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Sozialabbau beginnt mit Zerschlagung der Interessenvertretung

A&W-Gespräch mit dem steirischen AK-Präsidenten Walter Rotschädl

AK-Präsident Walter Rotschädl: »Wir werden weiterhin aufzeigen, wenn Rechte und Leistungen für Arbeitnehmer beschnitten werden«

Als letzte der österreichischen Arbeiterkammern wählt die Steiermark zwischen 21. und 30. Mai eine neue Zusammensetzung der AK-Vollversammlung. Für den amtierenden Präsidenten der AK-Steiermark, Walter Rotschädl, kommt dieser Wahl gerade vor dem Hintergrund der geänderten Rahmenbedingungen in der Bundespolitik eine große Bedeutung zu. Besonders der Versuch, die Arbeitnehmervertretungen zu demontieren und die Mitwirkung der Sozialpartner zu reduzieren, sieht Rotschädl als »Beginn eines Austro-Thatcherismus«.

»Arbeit & Wirtschaft«: Kollege Rotschädl, du bezeichnest den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Umbau in Österreich als Austro-Thatcherismus. Was verstehst du darunter?

Walter Rotschädl: Ich habe mir die Entwicklung in England Anfang der achtziger Jahre, als Margaret Thatcher an die Regierung kam, genau angeschaut. Ihre ersten Gesetzesvorlagen zielten darauf ab, den Einfluss der Gewerkschaften zurückzudrängen und die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit den Arbeitslosen zuzuschieben. Erst in der Folge hat sie ihren Politikansatz des Neoliberalismus umgesetzt.

A&W: Welche Parallelen siehst du zu Österreich?

Rotschädl: Am augenfälligsten ist die Verlagerung der Arbeitskompetenzen vom Sozial- in das Wirtschaftsministerium. Da wird plötzlich so getan, als gäbe es keine unterschiedlichen Interessen mehr zwischen Arbeit und Wirtschaft. Als zweiten Punkt möchte ich die jüngsten Angriffe auf die Arbeiterkammer mit der Senkung der AK-Umlage nennen. Der Zeitpunkt fiel zwar mit dem Start der AK-Wahlen in Kärnten zusammen, die Zielrichtung findet sich aber schon im Regierungsprogramm. Die AK als schärfste Kritikerin des Belastungspakets soll finanziell ausgehungert und politisch mundtot gemacht werden. Drittens soll die überbetriebliche Mitbestimmung in Fragen der Lohnfindung, der Arbeitszeiten und kollektiver Branchenregeln an die Betriebe delegiert werden. Wer die Kräfteverhältnisse in den Betrieben kennt, weiß, dass der Chef auf dem längeren Ast sitzt. Noch einmal zusammengefasst: Die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft und die Betriebsräte sollen geschwächt werden. Letztlich reduziert das die gesellschaftliche Position und die Position gegenüber den Firmenchefs für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer. Das meine ich mit Austro-Thatcherismus.

A&W: Wie siehst du die Pläne für die Arbeitslosen?

Rotschädl: Die Regierung will den Berufsschutz für Arbeitslose streichen, dadurch wird eine finanzielle und soziale Spirale nach unten für die Betroffenen in Gang gesetzt. Die Regierung will Langzeitarbeitslose weit unter Kollektivvertrag zur Arbeit verpflichten. Das höhlt das seit Jahren bewährte System der Kollektivvertragslöhne aus. Die Regierung kürzt die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik und verhindert damit neue Einstiegschancen für Arbeitslose. Letztlich, und das unterstelle ich dieser Regierung, wird darauf abgezielt, den Arbeitslosen die Schuld für ihre Arbeitslosigkeit in die Schuhe zu schieben. Wer heute nach England schaut, sieht auf der einen Seite sagenhaften Reichtum und auf der anderen Seite Zigtausende Menschen, die mittellos und ohne Job vom Staat allein gelassen werden. Das ist ein Szenario, das ich mir für Österreich nicht wünsche.

A&W: Soweit zur allgemeinen Lage und zur Bundespolitik. Wie schaut die Situation in der Steiermark aus?

Rotschädl: Die Steiermark hat in den letzten Jahren einen wirtschaftlichen Aufholprozess hinter sich. Das Wirtschaftswachstum lag deutlich über dem österreichischen Schnitt. Die Umstrukturierung der ehemals verstaatlichten Industrie ist weitgehend abgeschlossen. Wir haben nun, nach schmerzhaften Einschnitten, international herzeigbare Firmen. Diese positive Entwicklung brachte auch eine leichte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.

A&W: Die Jahresarbeitslosigkeit betrug im Vorjahr immer noch 7,4 Prozent.

Rotschädl: Ja, sie liegt weiterhin über dem Bundesschnitt. Bedenklich ist vor allem, dass zwar die Zahl der Jobs gestiegen ist, aber nicht das Arbeitsvolumen. Das heißt, die Zunahme der Jobs betrifft fast ausschließlich geringfügige und Teilzeitbeschäftigung. Ich sehe schwer wiegende Auswirkungen dieser Entwicklung für die Frauen. Sie verdienen im Verhältnis zu den Männern durch die überwiegende Teilzeitbeschäftigung immer weniger und die meisten werden dadurch im Alter keine Pensionen bekommen, die den Lebensunterhalt decken.

A&W: Hat sich die Situation bei der Jugendbeschäftigung gebessert?

Rotschädl: Die Steiermark hat seit Jahren große Schwierigkeiten gehabt, ihrer Jugend entsprechende Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Zahl an Lehrstellen ist vor allem durch den Wegfall der über den eigenen Bedarf ausbildenden Lehrwerkstätten in der Verstaatlichten dramatisch zurückgegangen. Zukunftsweisende Industrieausbildungsplätze sind weiterhin rar, im Bereich des Gewerbes hat sich die Zahl stabilisiert. Erst durch den Jugend-NAP hat sich die Lage gebessert. Ich hoffe, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung nicht wahr macht und den Jugend-NAP einstellt.

A&W: Die Arbeiterkammer in der Steiermark hat einen kräftigen Reformprozess hinter sich. Was ist passiert?

Rotschädl: Wir haben kammerintern die Großressorts abgeschafft und kleine, flexible Einheiten geschaffen. Dadurch können wir schneller auf geänderte Gegebenheiten reagieren und näher bei unseren Mitgliedern sein. Nach außen hat die AK Steiermark vor allem ihr Serviceangebot massiv ausgebaut. Im Rahmen unserer Gesundheitstage waren wir in 300 Betrieben und haben 12.000 Beschäftigte durchgecheckt. Ein wichtiger Beitrag zur Gesundheit der Arbeitnehmer. Die Arbeitsrechtsberatung wurde jeden Dienstag bis 20 Uhr erweitert, damit auch Kolleginnen und Kollegen zu ihrem Recht kommen, denen der Chef dazu nicht frei gibt. Im Vorjahr brachten unsere Juristen 380 Millionen Schilling herein, die von den Unternehmen vorenthalten worden waren. Im Bereich des Konsumentenschutzes bieten wir nun auch Geld- und Kreditberatung sowie eine sehr gut angenommene Wohnberatung an.

A&W: Gibt es Zahlen über die Frequenz im Servicebereich?

Rotschädl: Ja, die gibt es. In der Grazer AK-Zentrale und in den Außenstellen in den Bezirken werden im Jahr weit mehr als 200.000 Beratungen durchgeführt. Mit anderen Worten: Täglich unterstützt die steirische Arbeiterkammer 850 Mitglieder bei deren Problemen und Sorgen. Dieser umfangreiche Service zusammen mit unserer politischen Interessenarbeit hat wesentlich dazu beigetragen - und das kann man ohne falsche Bescheidenheit sagen -, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich besser gestellt sind als in den meisten anderen Industriestaaten.

A&W: Abschließend noch eine Frage zur Ausgangslage für die AK-Wahl vom 21. bis 30. Mai.

Rotschädl: Wahlberechtigt sind in der Steiermark rund 330.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es geht um die Verteilung von 110 Mandaten in der AK-Vollversammlung, die dann den Präsidenten wählt. Bei der letzten AK-Wahl haben die Sozial- demokratischen GewerkschafterInnen 54 Prozent, die Liste ÖAAB-ÖVP 27 Prozent und die FA 15 Prozent erreicht. Mein Ziel als Spitzenkandidat der FSG ist das Halten unseres Stimmenanteils. Ich bin überzeugt, dass das auch gelingt, denn die Leute merken langsam, dass ihnen die Regierung das Fell über die Ohren ziehen will und die AK eine klare Interessenpolitik dagegen vertritt.

A&W: Danke für das Gespräch.
(Mit AK-Präsident Walter Rotschädl sprach Stephan Hilbert.)

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