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Anteil der im Semester erwerbstätigen Studierenden | Frage bei der IFES-Studie: Wie stehen Sie grundsätzlich zu Studiengebühren?
Erwerbstätigkeit von Studierenden im WS 1997/98 nach Beruf des Vaters
Studierende nach Beruf des Vaters | Schulbildung des Vaters von Studierenden

Gebühren fürs Studieren? Neue Hürden für sozial Schwächere

Sabine Ulrich hat heute Nacht »nichts geschlafen«, so fertig war sie. Vorstellen soll sie sich gehen und die Stempel vorweisen, sagt sie und zeigt den Zettel mit dem Rundsiegel zweier Firmen, eines Gasthauses und einer Eisenhandlung. Das Vorstellen ist kein Problem, Stempel kriegen auch nicht, Arbeit bekommen schon eher. Dabei hat sie eine, die ihr sogar Freude macht.

Die Arbeiterkammer und der ÖGB haben sich immer gegen die Einführung von Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen ausgesprochen, da dadurch zusätzliche soziale Barrieren beim Hochschulzugang entstehen. Die »Flucht in die Privatisierung« durch höhere Kostenanteile der Studierenden bzw. deren Eltern löst auch nicht die Probleme des Bildungssystems. Zudem zeigt eine Studie der AK deutlich, dass die Einführung von Studiengebühren auf eine breite Ablehnung in der österreichischen Bevölkerung stößt.

Das Thema »Studiengebühren« hat als Einsparungsvorschlag für die Hochschulen wieder Konjunktur, wenn auch die Beweggründe der Befürworter unterschiedlich sind: Viele beziehen sich auf den beschränkten Spielraum im Bundesbudget, einige erhoffen sich eine Zusatzfinanzierung für die Universitäten, andere wiederum sehen Gebühren primär als »Motivationsanreiz« für Langzeitstudierende oder als Mittel zur »Umverteilung«

Nachteile

Bei der Debatte fällt auf, dass vielfach nur die erhofften Vorteile von Gebühren Erwähnung finden, Nachteile werden zumeist verschwiegen oder heruntergespielt. Hinzu kommt, dass auch die mitunter zitierten positiven Beispiele aus dem Ausland, wie zum Beispiel kürzere Studienzeiten, bei näherer Betrachtung nicht primär auf einer teilweisen Finanzierung über Gebühren beruhen, sondern auf insgesamt anderen Rahmenbedingungen des Hochschul- und Sozialsystems (zum Beispiel anderes Unterhaltsrecht, Teilzeitstudien etc.). Österreich befindet sich in puncto Gebührenfreiheit in Übereinstimmung mit anderen Ländern ­ auch in Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden oder Finnland werden keine Gebühren eingehoben.
Aus Arbeitnehmersicht gibt es jedenfalls eine Vielzahl an Gründen gegen Studiengebühren:

Unis nur für finanzkräftige »Eliten«?

Das österreichische Bildungswesen ist Aufgabe des Staates und wird bislang fast zur Gänze aus Steuermitteln finanziert. Es muss daher ein Zugang ohne Beschränkungen finanzieller Art ermöglicht werden, Lernen und Studieren dürfen kein Privileg für »Reiche« sein. Auch wirtschaftspolitische Gründe sprechen für einen möglichst breiten Zugang und die Beibehaltung der Gebührenfreiheit: Österreich hat im Vergleich mit anderen Ländern eher zu wenige als zu viele Studierende. Der Anteil von Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss (ca. 7 Prozent) konnte zwar gesteigert werden, liegt jedoch noch immer an Ende der entsprechenden Skala der OECD-Staaten. Eine Anhebung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus ist notwendig, damit Österreich als kleines Land mit der oft betonten Hauptressource »bestqualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer« im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Gebühren verstärken soziale Selektion

Ein Studium in Österreich ist zwar gebührenfrei, dennoch müssen die Studierenden bzw. deren Eltern über durchschnittlich 7 Jahre hin die nicht unbeträchtlichen Lebenshaltungskosten (zum Beispiel für Wohnen) finanzieren. Studierenden stehen im Durchschnitt inklusive Beihilfen und Erwerbseinkommen 8900 Schilling im Monat zur Verfügung, wobei zirka 80 Prozent aller Studierenden in unterschiedlichem Ausmaß von der Familie unterstützt werden.
Bei der Einführung von Studiengebühren ist selbstverständlich mit einem Abschreckungseffekt zu rechnen. Es ist nachweisbar, dass Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwächeren Familien nicht so risikofreudig sind und eher »Angst« vor hoher Verschuldung und unsicheren Berufsperspektiven haben als zum Beispiel jene aus Akademikerhaushalten. Im Falle von Gebühren besteht auch die Gefahr eines Rückgangs des Frauenanteils (derzeit 48 Prozent) unter den Studierenden sowie von nicht traditionellen Studierenden, wie zum Beispiel Lehrabsolventen im Fachhochschulbereich.

Mehr Verteilungsgerechtigkeit?

Gebührenbefürworter argumentieren oft folgendermaßen: Die Verkäuferin bezahlt in unangemessener Relation die Studienkosten für die Kinder von Ärzten. Oder: Für Kindergärten muss ja auch bezahlt werden! Aus Sicht der AK geht es jedoch nicht darum, Neidgefühle zu schüren und einzelne Arbeitnehmergruppen gegeneinander auszuspielen. Ziel ist es, den Zugang zu höherer Bildung für Kinder aus sozial schwächeren und bildungsfernen Familien noch weiter zu verbessern. Obwohl bezüglich Chancengleichheit beim Hochschulstudium Nachholbedarf besteht, sind im Zuge der expansiven Bildungspolitik seit den siebziger Jahren beachtliche Erfolge erzielt worden und eine resignative Haltung ist unangebracht.
Für die AK steht fest: Durch die Einführung von Studiengebühren wird der Anteil von Arbeiterkindern an Universitäten sicher nicht erhöht! Auch Vergleiche mit kostenpflichtigen Hochschullehrgängen usw. gehen ins Leere, wenn die vielfach erhobene Forderung nach erhöhter Bildungsbeteiligung, insbesondere von bislang benachteiligten Gruppen, tatsächlich ernst gemeint ist.
Da die Weichenstellungen im vorgelagerten Schulwesen erfolgen, ist es notwendig, das Schulsystem mit den vergleichsweise frühen Bildungsentscheidungen mit 10 bzw. 14 Jahren zu reformieren und mehr Durchlässigkeit (zum Beispiel für Personen ohne traditionelle Matura) zu schaffen.
Außerdem zeigt eine Studie, dass Akademiker über die Einkommens- und Lohnsteuer einen nicht unwesentlichen Teil (rund 80 Prozent) der vom Staat erhaltenen Subventionen (gebührenfreies Lehrangebot und Transfers) zurückzahlen. Bei Modellrechnungen und Vergleichen mit anderen Gruppen, zum Beispiel Maturanten, ist im Übrigen auch der Verdienstentgang pro Studienjahr zu berücksichtigen. Zu bedenken ist ferner, dass im Falle von Studiengebühren vermutlich eine Form der steuerlichen Abzugsfähigkeit eingeführt werden müsste.

»Niedrige« Gebühren als Lösung?

Mitunter wird für Gebühren in geringer Höhe plädiert, um Abschreckungseffekte und soziale Selektion zu vermeiden. Da jedoch die administrativen Kosten einkalkuliert werden müssen, ist damit zu rechnen, dass dann die Verwaltungskosten höher sind als die Einnahmen.
Gleiches gilt für Gebührenvorschläge »nur für Zweitstudien oder Seniorenstudenten«. Die Gefahr bei derartigen Einstiegsmodellen ist, dass nach erfolgtem »Tabubruch« die Beträge vermutlich über kurz oder lang deutlich erhöht werden und eine Ausweitung auf andere Studierendengruppen vorgenommen wird. Im Übrigen ist bei jeglichen Einnahmenkalkulationen wohl von deutlich niedrigeren Inskriptionszahlen als derzeit auszugehen.

Ausgleich über Stipendien?

Auffällig ist, dass zwar einigermaßen konkret bezifferte Gebührenvorschläge vorliegen, diese reichen von »Schutzgebührmodellen« in der Höhe von 2000 Schilling bis zu 30.000 Schilling pro Studienjahr. Für den zumeist in einem Nachsatz geforderten Ausbau des Stipendienwesens hingegen fehlen jegliche Berechnungen.
Derzeit liegt die Studienförderungsquote bei zirka 13 Prozent, und Kinder aus Arbeitnehmerhaushalten sind gegenüber jenen von Selbständigen und Landwirten aufgrund der Einkommensberechnung bei der Stipendienhöhe trotz erzielter Verbesserungen nach wie vor benachteiligt. Ein neuer Stipendientopf zum Ausgleich eines Gebührensystems mit entsprechender finanzieller Dotierung wäre somit bestenfalls ein budgetäres »Nullsummenspiel«. Außerdem ist vielfach davon die Rede, dass Gebühren primär eine zusätzliche Einnahmequelle für die Universitäten sein sollen.
Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Familienbeihilfe für Studierende erst heuer auf 2000 Schilling erhöht wurde. Abgesehen von der mangelnden Akzeptanz der Betroffenen wäre es höchst ineffizient, diese verbesserten Familienleistungen über den Umweg von Studiengebühren, reduziert um die Verwaltungskosten, wieder zurückzunehmen.

Bringen Gebühren kürzere Studienzeiten?

Oft wird argumentiert, dass Studiengebühren ein probates Mittel sind, »Langzeitstudierende« zu einem zügigeren Studium zu motivieren. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Falle von Studiengebühren noch mehr Studierende gezwungen sein werden, erwerbstätig zu sein, um die Kosten zusätzlich zur Finanzierung des Lebensunterhalts aufbringen zu können. Außerdem ist damit zu rechnen, dass sich die Drop-out-Zahlen erhöhen und speziell die Arbeitsmarktprobleme von Maturanten noch verschärfen.

Strukturreformen notwendig

Eines ist klar: Bei Gebühren wird hauptsächlich eine Gruppe im Hochschulsystem zur Kasse gebeten, nämlich die Studierenden. Diese bzw. deren Eltern waren schon bei den »Sparpaketen« mit einer Erhöhung des privaten Kostenanteils konfrontiert (zum Beispiel Entfall der Freifahrt, keine Anrechnung von Studienzeiten für die Pension mehr).
Zudem ist aufgrund der Monopolstellung vieler Universitätsbereiche und der gut abgesicherten Position der Lehrenden stark zu bezweifeln, dass es allein durch Gebühren zu einer Stärkung der »Konsumentenposition« der Studierenden kommt. Zur Verbesserung von Lehrqualität und Studienorganisation sind aus Sicht der AK - abgesehen von den politischen Akteuren - gemeinsame Anstrengungen aller Hochschulangehörigen, also von Lehrenden, Angehörigen der Verwaltung und von den Studierenden, notwendig.

Nein zur »Berufstätigengebühr«

Allein aus der Tatsache, dass jemand erwerbstätig ist, lässt sich keineswegs automatisch ein (über)durchschnittliches Einkommen, das zur Gebührenfinanzierung ausreicht, ableiten. Eine »Berufstätigengebühr« vergrößert jedenfalls das soziale Gefälle zwischen Studierenden, die sich aufgrund ihrer ökonomischen Lage ein Vollzeitstudium leisten können, und jenen, die aus materiellen Gründen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen sind und (gegebenenfalls erst später) ein nebenberufliches Studium beginnen. Letztere haben ohnehin mit dem Problem der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und zumeist auch Familienpflichten zu kämpfen und beziehen in der Regel keine Transferleistungen. Auch bei dieser Gebührenvariante sind negative Auswirkungen auf die Bildungsbeteiligung von Frauen sowie von Studierenden über den »Zweiten Bildungsweg« wahrscheinlich. Gebühren für »Langzeitstudierende« treffen Berufstätige Angesichts langer Studienzeiten werden auch immer wieder Forderungen gemäß dem Motto: Die »Faulen« sollen zahlen! laut. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, dass es für Langzeitstudierende eine Vielzahl von Gründen gibt und eine oberflächliche Reduzierung auf Argumente wie »Faulheit« oder »mangelnde Begabung« sicher unzutreffend ist. Längere Studienzeiten sind etwa durch Platzmangel bei Laborplätzen, mangelhafte Betreuung, Fehlen von Abendlehrveranstaltungen oder inhaltliche Überfrachtungen der Studienpläne bedingt. Klar ist jedenfalls: Gebühren für längeres Studieren treffen primär Arbeitnehmer! Schon jetzt sind mehr als zwei Drittel neben dem Studium berufstätig. Insbesondere mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der regelmäßig erwerbstätigen Studierenden. Da vor allem Studierende aus einkommensschwächeren Schichten darauf angewiesen sind, neben dem Studium zu »jobben« und dadurch länger für ein Studium brauchen, weist auch diese Gebührenvariante eine Schlagseite zuungunsten sozial Schwächerer auf.

Bevölkerung gegen Studiengebühren

Schließlich wird die Position der AK durch eine IFES-Umfrage bestätigt. Die Einführung von Schulgeld und Studiengebühren findet keine Akzeptanz bei der heimischen Bevölkerung. Jeweils fast zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (61 Prozent) lehnen Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen ab. Die Gegner von Studiengebühren sind bei allen Gruppen in der Überzahl ­ weitgehend unabhängig von der sozialen Schicht oder dem eigenen Einkommen. Besonders stark ist die Ablehnung bei den unmittelbar Betroffenen: 70 Prozent der Befragten mit Schulkindern, 79 Prozent mit Kindern in der Oberstufe und 72 Prozent mit Kindern an der Universität sind gegen Hochschulgebühren.

Fazit: Im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt die AK weiterhin bei ihrem deutlichen »Nein« zu allen Studiengebührenvorschlägen, weil diese bei näherem Hinsehen anstelle von mehr Verteilungsgerechtigkeit nur neue Hürden für sozial Schwächere bedeuten!

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(C) AK und ÖGB

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