohne die massiven Leistungskürzungen könnte dieses Volumen nicht realisiert werden - es sei denn, man würde die gleichzeitig gestellten Budgetziele sofort wieder aufgeben.

Ähnlich verhält es sich in anderen Bereichen: Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechte werden zusammengestrichen und parallel dazu gibt es Beitragssenkungen für die Arbeitgeber. Die Senkung des Arbeitgeberbeitrags zur Krankenversicherung der Arbeiter um 0,3 Prozent wurde bereits beschlossen (Einnahmenverzicht: 1 Milliarde Schilling). Eine Senkung der Arbeitgeber-beiträge zur Unvallversicherung um 0,2 Prozent (Einnahmenverzicht: 1,7 Milliarden Schilling) und zum Insolvenzfonds um 0,4 Prozent (Einnahmenverzicht: 3,2 Milliarden Schilling) soll laut Regierungsabkommen in Kürze folgen. Für das Jahr 2003 ist schließlich die bereits erwähnte Senkung des Arbeitgeber-beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 (Einnahmenverzicht: 3,5 Milliarden Schilling) in Aussicht gestellt.

Eine solche Form der Sozialpolitik kann von den Interessenvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur abgelehnt werden.

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