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Niedrige Verwaltungskosten bei österreichischer Sozialversicherung
Wieviele der Befragten haben den Begriff Selbstverwaltung schon gehört?

Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung

Wie funktioniert die Sozialversicherung? Wie ist ihre Struktur? Was sind die wesentlichen Elemente der Selbstverwaltung? Was kostet das? 57 Prozent wissen das nicht. Hier finden Sie die Antworten.

Die Selbstverwaltung der österreichischen Sozialversicherung ist im Rahmen der Gesetze weisungsfrei. Das Bundesverfassungsgesetz weist der Selbstverwaltung so genannte »autonome Wirkungsbereiche« zu. Die staatliche Verwaltung ist nicht berechtigt, in diese Angelegenheiten der Selbstverwaltung einzugreifen. Wohl aber gibt es ein Aufsichtsrecht seitens des Sozialministeriums und des Finanzministeriums; natürlich auch durch den Rechnungshof. Diese haben die Einhaltung der Gesetze zu beobachten und die sparsame Verwendung der Mittel zu kontrollieren. Die verantwortlichen Mitglieder der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung haften für die Tätigkeit des Sozialversicherungsträgers in sozialpolitischer Hinsicht, aber auch in ihrer Funktion als Dienstgeber für rund 28.000 Beschäftigte des Hauptverbandes und der Sozialversicherungsträger.

Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung

Die 28 österreichischen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsträger sind selbstverwaltet. Die Dachorganisation dieser Sozialversicherungsträger ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Seine Selbstverwaltung wird von der Selbstverwaltung der 28 Träger getragen, er koordiniert die Arbeit der einzelnen Träger.
Die Übertragung der Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherung in die Verantwortung der von den Sozialpartnern nominierten Versicherungsvertreter bedeutet eine enge Einbindung der Sozialpartner in die Tätigkeit der österreichischen Sozialversicherungen. Auf diesem Weg sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in das System der gesetzlichen Sozialversicherungen eingebunden. Ihre Repräsentanten müssen für die Politik der Sozialversicherung gerade stehen. Diese Einbindung der Sozialpartner ist eine der Säulen des österreichischen Sozialversicherungssystems, stellt sie doch sicher, dass diejenigen, die das System durch Beiträge erhalten, gleichermaßen Interesse an seinem Erhalt haben.
In den jeweiligen Trägern sind Dienstgeber und Beschäftigte nach einem bestimmten Schlüssel vertreten:

  • In der Unfallversicherung ist die Selbstverwaltung je zur Hälfte von Dienstnehmer- und Dienstgebervertretern beschickt.
  • In der Pensionsversicherung zu zwei Drittel von Dienstnehmer- und einem Drittel von Dienstgebervertretern.
  • Bei den Krankenkassen zu vier Fünftel von Dienstnehmer- und einem Fünftel von Dienstgebervertretern.

Auch die Sozialversicherungsträger der Bauern und Gewerbetreibenden werden aus dem jeweiligen Versichertenkreis beschickt. Hier gibt es jedoch naturgemäß keine Trennung nach Dienstgeber und Dienstnehmer.
Dieser unterschiedliche Vertretungsschlüssel hat sachliche und historische Gründe. Die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) beispielsweise ist vom Prinzip her eine Selbstschutzversicherung der Dienstgeber. Sie schützt vor den Schadenersatzklagen der Beschäftigten im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit. Daher werden hier auch nur Dienstgeberbeiträge eingehoben (1,4 Prozent vom Bruttolohn). In der Kranken- und Pensionsversicherung hat das unterschiedliche Vertretungsverhältnis vor allem historische Gründe, macht aber die Herkunft der gesetzlichen Sozialversicherungen aus den einstigen Bruderladen des Gewerbes und den Solidarkassen der frühen Industrie deutlich - hier war die Selbstverwaltung noch unmittelbares Prinzip der Beitragsverwaltung durch die betroffene Solidargemeinschaft und ihre Delegierten.
Die Amtsdauer der Versicherungsvertreter beträgt fünf Jahre. Die Mitglieder der Selbstverwaltung werden als Repräsentanten der Versicherten und der Beitragszahler ernannt (nicht direkt gewählt), und zwar von ihren öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen: der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer; zum Teil auf Vorschlag anderer, freiwilliger Interessenvertretungen (im Falle der Dienstnehmervertreter etwa durch den ÖGB und die Einzelgewerkschaften).
Ihre direkte demokratische Legitimation beziehen die Versicherungsvertreter durch die Wahlen zu den gesetzlichen Interessenvertretungen. Erst vor einigen Jahren haben Urabstimmungen in den gesetzlichen Interessenvertretungen eindrucksvoll bewiesen, dass die Mitglieder hinter ihren Interessenvertretungen stehen. Alle Erwerbstätigen in Österreich stimmen somit bei den Wahlen zu ihrer gesetzlichen Interessenvertretung auch indirekt über ihre Vertreter in den Sozialversicherungsanstalten ab.
In der Selbstverwaltung sind alle Berufsgruppen vertreten. Das Vorschlagsrecht des ÖGB und der Einzelgewerkschaften für die Verwaltungskörper der einzelnen Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes orientiert sich an der ausgewogenen Besetzung nach Regionen, Branchen und Betrieben. Weiters berücksichtigt die Aufteilung der Mandate die einzelnen Gewerkschaften nach deren Stärke.

Die Selbstverwaltung ist die Geschäftsführung der Sozialversicherung

Die Selbstverwaltung führt die Geschäfte der Sozialversicherung. Sie ist für die Handlungen der einzelnen Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes allein verantwortlich, sie und nicht - wie oft fälschlich gemeint wird - das Büro oder der chefärztliche Dienst entscheidet auf Grundlage von Gesetz und Satzung über die Zuerkennung oder Verweigerung von gesetzlichen, satzungsmäßigen und freiwilligen Leistungen.

Unter der Geschäftsführung der Sozialversicherung versteht man:

  • Umsetzung im Parlament verabschiedeter Gesetze
  • Verabschiedung von Satzungen, Richtlinien und Abschluss von Verträgen, insbesondere mit den Leistungsanbietern, etwa Ärzten, Orthopäden u. Ä. l Die Beschlussfassung von Budget und Rechnungsabschluss
  • die Bildung von diversen Ausschüssen (dort werden einzelne Fälle im Leistungsrecht behandelt oder Bauentscheidungen getroffen usw.)
  • Überprüfung der Gebarung
  • Kontrolle der Verwaltung und Kompetenzen der (Mittel-)Veranlagung
  • Ernennung und Entlastung der Funktionsträger (Organe).

Verwaltung und Geschäftsführung sind getrennt. Der Geschäftsführung durch die Selbstverwaltung ist die Verwaltung (»das Büro«) unter Führung des jeweiligen leitenden Angestellten zur Seite gestellt. Die Selbstverwaltung als Geschäftsführung trifft die Entscheidungen und trägt die Verantwortung. Das Büro bereitet die Grundlage für die Entscheidung vor und vollzieht sie. Hier ist das bewährte Prinzip der Gewaltentrennung realisiert.
Die Selbstverwaltung ist als Geschäftsführung der Sozialversicherung auch in die Gesetzesbegutachtung einbezogen und kann Gesetze vorschlagen. Das ist notwendig, weil im Parlament und in den Ministerien in Form von Gesetzentwürfen über das Beitrags- und Leistungsrecht entschieden wird. So gesehen bilden die »Praktiker« der Selbstverwaltung ein Gegengewicht zu den »Theoretikern« aus den staatlichen Ministerien und dem Nationalrat.
Die Selbstverwaltung kann auf den ganzen Menschen eingehen. Denn die Selbstverwaltung vermittelt zwischen der (abstrakten) Versicherung und dem (konkreten) Versicherten. Das kann als die »Brückenfunktion« der Versicherungsvertreter bezeichnet werden. Die Selbstverwaltung tritt dem einzelnen Beitragsempfänger direkt gegenüber und muss mit seinen Erwartungen entsprechend umgehen. Sie soll Kritik entgegennehmen, Entscheidungen begründen und kann im Einzelfall mit Rat und Tat weiterhelfen. Oft genügt eine Information, damit der Versicherte mit seinen Anliegen zur richtigen Stelle, zum richtigen Schalter findet oder den erhaltenen Bescheid des Versicherungsträgers versteht.
Engagierte von Mitglieder der Selbstverwaltung sind den von ihnen vertretenen Versicherten aufgrund ihrer beruflichen Versichertennähe als Vertreter von Dienstnehmern, etwa als Arbeiterkammerräte oder als Betriebsräte, beziehungsweise als Vertreter der Dienstgeber, leichter zu erreichen als die Schalterstellen der Sozialversicherungsträger, denn hier ist das Hemmnis zur Kontaktnahme seitens des Versicherten oder des Beitragszahlers in der Regel deutlich niederschwelliger. Das ist nicht nur eine Frage der Effizienz. Ob die gesetzliche Sozialversicherung dem Menschen positiv entgegentritt, ob sie ihn annimmt mit seinen ganz persönlichen Sorgen und Nöten, wird entscheidend das öffentliche Bild bestimmen.

Verwaltungskosten und Effizienz

Die Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherungen durch ihre gesetzliche Selbstverwaltung ist hoch effizient. Der gesamte Verwaltungsaufwand der österreichischen Sozialversicherung beträgt (1997) 10,5 Milliarden Schilling (763 Millionnen _). Wenn man diese Summe zu den Gesamtausgaben der Sozialversicherung, die im selben Jahr etwas über 407 Milliarden Schilling (29,6 Milliarden _) betragen haben, in Beziehung setzt, kommt man auf einen Verwaltungskostenaufwand von 2,6 Prozent der Ausgaben (bei den KV-Trägern 3,6 Prozent,1) bei den PV-Trägern 1,8 Prozent). Hier sind aber auch die Verwaltungskosten der eigenen Einrichtungen, also der Kur- und Rehabilitationszentren sowie der Krankenhäuser der Sozialversicherungsträger, eingeschlossen.
Dies sind konkurrenzlos niedrige Verwaltungskosten. Die österreichischen Bundesländer haben bei einem etwa vergleichbar großen Budgetaufwand einen Verwaltungskostenanteil von 6,6 Prozent. Der Verwaltungskostenanteil deutscher Krankenversicherungen beträgt 5 Prozent des Umsatzes, in der Schweiz mit ihren im Wettbewerb stehenden Krankenversicherungen macht der durchschnittliche Verwaltungsaufwand 7,5 Prozent aus. Und private Krankenversicherer weisen hierzulande wie international einen Verwaltungskostenanteil von 15 bis 25 Prozent aus.
Für die Selbstverwaltung selbst, also für die Geschäftsführung der gesetzlichen Sozialversicherung, werden überhaupt nur 0,02 Prozent der gesamten Ausgaben der Sozialversicherung ausgegeben, das sind rund 10 Schilling (0,73 _) im Jahr pro Versicherten, zusammen 81 Millionen Schilling (5,9 Millionen _). Mit diesem Betrag werden Aufwandsentschädigungen, Fahrtkostenersätze und Sitzungsgelder für die 1017 Mitglieder und Funktionsgebühren für 194 Funktionäre der Selbstverwaltung (Präsident und Vizepräsidenten des Hauptverbandes, Obmänner der Sozialversicherungsträger und Vorsitzende der Kontrollversammlungen sowie deren Stellvertreter erhalten Funktionsgebühren). Diese Funktionsgebühren sind seit dem Bezügegesetz von 1998 an den Bezug eines Abgeordneten zum Nationalrat angebunden und mit 40 Prozent dieses Bezuges gedeckelt.
Somit beträgt die maximale Funktionsgebühr heute 46.666 Schilling (3391,4 _) im Monat, und zwar nur 12-mal im Jahr. Dem steht die gesamte Verantwortung der Geschäftsführung, im Falle des Präsidenten des Hauptverbandes zum Beispiel auch seine Verantwortung als oberster Dienstgeber für 28.000 Beschäftigte der österreichischen Sozialversicherungen, gegenüber.
Diese Funktionsgebühr ist ausreichend, aber sie bewegt sich - entgegen landläufig verbreiteter Meinung - nicht in jener Höhe, die als unvertretbar hoch bezeichnet werden könnte, insbesondere wenn man sie in Bezug zur Verantwortung setzt, die diese Funktionsträger übernommen haben.

Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung

In der Gegenwart bedauerlich, aber durchaus als Herausforderung zu begreifen ist der niedrige Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung in der Öffentlichkeit.
In einer im Herbst 1997 im Auftrag des Hauptverbandes durch die beiden Meinungsforschungsinstitute IFES und Fessel-GfK durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsbefragung über die Sozialversicherung wurde auch der Bekanntheitsgrad ihrer Selbstverwaltung abgefragt:
Nur rund ein Viertel der Befragten (26 Prozent) gab an, im Zusammenhang mit der Sozialversicherung schon einmal den Begriff »Selbstverwaltung« gehört oder gelesen zu haben. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherung ist bei allen hier statistisch ausgewiesenen Sozialgruppen nur einer Minderheit geläufig: Selbst bei der oberen Bildungsschicht (Maturanten, Akademiker) verbindet nur jeder Dritte diesen Begriff mit der Sozialversicherung, bei der unteren Bildungsschicht gar nur 6 Prozent. Auch innerhalb der Opinionleader (Politiker, Journalisten) konnte eine Mehrheit (57 Prozent) mit dem Begriff »Selbstverwaltung« in diesem Zusammenhang nichts anfangen (IFES/Fessel-GfK, 1998).
In Zukunft wird die Selbstverwaltung daher bemüht sein müssen, den Bekanntheitsgrad ihrer Einrichtungen und ihre Aufgabe, Brücke und Mittler zwischen Versicherten und Versicherungsträgern zu sein, deutlich stärker bekannt zu machen als bisher.
Denn nur ein wirklich hoher Bekanntheitsgrad ist eine langfristige Bestandsgarantie der Selbstverwaltung als Institution und Geschäftsführung unserer gesetzlichen Sozialversicherung - gerade in politischen »Zeiten wie diesen«.

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