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»Eine Regierung gegen die Arbeitnehmer«

Das aktuelle A&W-Gespräch mit AK-Präsident Herbert Tumpel

Arbeit &Wirtschaft: Kollege Tumpel, das Budget liegt auf dem Tisch. Drei Viertel der Arbeitnehmer sind laut Finanzminister von den drastischen Sparmaßnahmen nicht betroffen ...

Tumpel: Wir haben immer gesagt, eine Budgetkonsolidierung, der wir zustimmen, muss wichtige Voraussetzungen erfüllen: Sie darf nicht zu Lasten von Beschäftigung und Wachstum gehen und vor allem muss die soziale Ausgewogenheit gewährleistet sein. Wir haben uns das Budget ganz genau angeschaut. Nichts von alldem hat der Finanzminister umgesetzt. Im Gegenteil: Das Crash-Budget der Regierung führt zu einer Rekordinflation und gefährdet massiv Wachstum und Beschäftigung. Die ersten Auswirkungen liegen ja bereits auf dem Tisch: Die Wachstumsprognosen für das nächste Jahr mussten nach unten revidiert werden. Einen guten Teil an der Rekordinflation machen die Steuer- und Gebührenerhöhungen der Regierung aus. Die Beschäftigung wird in den kommenden Jahren schwächer ansteigen als zuletzt prognostiziert. Und das massive Zurückfahren von Investitionen und der Rückgang an Kaufkraft wegen der Steuererhöhungen kann tausende Arbeitsplätze kosten.

Kleine zahlen treffsicher ...

Von einer sozialen Ausgewogenheit kann beim Budgetprogramm der Regierung überhaupt keine Rede sein. Den Preis zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - und zwar alle. Denn, auch wenn es der Finanzminister noch so oft wiederholt: Es stimmt einfach nicht, dass drei Viertel der Bevölkerung von den Maßnahmen der Regierung nicht betroffen sind. Die Bezieher kleiner oder mittlerer Einkommen zahlen treffsicher für das Crash-Programm: Maßnahmen wie die überfallsartig eingeführten Studiengebühren, die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Kürzung der Familienzuschläge, die Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages oder die Einschränkung der kostenlosen Mitversicherung treffen gerade und vor allem die Bezieher niederer und mittlerer Einkommen. Die Besteuerung der Unfallrente etwa belastet gesundheitlich beeinträchtigte Arbeiter mit Einkommen von 12.000 bis 15.000 Schilling. Bereits 2001 werden Arbeitnehmer und Pensionisten mit 33 Milliarden Schilling belastet.

Auf der anderen Seite fällt der Beitrag der Reichen und Superreichen bescheiden aus. Die oft milliardenschweren Privatstifter sind gegenüber dem normalen Sparbuchbesitzer noch immer privilegiert. Und mit der Senkung der Lohnnebenkosten für die Wirtschaft und dem Kindergeld für alle, also auch für die, die es nicht brauchen, hat die Regierung schon neue Geschenke versprochen. Wie das mit einem Sparprogramm zusammenpasst, kann ich nicht erkennen.

Leistungskürzungsprogramm

A&W: Also »Nein« zu einem Nulldefizit auf Kosten der Arbeitnehmer?

Tumpel: Selbstverständlich sind auch wir für ein ausgeglichenes Budget. Und es ist grundsätzlich richtig, in Zeiten guter Wirtschaftslage zu sparen. Aber ein und dasselbe Ziel kann man auf verschiedenen Wegen erreichen. Die Regierung will bis 2002 ein Nulldefizit. Dieses Ziel hat sich die derzeitige Regierung willkürlich selbst gesetzt, niemand verlangt das von uns. Der Preis dafür ist ein einzigartiges Belastungspaket und Leistungskürzungsprogramm. Noch nie war die Steuerquote so hoch, noch nie wurde den Menschen eine derartige Belastungswelle zugemutet. Eine Budgetkonsolidierung wäre auch langsamer gegangen, ohne massivste Belastungen, ohne Gefährdung von Wachstum und Beschäftigung. Denn gerade diese Faktoren und eine wirkliche Strukturreform sind notwendig, um das Budget tatsächlich sanieren zu können, und zwar nachhaltig. Die Regierung bewegt sich von einer nachhaltigen Budgetkonsolidierung immer weiter weg. Davor warnen nicht nur die Experten der AK.

Und wie schon vorher gesagt: Zahlen für diese Maßnahmen müssen vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie tragen weit mehr bei als die Arbeitgeber. Die Regierung kürzt bei den Leistungen für Pensionen, sie spart bei der aktiven Beschäftigungspolitik, sie verteuert für Pendler den Weg zur Arbeit, sie verschlechtert die Ausbildungssituation bei den Lehrlingen und treibt die Kosten für das Studium in die Höhe. Für viele wird Studieren also wieder zum Luxus, viele werden sich das nicht mehr leisten können. Und die Maßnahmen sind großteils höchst unsozial, denn sie treffen jene, die auf Grund ihrer Lage Hilfe und Unterstützung besonders brauchen. Die erhöhten Selbstbehalte oder die neuen Ambulanzgebühren und die Besteuerung der Unfallrenten sind nur zwei Beispiele dafür. Die Regierung redet vom Sparen und Schulden reduzieren und treibt gleichzeitig Teile der Bevölkerung in die Verschuldung. Das ist eine Regierung gegen die Arbeitnehmer.

Arbeitnehmer brauchen starke AK

A&W: Die Angriffe von Teilen der FPÖ auf die AK gehen weiter. Im Parlament hat die FPÖ einen Antrag auf Kürzung des AK-Budgets eingebracht.

Tumpel: Die AK bekommt kein Geld vom Staat, sondern nur von ihren Mitgliedern. Die AK ist daher auch nur ihren Mitgliedern verpflichtet. Das ist ihre Stärke und gleichzeitig eine wichtige Basis für die Sozialpartnerschaft. Der FP-Antrag, dass der AK das Budget per Gesetz gekürzt werden soll, ist daher nichts anderes als ein Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ein Versuch, die Sozialpartnerschaft zu zerschlagen. Die AK soll als Interessenvertretung gegenüber der Regierung und der Wirtschaft und in ihren Leistungen für die Mitglieder geschwächt werden. Dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber eine starke AK wollen, das hat die Mitgliederbefragung 1996, das hat die heurige AK-Wahl gezeigt und das bestätigen aktuelle Umfragen. Dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine starke AK gerade in der jetzigen politischen Situation dringender denn je brauchen, das zeigt ein Blick in unsere Beratungsstatistiken: Im heurigen Jahr hat die Inanspruchnahme der AK sprunghaft zugenommen. Die Arbeitnehmer sind verunsichert und brauchen mehr Beratung über die Gesetzesänderungen - vom Auffangnetz für Lehrlinge über die massiven Verschlechterungen bei den Pensionen bis hin zum »Dauerbrenner«, wie Beruf und Familie vereinbart werden können.

Bereits jetzt hilft die AK jährlich in zwei Millionen Fällen - mit Rat und Tat, mit Rechtsschutz, persönlich oder am Telefon, direkt oder indirekt durch die Unterstützung von Betriebsräten, gemeinsam mit den Gewerkschaften. Für jeden Schilling, den die Mitglieder in ihre Kammer einzahlen, fließen rund drei Schilling wieder an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurück. Die AK sorgt dafür, dass ihre Mitglieder nicht nur Rechte haben, sondern auch Recht bekommen.

»AK plus«

Seit 1992 hat die AK ihre Leistungen enorm ausgebaut: kostenloser Rechtsschutz, neue Beratung bei Insolvenzen, Ausbau des Konsumentenschutzes, Ausbau der Bildungsangebote, mehr Angebote im Arbeitnehmerschutz oder die Vertretung der Arbeitnehmer in Brüssel. Das alles hat die AK mit gleich hoher Umlage, nur durch den sparsamen Einsatz ihrer Mittel, finanziert. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat die AK die Zahl der Beratungen verdoppelt!

Jeder Schilling weniger für die Arbeiterkammern bedeutet weniger Schutz, weniger Rechte und weniger Leistungen für die Arbeitnehmer.

Unsere Mitglieder wollen aber mehr und nicht weniger Leistungen. Dem werden wir Rechnung tragen: Gleich nach den AK-Wahlen hat die AK österreichweit das nächste Entwicklungsprogramm gestartet. AK plus - das heißt mehr Leistungen, neue Leistungen und auch für neue Arbeitnehmergruppen, die kein reguläres Arbeitsverhältnis mehr bekommen. Wo die Regierung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kürzt, etwa bei der Aus- und Weiterbildung, wird die Arbeiterkammer einspringen. Bis zur AK-Hauptversammlung Ende November werden Arbeitsgruppen die neuen Schwerpunkte erarbeiten. Wir werden unser Angebot ausbauen und wir werden es nicht hinnehmen, dass die Arbeiterkammer als unabhängige Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mundtot gemacht wird. Gerade in der jetzigen politischen Situation brauchen die Arbeitnehmer eine starke Interessenvertretung.

A&W: Kollege Tumpel, wir danken für das Gespräch.

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