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Die Gewerkschaft war immer eine Kampforganisation

Was jetzt in Österreichs offizieller Politik geschieht, ist nichts anderes als die konsequente Weiterführung einer Linie, die nicht erst im Jahr 2000 erfunden wurde - nur dass jetzt andere Machtmittel zur Verfügung stehen als in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten.

Es geht schlicht und einfach darum, die Gewerkschaftsbewegung zu schwächen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen dadurch wieder zum leicht verfügbaren, leicht austauschbaren und leicht kontrollierbaren »Menschenmaterial« auf dem »freien Markt« werden. Die Angriffe auf die Arbeiterkammern, der Versuch, ihnen ihre Handlungsfähigkeit zu nehmen, das ist eines der Ziele dieser arbeitnehmerfeindlichen Politik. Ein anderes, besonders gefährliches Ziel ist die Absicht, den Kollektivverträgen den Zahn zu ziehen, indem man sie nur noch für einen einzelnen Betrieb gelten lassen will. Was das für Folgen haben würde, zeigt das Beispiel Großbritannien. Als die neoliberale Regierung Thatcher ihr Deregulierungskonzept durchzog und Brachenkollektivverträge durch Firmenkollektivverträge ersetzt wurden, sank der Kollektivvertragsschutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dramatisch: Vor 1980 galt noch für 70 Prozent ein Kollektivvertrag, 1990 nur noch für 43 Prozent. Und es liegen mehr als ausreichend Beweise dafür vor, dass das soziale Ungleichgewicht in Ländern ohne umfassende Kollektiverträge sehr groß ist. Die sozial Schwächeren werden noch schwächer und das Betriebsklima ist wesentlich konfliktgeladener.

Die Gewerkschaften in Großbritannien haben sich massiv gegen die Deregulierungspolitik ihrer Regierung zur Wehr gesetzt. Einer der Vorwürfe, denen man den britischen Gewerkschaften damals machte, war der, sie seien zu kämpferisch. Uns österreichischen Gewerkschaftern wirft man im Regelfall gerne das Gegenteil vor.

Es gilt ja zurzeit mancherorts geradezu als ein Ausweis für Fortschrittlichkeit, die Gewerkschaftsbewegung und ihre Institutionen zu kritisieren. Die Kritiker der Gewerkschaftsbewegung, das sind naturgemäß ihre Gegner, aber auch so manche Leute, die von sich selbst glauben, dass sie ihre Freunde sind. Einer der Hauptangriffspunkte der Kritiker ist eben die vorgeblich »mangelnde Kampfbereitschaft« des ÖGB und seiner Gewerkschaften. Was dabei fast schon wie in einem Kabarett wirkt: Sie widersprechen sich bei ihrer Kritik ständig selbst - häufig geradezu in einem Atemzug.

Sie sagen etwa: Die österreichischen Gewerkschaften haben das Kämpfen verlernt, weil sie es sich im österreichischen Sozialstaat bequem eingerichtet hätten. Und sie verweisen dabei auf die sehr niedrige Streikrate in unserem Land. Streikhäufigkeit wird da als einziges Zeichen für die Ernsthaftigkeit gewertet, mit der eine Gewerkschaftsbewegung für die Interessen der Arbeitnehmer eintritt. Es fällt auf, dass dieser Kurzschluss besonders gerne von jenen gezogen wird, die auf den »gesellschaftlichen Wertewandel« verweisen. Sie meinen, dass die Zeit der Gewerkschaftsbewegung eigentlich vorbei sei, weil die Menschen ihre Interessen lieber als Einzelkämpfer wahrnehmen würden und nicht bereit wären, gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen aktiv zu unterstützen. Zum Glück ist bei jenen, die das Ende der Gewerkschaftsbewegung herbeireden wollen, wohl nur der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Zustimmung einer absoluten Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher zu den gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen am 28. Juni 2000 beweist das Gegenteil.

Wenn Streik das Mittel ist, um die Arbeitnehmerinteressen in einer konkreten Situation am besten zu vertreten, dann werden wir keineswegs zögern, es auch einzusetzen. Wenn andere Kampfmittel mehr bringen, dann werden wir diese nutzen. Aber eines werden wir sicher nicht tun: Denen, welche die Gewerkschaftsbewegung kaltstellen wollen, um den Arbeitnehmern Rechte zu nehmen und den sozialen Ausgleich unmöglich zu machen, zu sagen, wie wir unseren Kampf führen werden und mit welchen Mitteln.

Dass sehr viele der Kämpfe der Gewerkschaftsbewegung in der Zweiten Republik erfolgreich waren, ohne das Instrument »Streik« einzusetzen, ist auch, was einen Teil unserer Kritiker besonders stört. Deshalb geben sie dem ÖGB - völlig im Widerspruch zum Vorwurf der mangelnden Kampfbereitschaft - die Schuld daran, dass Österreich noch nicht so »modern« ist wie andere Länder. Weil die österreichischen Arbeitnehmer z. B. noch nicht drei oder vier Jobs brauchen, um davon leben zu können, wie es anderswo bereits eingerissen ist - und wie man es uns als (nachweislich falsches) Patentrezept gegen die Arbeitslosigkeit zu verkaufen versucht. Oder weil sich die Gewerkschaftsbewegung gegen Privatisierung ohne Rücksichtnahme auf Beschäftigung und die Lebensbedingungen für die betroffenen Arbeitnehmer stemmt und gegen eine Privatisierungspolitik, die wirtschaftliche Vernunft auf die Seite schiebt.

Diese Privatisierungspolitik ignoriert auch eine der Grundüberzeugungen, auf denen unsere Zweite Republik als lebenswertes Gemeinwesen aufgebaut wurde: nämlich, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen einen eigenen Stellenwert haben - unabhängig von ihrem kommerziellen Nutzen. Es wird gerne vergessen, dass die Leistungen des öffentlichen Dienstes auch Transferleistungen für die sozial Schwachen sind. Bei Privatisierungen und Auslagerungen kommt es aber oft zu empfindlichen Tariferhöhungen und Leistungskürzungen, wie wir das ja auch bei uns in Österreich schon zu spüren bekamen. Eine solche Politik führt darüber hinaus zu Lohndumping, Einkommensverlusten und letztlich auch zu Arbeitsplatzverlusten. Wenn wir, die Gewerkschaftsbewegung, das nicht einfach hinnehmen, dann sind wir plötzlich zu kämpferisch, da sind wir plötzlich zu wenig »staatstragend«!

Andersherum kommt wieder die gegenteilige Kritik: Wir würden uns zu »staatstragend« verhalten. Der ÖGB habe zu viel auf die Sozialpartnerschaft gesetzt, und damit auf Kompromisse, die beim Einbringen der unterschiedlichen Interessen in Verhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretungen, Arbeitgebervertretungen und Staat gefunden werden. Die Gewerkschaftsbewegung sei deshalb, so heißt es, nicht nur gegenüber den Arbeitgebern zu wenig kämpferisch aufgetreten, sondern auch gegenüber der jeweiligen Regierung.

Man ignoriert dabei die Tatsachen, die anders aussehen. Denn sonst müsste man sich daran erinnern, dass es die Gewerkschaftsbewegung war, die für Österreich und Europa eine Beschäftigungspolitik eingefordert hat, die sich nicht damit begnügt, Arbeitslosigkeit zu verwalten, sondern dafür antritt, dass sie beseitigt wird. Es war das Verdienst des Europäischen Gewerkschaftsbundes, dass Beschäftigungspolitik in Europa zum Thema wurde. Und die österreichische Gewerkschaftsbewegung - unter Einschluss der Arbeiterkammer - spielte dabei eine ganz entscheidende Rolle, auf die wir mit Recht stolz sein dürfen.

Man müsste auch zur Kenntnis nehmen, dass es die Gewerkschaftsbewegung war, die bei der letzten Pensionsreform soziale Verantwortung eingefordert hat - und im Vergleich zu dem, was ursprünglich geplant war, viel Schlimmes verhindern konnte. Wir haben - das ist ja bekannt und wurde auch von manchen Freunden zunächst nicht verstanden - dem Plan eines Regierungsabkommens eine eindeutige Absage erteilt, das für die Kolleginnen und Kollegen nach einem langen Arbeitsleben unzumutbare Belastungen vorsah - und nicht für sie allein. Dass wir gegenüber der jetzt amtierenden Regierung keine andere Haltung einnehmen, ist wohl selbstverständlich - einer Regierung gegenüber, die unvergleichlich größere Belastungen und Ungerechtigkeiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Programm hat als alle vorangegangenen in der Zweiten Republik.

Die Gewerkschaft war immer eine Kampforganisation und wird es bleiben, weil das ihre Funktion ist! Sie ist im Kampf für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen entstanden, hat in diesem Kampf ihre Bedeutung erlangt und ihre Aufgabe erfüllt - bis heute. Und sie wird diese Aufgabe so lange haben, so lange der Interessengegensatz zwischen »Arbeit« und »Kapital« Realität ist.

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(C) AK und ÖGB

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