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Arbeiterkammerwahlen: Es geht um viel!

In den letzten Nummern hat A&W laufend über die Wahlen zu den Arbeiterkammern berichtet. In Interviews mit den derzeit amtierenden Präsidenten wurden die Programme und Leistungen der Arbeiterkammern für die von ihnen vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dargestellt. Der Reigen der Arbeiterkammerwahlen begann bereits im April 1999 mit der Wahl in der Arbeiterkammer Vorarlberg. Am 25. März 2000 endete der Wahlzeitraum in der Arbeiterkammer Tirol, seit 30. März liegt das offizielle Endergebnis vor. Bei Redaktionsschluss dieser Nummer waren die Wahlen in Öberösterreich (27. März bis 8. April 2000) und in Salzburg (27. März bis 14. April 2000) im Gang. Im Burgenland wird vom 3. bis 12. April 2000 gewählt, in Kärnten vom 3. bis 14. April 2000. In der Zeit vom 2. bis 19. Mai 2000 finden die Wahlen zur Arbeiterkammer Niederösterreich und zur Arbeiterkammer Wien statt, und den Abschluss macht die Steiermark mit der AK-Wahl vom 21. bis 30. Mai 2000. In dieser letzten Phase der Arbeiterkammerwahlen, in der noch ein Großteil der Wahlberechtigten (allein in den Arbeiterkammern Niederösterreich, Steiermark und Wien mehr als 1,3 Millionen) von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen kann, fasst der Autor - Direktor der Wiener Arbeiterkammer - die Grundsätze der Wahlrechtsreform, die politischen Rahmenbedingungen, unter denen die Arbeiterkammerwahlen jetzt stattfinden, und deren Auswirkungen auf die Interessenvertretung der Arbeitnehmer nochmals zusammen.

Neues Wahlrecht

Seit der letzten AK-Wahl im Jahr 1994 wurde das Wahlrecht zu den Arbeiterkammern grundlegend geändert. Grundlage dieser Wahlrechtsreform waren vor allem die positiven Erfahrungen, die die Arbeiterkammern bei der Mitgliederbefragung im Jahr 1996 gemacht hatten: Mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nahmen österreichweit an dieser Befragung teil, und über 90 Prozent sagten dabei auf die Frage, ob sie dafür sind, dass die Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer bestehen bleibt:

»JA zur AK«!

Wichtigstes Ziel der Wahlrechtsreform war die größere Nähe zu den Mitgliedern nach dem Motto: »Die AK kommt mit der Wahl zu ihren Mitgliedern«. Die Wahlberechtigten sollten möglichst einfache und flexible Möglichkeiten haben, an der Wahl teilzunehmen. Auf diese Weise sollte die Wahlbeteiligung, die bei den vorangegangenen Wahlen bis auf das demokratiepolitisch bedenkliche Ausmaß von weniger als 30 Prozent bei der AK-Wahl 1994 zurückgegangen war, wieder angehoben und so die demokratische Legitimation der AK gestärkt werden.
Wesentliche Elemente der Wahlrechtsreform sind:

  • Innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens wird der Wahltermin in jedem Bundesland nach den jeweiligen Bedürfnissen autonom festgelegt.
  • Für die Durchführung der Wahl steht ein längerer Zeitraum (bis zu drei Wochen) zur Verfügung, innerhalb dessen flexible Wahlzeiten je nach konkreten Erfordernissen möglich sind.
  • Schwerpunkt ist die Wahl im Betrieb: So weit wie möglich sollten die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, an ihrem Arbeitsplatz (oder zumindest in unmittelbarer Nähe) zu wählen. Zu diesem Zweck werden die Wahlberechtigten in Betriebssprengeln erfasst, und auch die Wahllokale befinden sich in den Betrieben.

Nach den bisherigen Erfahrungen kann gesagt werden, dass dank der guten Zusammenarbeit der AK-Wahlbüros mit den Gewerkschaften, Betriebsräten, Personalvertretern, aber auch einer großen Zahl anderer Arbeitnehmer in Betrieben dieses Ziel in hohem Ausmaß erreicht werden konnte. So sind z. B. für die AK-Wahl in Wien fast 1400 Betriebswahlsprengel eingerichtet worden, sodass mehr als 300.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (das sind zirka 52 Prozent aller Wahlberechtigten!) die Möglichkeit haben, im Betrieb zu wählen.

  • Erstmals gibt es bei der AK-Wahl die Möglichkeit der Briefwahl: Alle Wahlberechtigten, die nicht in einem Betriebssprengel erfasst sind, können ihre Stimme per Post abgeben. Also: Jeder Briefkasten ist ein »Wahllokal«!

Auch hier zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass die Wahlrechtsreform offenbar auf fruchtbaren Boden fällt: Die Wahlbeteiligung der Briefwähler in Vorarlberg und Tirol, aber auch bei den derzeit laufenden Wahlen in Oberösterreich und Salzburg ist weit höher als erwartet.

  • Schließlich gibt es auch noch - wie bei früheren AK-Wahlen - die Möglichkeit zur Stimmabgabe in öffentlichen Wahllokalen.

Betrachtet man die Auswirkungen dieser Änderungen im AK-Wahlrecht, so lässt sich schon jetzt sagen:

  • Das Hauptziel der Wahlrechtsreform dürfte erreicht werden: Die Wahlbeteiligung wird voraussichtlich deutlich höher sein als bei der letzten AK-Wahl im Jahr 1994.

So ist in Vorarlberg die Wahlbeteiligung von nur 28,3 Prozent im Jahr 1994 auf 45,4 Prozent bei der AK-Wahl 1999 gestiegen, in Tirol konnte sie heuer sogar von 25,6 Prozent auf 59,7 Prozent gesteigert, also mehr als verdoppelt werden!

Jugendliche können erstmals wählen!

Ein zentraler Punkt der Reform des AK-Wahlrechts betrifft das aktive Wahlrecht: Erstmals und einzig bei einer öffentlichen Wahl können junge Menschen ohne Altersgrenze nach unten (außer der, die sich aus den arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen für die Beschäftigung ergibt) aktiv demokratisch mitbestimmen, wer ihre Interessen in der AK vertritt.
Andere reden viel von Demokratie für junge Menschen - in der AK gibt es sie!
Voraussetzung für die Möglichkeit zur Teilnahme an der AK-Wahl ist allerdings, dass sich jugendliche Arbeitnehmer in die Wählerliste eintragen lassen. Das kann entweder im Betrieb geschehen oder an den von den Wahlbüros der AK bekannt gegebenen Stellen. Nähere Informationen über Orte und Zeiten der Eintragung in die Wählerliste kommen rechtzeitig vom Wahlbüro der AK.
In Wien gibt es für Lehrlinge auch in bestimmten Berufsschulen die Möglichkeit zu wählen. Auch darüber wurde bzw. wird vom Wahlbüro der AK speziell informiert.

Die Frage des passiven Ausländerwahlrechts

Über die Frage, ob auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht österreichische Staatsbürger sind, bei der AK-Wahl kandidieren und zu Kammerrätinnen und Kammerräten gewählt werden können (sollen), wird seit langem diskutiert. Forderungen in dieser Richtung wurden vom ÖGB-Bundeskongress und - mehrmals - mit großer Mehrheit von der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien beschlossen. Bisher hat allerdings der Gesetzgeber diesen Forderungen nicht Rechnung getragen. Ein von der früheren Sozialministerin (und vorher AK-Präsidentin) Lore Hostasch unternommener Versuch, das passive Wahlrecht im Arbeiterkammergesetz auch auf ausländische Kolleginnen und Kollegen auszudehnen, ist am Veto der ÖVP im Ministerrat gescheitert. Das geltende Arbeiterkammergesetz sieht deshalb die Wählbarkeit bei der AK-Wahl nur für österreichische Staatsbürger vor.
Seit dem Beitritt Österreichs zur EU gilt allerdings in Österreich nicht nur innerstaatliches, sondern auch - und zwar sogar vorrangig! - EU-Recht. Und im EU-Recht gibt es eine »Freizügigkeitsverordnung«, die jede Diskriminierung von EU-Bürgern innerhalb der EU verbietet. Außerdem hat die EU mit einer Reihe von Ländern, darunter vor allem die Türkei, Assoziationsabkommen abgeschlossen, die ebenfalls ein Diskriminierungsverbot bei den Arbeitsbedingungen enthalten.
Bei der AK-Wahl in Vorarlberg kandidierten auf der Liste »GEMEINSAM« einige seit langem in Österreich beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit türkischer Staatsbürgerschaft. Die Hauptwahlkommission der AK Vorarlberg ließ ihre Kandidatur (entgegen der Rechtsmeinung des Wahlkommissärs!) nicht zu und verfügte die Streichung der türkischen Kandidaten von der Liste. Über die deshalb eingebrachte Wahlanfechtung hatte das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu entscheiden. Es wies zwar die Wahlanfechtung mit der Begründung ab, dass die Streichung der türkischen Kandidaten ohne Einfluss auf das Wahlergebnis gewesen wäre, sprach aber gleichzeitig eindeutig aus, dass EU-Bürger und Angehörige von assoziierten Ländern wie der Türkei bei der AK-Wahl passiv wahlberechtigt sind. Diese Rechtsmeinung des Sozialministeriums ist den Hauptwahlkommissionen aller anderen Arbeiterkammern mitgeteilt worden.
Auf Grundlage dieser Rechtsmeinung wurden in einigen Bundesländern Kandidaten mit türkischer Staatsbürgerschaft von der Hauptwahlkommission zugelassen. In der AK Wien ist diese Entscheidung sogar einstimmig (mit den Stimmen von FSG, ÖAAB und Freiheitlichen Arbeitnehmern) getroffen worden. Gleichzeitig mussten allerdings Kandidaten aus anderen Ländern, mit denen kein Assoziationsabkommen besteht (wie z. B. Jugoslawien) von den Listen der wahlwerbenden Gruppen gestrichen werden.
Im Ergebnis ist diese Situation alles andere als befriedigend. Abgesehen von der berechtigten politischen Forderung nach Gleichbehandlung bewirkt die bestehende innerstaatliche Gesetzeslage Rechtsunsicherheit und provoziert - wie das Beispiel Vorarlberg zeigt - die Gefahr von Wahlanfechtungen. Auf der Ebene der EU läuft gegen die Republik Österreich wegen der vom EU-Recht abweichenden Regelung des Arbeiterkammergesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren. Sollte sich die EU - was anzunehmen ist - mit der Stellungnahme Österreichs nicht zufrieden geben, droht Österreich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und aller Wahrscheinlichkeit nach eine »Verurteilung« - eine Konsequenz, die gerade in der aktuellen außenpolitischen Situation unseres Landes wohl besser vermieden werden sollte!

Neue politische Situation

Gegenüber den Arbeiterkammerwahlen 1994, aber auch der AK-Wahl 1999 in Vorarlberg hat sich die politische Landschaft in Österreich grundlegend verändert. Seit Februar dieses Jahres gibt es bekanntlich eine Koalitionsregierung von ÖVP und FPÖ, und diese Regierung hat sich ein Programm gegeben, das in fast allen Punkten fundamental gegen Arbeitnehmerinteressen gerichtet ist.
Abgesehen von einzelnen mehr oder weniger konkreten Vorhaben, die jedenfalls in Summe massive Belastungen der Arbeitnehmer in der Größenordnung von 14 Milliarden Schilling bewirken, mit denen umgekehrt Begünstigungen von Unternehmern und Bauern im Ausmaß von rund 20 Milliarden Schilling finanziert werden sollen, ist vor allem die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Regierungsprogramms zu beachten:

  • Es geht offenbar darum, die Fundamente einer organisierten Arbeitnehmerinteressenvertretung zu untergraben oder ganz zu zerstören.

Den Gewerkschaften soll in ihrem wichtigsten Tätigkeitsbereich der Boden entzogen werden, indem die Arbeitszeit- und die Lohnpolitik von der Regelung durch Kollektivverträge in die Betriebe verlagert werden soll. Wer dort in Zeiten der Globalisierung der Stärkere ist, müssen Tausende Arbeitnehmer und ihre Vertreter in den Betrieben täglich bitter erfahren. Die Arbeiterkammern sollen auf eine Dienstleistungseinrichtung wie eine Versicherung reduziert, das heißt also politisch entmachtet werden.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Forderungen nach einer Senkung der Kammerumlage zu sehen. Im Regierungsprogramm noch vage angedeutet, hat der Noch-FPÖ-Obmann deutlich gesagt, was er sich wünscht, nämlich eine Senkung der Arbeiterkammerumlage von derzeit 0,5 Prozent auf 0,3 Prozent. Dadurch sollen die Arbeitnehmer »entlastet« oder - nach der letzten Version - die Krankenkassen mit dem Geld der Arbeitnehmer saniert werden.
Zwei Zehntel Prozentpunkte - das klingt bescheiden und harmlos. In Wirklichkeit würden den Arbeitnehmern dadurch 40 Prozent der von ihnen für ihre gesetzliche Interessenvertretung eingezahlten finanziellen Mittel entzogen. Konsequenz: Die Arbeiterkammern müssten die Leistungen für ihre Mitglieder drastisch einschränken und würden in ihrer Interessenpolitik gegenüber den Unternehmervertretungen und gegenüber der Regierung entscheidend geschwächt. Und genau das dürfte die Absicht sein.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich deshalb nicht täuschen lassen.

  • Nicht »Entlastung«, sondern Entrechtung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wäre die Folge, wenn den Arbeiterkammern ihre finanzielle Basis entzogen wird!

Konsequente Interessenvertretung

Sofort nach Bekanntwerden der Pläne der neuen Bundesregierung haben die Experten der Bundesarbeitskammer das Regierungsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ einer umfassenden fachlichen Analyse unterzogen. Das Ergebnis dieser Analyse ist in einer mit nur einer Gegenstimme (nämlich jener des Abgeordneten Tancsits, Generalsekretär des ÖAAB, Kammerrat der AK Wien und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitskammer) beschlossenen Resolution des Vorstands der Bundesarbeitskammer vom 16. 2. 2000 zusammengefasst:
»Das FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist ein Programm der Umverteilung: Ein Belastungspaket zu Lasten der Arbeitnehmer, zu Gunsten der Unternehmen. Es gefährdet Zehntausende Arbeitsplätze und verlässt das Ziel der Vollbeschäftigung. Es gefährdet das Budget, das zu konsolidieren es behauptet.
Die Bundesarbeitskammer tritt diesen Absichten der neuen Bundesregierung entschieden entgegen.«
Auf der Grundlage dieses Vorstandsbeschlusses und der fachlichen Analyse des Regierungsprogramms wurden für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtige Themen in einer Serie von neun Foldern und anderen Medien aufbereitet und diese Informationen an eine breite Öffentlichkeit, in Wien z. B. an alle Betriebsratsmitglieder, weitergegeben. Umfangreiche Informationen zum Inhalt und zu den Auswirkungen des Regierungsprogramms wurden von allen Arbeiterkammern, dem ÖGB und den Gewerkschaften verbreitet.
Was jetzt von Funktionären der Regierungsparteien, auch solchen der Arbeitnehmerorganisationen dieser Parteien, als »Gräuelpropaganda« oder gar als »Lügen« diffamiert wird, ist also nichts anderes als die interessenpolitische Beurteilung und Bewertung des Regierungsprogramms aus der Sicht der Arbeitnehmer. Und dass manche Vorhaben der Regierung inzwischen ganz anders diskutiert werden, als sie im Regierungsabkommen niedergeschrieben sind, ist wohl die Wirkung der fundierten sachlichen Kritik durch die Arbeitnehmerorganisationen.
Auch der Vorwurf, die Arbeiterkammern würden erst jetzt gegenüber einer ÖVP-FPÖ-Regierung ihre kritische Stimme erheben, während sie früher zu ähnlichen Absichten geschwiegen hätten, lässt sich an Hand der Fakten leicht widerlegen. AK und ÖGB haben gegenüber jeder Regierung konsequent Arbeitnehmerinteressen vertreten, allerdings hat es bisher keine Regierung gegeben, deren Programm sich so massiv gegen die Arbeitnehmer gerichtet hat! Schon lange vor dem Abschluss der Regierungsverhandlungen, die schließlich zur Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung geführt haben, hat die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer im November 1999 in einem Memorandum an eine künftige Bundesregierung (deren Zusammensetzung damals überhaupt noch nicht absehbar war) die Positionen und Forderungen der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer zusammengefasst. Am Inhalt dieses Memorandums wurden später die Vorhaben der verhandelnden Parteien gemessen.
Am 20. Jänner 2000, knapp vor dem Scheitern der Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP, hat der Vorstand der Bundesarbeitskammer einstimmig eine Resolution beschlossen, in der auch der - letztlich nicht zustande gekommene - Pakt zwischen diesen Parteien aus der Sicht der Arbeitnehmerinteressen abgelehnt wurde, und zwar zur Gänze wegen »sozialer Schieflage« und unzureichender Beschäftigungswirkung. Es zeigt sich also:

  • AK und ÖGB machen gegenüber jeder Regierung eine konsequente, nur ihren Mitgliedern verpflichtete Interessenpolitik!

Dass eine ebenso konsequente, auf fachkundigen Analysen beruhende Informationspolitik der Arbeitnehmerorganisationen manche Vertreter der Regierungsparteien besonders stört und sie nervös macht, ist schon verständlich, wird doch den Arbeitnehmern durch diese Informationen bewusst, was auf sie zukommt.
So gesehen kommen auch die neuerlichen Attacken der FPÖ auf die Arbeiterkammern nicht wirklich überraschend. Wieder einmal ist Wahlzeit, die AK-Wahlen sind mitten im Gang, und da greift man halt zum alten Mittel der versuchten Skandalisierung. Inhaltlich ist an den jüngsten Haider-Anwürfen natürlich nichts dran, aber als Ablenkungsmanöver von den im Regierungsabkommen vorgesehenen, von Haider selbst unterschriebenen Belastungen der Arbeitnehmer, versucht er es wieder, obwohl ihm ein Gericht erst wenige Tage vorher aufgetragen hatte, derartige falsche Behauptungen gegen die AK zu unterlassen. Die AK wird sich zu wehren wissen!

Ende der Sozialpartnerschaft?

In der von Bundespräsident Klestil den Regierungsparteien »mitgegebenen« Präambel zum Regierungsabkommen wird u. a. die Bedeutung der Sozialpartnerschaft betont und die Mitwirkung der Sozialpartner mit dem Ziel eines gesellschaftlichen Interessenausgleichs eingefordert.
Die politische Realität sieht allerdings bisher ganz anders aus: Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, gibt es weder Soziapartnerverhandlungen noch werden wichtige Gesetzesvorlagen den Arbeiterkammern zur Begutachtung vorgelegt. So wurde z. B. das Anfang April in Kraft getretene neue Bundesministeriengesetz, mit dem u. a. die Kompetenz für das Arbeitsrecht - einschließlich der Aufsicht über die Arbeiterkammern - und für die Arbeitsmarktpolitik vom Sozialministerium in das neue Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (man beachte die Reihenfolge in der Bezeichnung!) verschoben wurde, ohne vorherige Information, geschweige denn Begutachtung per Initiativantrag der Regierungsparteien direkt im Parlament eingebracht und dort mit Mehrheit beschlossen.
Was zunächst wie ein Einzelfall ausgesehen hat, scheint inzwischen System geworden zu sein. Gesetze, von denen Zehntausende Arbeitnehmer unmittelbar betroffen sind, wie z. B. das »Privatisierungspaket«, wurden an den Arbeitnehmervertretungen vorbei ohne Begutachtung im Parlament eingebracht. Erst die energischen Proteste von ÖGB, AK, Betriebsräten und Personalvertetern der betroffenen Arbeitnehmer und die Initiative des Obmanns des zuständigen Parlamentsausschusses, Fritz Verzetnitsch, bewirkten, dass es zumindest vor der Beschlussfassung über diese Gesetze noch ein parlamentarisches Begutachtungsverfahren gibt.
Die Vorgangsweise der Bundesregierung widerspricht eindeutig dem Arbeiterkammergesetz. Dieses bestimmt im § 93 Abs. 2 ganz klar:
»Entwürfe von Gesetzen sind vor ihrer Einbringung in die jeweilige gesetzgebende Körperschaft der zuständigen Arbeiterkammer, wenn sie jedoch den Zuständigkeitsbereich einer Arbeiterkammer überschreiten, der Bundesarbeitskammer zur Stellungnahme beziehungsweise zur Begutachtung zu übermitteln.«
In einer einstimmig beschlossenen Resolution vom 9. März 2000 hat der Vorstand der Bundesarbeitskammer gegen diese Gesetzesverletzung protestiert und die Bundesregierung aufgefordert, sich an das Gesetz zu halten. Bisher mit wenig Erfolg: Auch nach diesem Protest wurden Gesetzesvorlagen ohne Begutachtung von der Regierung im Parlament eingebracht.
Vom »Sozialpartner« Wirtschaftskammer kommt derzeit kaum Unterstützung in dieser Frage. Offenbar geht die Wirtschaftskammer davon aus, dass die Interessen der Unternehmer auch ohne Begutachtungsverfahren bei der gegenwärtigen Bundesregierung gut aufgehoben sind. Der designierte Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Christoph Leitl, spricht von einer »neuen Sozialpartnerschaft«, die sich verstärkt Zukunftsthemen widmen sollte. Das ist sicher wichtig und auf Arbeitnehmerseite auch ohne den Appell von Leitl schon bisher geschehen. Wenn man allerdings meint, auf diese Weise die Mitwirkung der Arbeitnehmerorganisationen an der aktuellen Politik wegschieben zu können, wird diese Rechnung nicht aufgehen.

  • Für die Arbeiterkammern stellt die Mitwirkung im Vorfeld der Gesetzgebung einen Kernbereich ihrer gesetzlichen Aufgaben zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen dar. Sie werden sich dieses gesetzliche Recht von keiner Regierung nehmen lassen!

Eine Fortsetzung der bisherigen Vorgangsweise der Bundesregierung müsste jedenfalls ernste Konsequenzen für die Sozialpartnerschaft haben. Das sollten vor allem jene bedenken, die Sozialpolitik vor allem als »Standortpolitik« definieren.

  • Der wichtigste »Standortfaktor« für Unternehmen in Österreich war und ist der soziale Frieden in diesem Land!

Starke Arbeitnehmerorganisationen sind notwendiger als je zuvor!

Arbeiterkammern und Gewerkschaften werden weiterhin darum kämpfen, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb und in der Gesellschaft erhalten bleibt und weiter ausgebaut werden kann. Die Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen wird in Zukunft wohl mehr in Konflikten geschehen müssen als bisher. Wichtigste Verbündete in diesem Kampf sind die Arbeitnehmer selbst. Sie können durch ihre Stimme bei der AK-Wahl ein Zeichen der Stärke setzen.
Deshalb:

  • Mitmachen bei der AK-Wahl, mit Ihrer Stimme die AK als Ihre gesetzliche Interessenvertretung stärken!

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(C) AK und ÖGB

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