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Christoph Mandl, Projektleiter im Patentamt, mit dem Chatbot "Albert Patent Bot" Christoph Mandl ist als Projektleiter im Patentamt für den Chatbot "Albert Patent Bot" verantwortlich.
Barbara Ondrisek entwickelte "Albert Patent Bot" Barbara Ondrisek entwickelte "Albert Patent Bot" mit ihrer Chatbots Agency, einer ARGE aus selbstständigen Einzelunternehmen.
Jasmin Fichtinger und Sophie C. Ryba Jasmin Fichtinger (links) von der Social-Media-Agentur Bacon & Bold berät Unternehmen in der Kooperation mit InfluencerInnen. Sophie C. Ryba generierte als Influencerin mit ihrem Blog thelipstick.net innerhalb weniger Monate 30.000 Newsletter-Abos.

Reportage: Freund und Helfer

Schwerpunkt Digitalisierung

Kollegen, die an sieben Tagen der Woche arbeiten: Chatbots greifen in Arbeitsprozesse ein. Freundinnen, die man nicht kennt: InfluencerInnen verändern unsere Medienwelt. Was machen sie genau und wozu brauchen wir sie eigentlich?

Albert ist ein Mitarbeiter, wie ihn sich viele Vorgesetzte wünschen: Er arbeitet gründlich, bildet sich weiter und ist immer erreichbar. Er fügt sich in jedes Team ein, beantwortet bereitwillig KundInnenanfragen, macht keinen Urlaub und keine Pausen. Und wenn er seine Arbeit beendet hat, hinterlässt er die Büroküche so, wie er sie vorgefunden hat – denn anders als seine menschlichen KollegInnen betritt er sie nie. Albert ist kein Mensch, sondern ein Chatbot. Sein Arbeitsplatz ist ein Server des Österreichischen Patentamts.
Ein Chatbot ist ein Programm, das Fragen beantwortet und einfache Anweisungen verarbeitet – im Grunde ein virtueller Roboter. Bekannte Artgenossen heißen Alexa (von Google) oder Siri (von Apple) und werden unter anderem im Haushalt eingesetzt. Sie geben Auskunft über das Wetter, spielen Musik ab oder tätigen Bestellungen im Internet. Albert wird dort eingesetzt, wo im Patentamt ein hoher Kommunikationsaufwand entsteht: im Callcenter, wo er KundInnenanfragen beantwortet. Ist Albert somit ein Beispiel für jene Digitalisierung, die Arbeitsplätze kostet?

Zero-Level-Support
„Albert Patent Bot“ ist der erste seiner Art, er ist der bis heute einzige Chatbot im Bundesdienst. „Albert leistet ,Zero-Level-Support‘“, erklärt Christoph Mandl, Alberts „Vorgesetzter“ aka Projektleiter im Patentamt. Der Begriff „Zero-Level-Support“ ist von der typischen Arbeitsorganisation eines Callcenters abgeleitet. Callcenter bearbeiten ihre Anfragen in unterschiedlichen Stufen, abhängig von der Komplexität. Einfache Anfragen bearbeitet der „First-Level-Support“, wird es schwieriger, wird an den „Second Level Support“ weitergegeben. Die MitarbeiterInnen des First- und Second Level Supports ergänzt Albert um eine Dimension: „Albert setzt früher an. Er hat einen einfachen ,Usecase‘, mit dem er genau die Fragen beantwortet, die am häufigsten an uns gestellt werden und die wir standardisiert verarbeiten und beantworten können“, erläutert Mandl.
Dieser Usecase definiert Alberts Spezialisierung: UserInnen können abfragen, ob ein möglicher neuer Markenname bereits existiert und geschützt ist. In der Situation der Gründung werde genau diese Frage oft gar nicht oder zu spät gestellt, so Mandl. „In dieser frühen Phase bieten wir Gründerinnen und Gründern ein neues Angebot. Albert ist unser Eisbrecher und generiert so neue Anfragen – weil er Kunden erreicht, die sich sonst nicht so schnell an uns gewendet hätten“, so Mandl. Und er fügt hinzu: „Weil die Frage oft kommt: Nein, Albert kann niemanden ersetzen und es werden auch keine Stellen abgebaut. Er ist eine Ergänzung und generiert zusätzliche Nachfrage.“
Das macht Albert nicht nur zu einem Beispiel für Veränderungen in der Wirtschaft, er „arbeitet“ an einer wichtigen Schnittstelle: an jenem Punkt, wenn Unternehmen oder Start-ups neu gegründet werden. Albert funktioniert dort deshalb so gut, weil er alles andere als bürokratisch oder wie eine Behörde auftritt. Er ist auf der Website des Patentamts zu finden oder auch im Facebook-Messenger. Albert tritt in der Figur eines Emoticons auf, gemischt mit der Kontur eines Smartphones. Kein Anruf ist notwendig, eine einfache Eingabe des Markennamens und zwei Nachfragen reichen, um eine erste Auskunft zu bekommen.

Testfälle ÖGB und AK
Im Praxistest kennt Albert die Marke „ÖGB“. Sie ist am Johann-Böhm-Platz 1 als Marke „in allen ,Klassen‘ von Waren und Dienstleistungen“ registriert. Die „Arbeiterkammer“ oder auch „AK Wien“ hingegen nicht. An dieser Stelle gratuliert Albert: „Glückwunsch! Ihre Marke scheint einzigartig zu sein. Damit sich daran nichts ändert, beraten Sie sich mit einer oder einem unserer Expertinnen und Experten.“
Das Beispiel zeigt Alberts Grenzen auf: Die Marke „Arbeiterkammer“ lässt sich in der Praxis von Unternehmen weder schützen noch neu anmelden. „Genau darum geht es“, betont Mandl: „Albert bietet nur eine Orientierung, sein Suchergebnis hält vor keinem Gericht stand. Nach Albert beraten unsere Expertinnen und Experten mit ihrem Spezialwissen.“
Alberts Beispiel zeigt weiter, wie Beschäftigte unterstützt oder vielleicht sogar entlastet werden. Die MitarbeiterInnen im Callcenter können sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren – im Idealfall bleiben ihnen Tätigkeiten, die ihren Qualifikationen mehr entsprechen. Albert steht stellvertretend für jene technologische Weiterentwicklung, die im Dienste von Beschäftigten wirkt und sie nicht zusätzlich unter Druck setzt oder das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze zu rationalisieren.

Eine App wird zum Kollegen
Technologisch betrachtet ist der Chatbot „Albert Patent Bot“ eine App, die sich aus mehreren kleineren, miteinander kommunizierenden Apps zusammensetzt, darunter eine Suchfunktionalität, eine Datenbank und ein Thesaurus. Für die MitarbeiterInnen im Callcenter des Patentamts ist Albert keine App, sondern „vom Prinzip her ein weiterer Kollege“, wie es Mandl ausdrückt. Auch die MarkenschützerInnen greifen für einfache Abfragen immer häufiger selbst auf Albert zu. „Albert arbeitet 24 Stunden täglich, an sieben Tagen in der Woche“, ergänzt Mandl. Damit kommt er auch etwaigen Start-up-GründerInnen entgegen, denn deren Bürozeiten weichen oft von jenen des Patentamts ab.
Albert ist nun seit rund einem Jahr im Patentamt tätig. In Zahlen gemessen hat er rund 6.600 Beratungsgespräche geführt, mit einer durchschnittlichen Dauer von siebeneinhalb Minuten. Dabei hat er rund 12.000 Fragen beantwortet. Umgerechnet auf Arbeitstage entspricht das einer Teilzeitstelle mit 17,5 Stunden pro Woche. Durch begleitende Werbemaßnahmen steigt die Nutzung, sein Potenzial ist praktisch nur technisch durch Serverkapazitäten begrenzt.
Albert hat gerade eine Weiterbildung oder technisch ausgedrückt ein Update erhalten: Seit Mitte Mai kennt er neue Usecases – dazu gehören die Abfrage von Förderungen und der Hinweis auf Seminarangebote.

Der Chatbot, das kleine Kind
Die Idee für einen Chatbot im Patentamt entstand im Rahmen eines internen Workshops im Dezember 2016. „Wir haben uns die Frage gestellt: Wie können wir neue Technologien für das Patentamt nutzen? Da sind wir sehr schnell auf Chatbots gekommen.“ Mit der Umsetzung des Projekts wurde die „Chatbots Agency“ rund um die Wiener Informatikerin Barbara Ondrisek beauftragt. Gemeinsam wurde der Name „Albert“ gefunden, mit Bezug zu Albert Einstein, der als Angestellter im Patentamt in Bern die Relativitätstheorie entwickelt hat. Zur Auflockerung wird Albert deshalb auch programmiert, zwischen der teils trockenen Materie Physikerwitze zu erzählen.
Auch Ondrisek sieht den Sinn von Chatbots in der Ergänzung eines bestehenden Beratungsangebots: „Wenn ich gefragt werde, ob Chatbots Menschen ersetzen, sage ich immer: ,Nein!‘ Vielmehr geht es um einen Shift von Anfragen in eine bestimmte Richtung.“ Im Fall des Patentamts etwa wurde der Zero-Level-Support durch einen Chatbot überhaupt erst möglich. Deshalb ist Albert für die Informatikerin auch ein gutes Beispiel für die Herausforderungen, die ein Einsatz von Chatbots mit sich bringt. Denn weil sie mit normaler Sprache kommunizieren, wird von ihnen oft eine Intelligenz erwartet, die sie gar nicht besitzen. „Je klarer kommuniziert und abgegrenzt ihr Anwendungsgebiet ist, umso besser funktionieren sie“, so Ondrisek. Genau das ist bei Albert gegeben.
Albert vergleicht sie dabei – wie alle Chatbots – mit einem kleinen Kind. Er wird aufgezogen, seine Fähigkeiten werden ständig trainiert und weiterentwickelt. Sie gibt zudem zu bedenken: Nicht nur Chatbots allgemein müssen lernen, die Anfragen von UserInnen zu verarbeiten, sondern umgekehrt müssen sich UserInnen daran gewöhnen, Anfragen an Chatbots zu richten. Dazu erzählt sie eine Anekdote: „Bei einem Telekomanbieter war nach der Einführung eines Chatbots die häufigste Anfrage: ,Wie lautet die Nummer der Telefonhotline?‘“

Neue Berufsbilder
Das Team um Ondrisek ist als ARGE organisiert, mit ihr als Geschäftsführerin. Es ist eine Gruppe von selbstständigen Einzelunternehmen, die vernetzt höchst komplexe Aufgabenstellungen bearbeiten. Ein gemeinsames Büro gibt es nicht, Meetings finden in hippen Cafés statt. Nicht zufällig: Das Prestigeprojekt der Chatbots Agency ist „Mica, the Hipster Cat“, ein Chatbot, der ortsbezogen Tipps zu Szenecafés und trendigen Restaurants gibt. Die „Hipster Cat“ zeigt auch das Potenzial für einen spezialisierten Chatbot auf: Sie führt 250.000 Gespräche im Monat und bearbeitet damit 450-mal so viele Anfragen wie „Albert Patent Bot“. Ondrisek gibt allerdings zu bedenken, dass der Vergleich keinen Sinn macht: „Wichtig ist, dass der Chatbot seinem Publikum und Umfeld entspricht. Albert Bot ist beispielsweise in der Ansprache per Sie, die Hipster Cat per Du.“
Die Entwicklung und der Einsatz dieser neuen Technologien lässt neue Berufe entstehen, auch innerhalb der Chatbots Agency. Damit der Dialog mit den UserInnen gut gelingt, wurde ein eigenes Berufsbild entwickelt: der/die „DialogdesignerIn“. Das Anforderungsprofil kombiniert verschiedene Kenntnisse, von Linguistik über Programmierung bis zur Psychologie. Klar ist: Das neue Berufsbild ist ein sehr hoch qualifiziertes, interdisziplinäres, das noch in keiner etablierten Ausbildungslaufbahn erlernbar ist. Die Geschwindigkeit, mit der diese neuen Qualifikationsprofile entstehen und sich auch wieder verändern, stellt Arbeitsmarkt und Bildungspolitik vor Herausforderungen.
Chatbots werden zu neuen Kollegen in der Arbeitswelt. In der Medienwelt wirbeln andere Player den Markt um das rare Gut Aufmerksamkeit auf. Sie werden „InfluencerInnen“ genannt und erreichen in sozialen Medien teilweise weit mehr Menschen, als mit traditionellen Leitmedien wie Radio, TV, Print und ihren Online-Kanälen angesprochen werden könnten. Damit ziehen sie auch das Interesse der Werbewirtschaft auf sich, und zwar zum Nachteil von klassischen Medien. Als InfluencerInnen werden einzelne Personen bezeichnet, die mit ihren Blogs und in Social-Media-Kanälen wie Instagram, YouTube, Pinterest und natürlich Facebook eine große Anzahl von FollowerInnen an sich binden. Ihre Themen sind auf den ersten Blick unpolitisch. Doch sie ziehen die Aufmerksamkeit gerade junger Menschen massiv auf sich und verändern die Gewohnheiten ihres Medienkonsums. Das macht es für politische AkteurInnen wie Gewerkschaften und AK notwendig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Bei genauerem Hinsehen wird zudem deutlich, dass sie sehr wohl gesellschaftspolitisch relevant sind.

InfluencerInnen erreichen Millionen
Sophie C. Ryba war selbst Influencerin. 2008 hat sie den Beauty-Blog thelipstick.net gegründet und damit in kurzer Zeit 30.000 Newsletter-Abonnements generiert. Ryba beschreibt, was das InfluencerInnen-Sein ausmacht: „Influencer sind Ich-Blogger, die über ihr Leben schreiben und ihr Publikum daran teilhaben lassen. Das ist vergleichbar mit Reality-TV auf Online-Medien.“ Heute betreibt sie eine Kosmetik-Shop-Plattform und hat ihr Engagement auf thelipstick.net reduziert. Ihre Erfahrung als Influencerin nutzt sie allerdings, um Unternehmen zu beraten, die mit InfluencerInnen zur Bewerbung von Produkten oder Marken kooperieren wollen.
Jasmin Fichtinger ist Head of Operations der Social-Media-Agentur Bacon & Bold, tätig in Wien und Linz. Auch sie berät Unternehmen in der Kooperation mit InfluencerInnen und streicht einen entscheidenden Unterschied zu Offline-Medien wie Print oder TV hervor: „Die Aufmerksamkeit in sozialen Medien ist ,data-driven‘, also komplett messbar. Klicks, Reaktionen und Kommentare sind in genauen Zahlen nachvollziehbar und transparent, in Echtzeit.“ Dies ist ein großer Unterschied und zugleich enormer Vorteil im Vergleich zu Print, TV und Radio, deren Reichweiten mit statistischen Verfahren berechnet werden. Die Website likeometer.at analysiert die Zahlen der Instagram-Accounts von Medien, Prominenten, SportlerInnen, PolitikerInnen und eben InfluencerInnen. Ein Blick auf diese Zahlen macht die Dimensionen deutlich.

Einseitige Freundschaften
Mit knapp 1,6 Millionen FollowerInnen ist „KS“ als @ksfreak der erfolgreichste Influencer Österreichs, gefolgt von „Mr. K“ als @krappiwhatelse mit rund 1,2 Millionen FollowerInnen. Die erfolgreichste Influencerin ist „Tatjana Catic“ als @tatjanamariposa mit etwas mehr als einer Million FollowerInnen. Zum Vergleich: Alexander Van der Bellen liegt bei knapp 44.000 FollowerInnen, Sebastian Kurz bei 38.000, HC Strache, Matthias Strolz und Christian Kern liegen zwischen 20.000 und 18.000 FollowerInnen. HC Strache verzeichnet rund 770.000 „Gefällt mir“-Angaben auf seiner Facebookseite.
Die Accounts von „KS“, „Mr. K“ und „Tatjana Catic“ haben eines gemeinsam: Sie zeigen das „schöne Leben“ mit Fotos, Videos und kurzen Texten. Bei den Herren geht es um Muskeln, Tattoos, schnelle und noch schnellere Autos. Tatjana wiederum zeigt Kleider, schöne und noch schönere Reiseziele, kombiniert mit Beautytipps. Fichtinger analysiert das Erfolgskonzept: „Ich möchte exakt ein solches Leben führen wie der Influencer. Ich vertraue dem Influencer außerdem, wie ich meiner besten Freundin vertraue – ein Vertrauen, das sich über eine längere Zeit und viele Postings aufbaut.“ In Wahrheit geht es sogar um mehr als um Vertrauen: „Die Follower nehmen so stark am Leben des Influencers teil, dass dadurch eine Art einseitige Freundschaft entsteht. Der Influencer kennt seine Follower in der Regel ja gar nicht.“
Abseits der Wahrnehmung vieler Menschen entsteht eine neue Online-Welt, die immer stärker an gesellschaftspolitischem Einfluss gewinnt und von Unternehmen, aber auch zunehmend politischen Kräften instrumentalisiert wird. Es ist jene Welt, mit der Interessenvertretungen konkurrieren, wenn sie sich um die Aufmerksamkeit gerade junger Zielgruppen bemühen. Für AK und Gewerkschaften führt kein Weg daran vorbei, Teil dieser Online-Welt zu werden. Es gilt für sie, sich dort mit neuen Mitteln und Strategien sowie neuen eigenen Playern für mehr Fairness und Gerechtigkeit einzusetzen. Dabei geht es nicht nur um Geschlechterstereotype, die InfluencerInnen wie „KS“, „Mr. K“ und „Tatjana Catic“ vermitteln und die so ein Comeback erleben – ganz im Sinne der Werbewirtschaft, wenn auch nicht im Sinne der jungen Mädchen und ihrer Chancen.

Enthält Produktplatzierungen
Neben den reichweitenstärksten haben sich auch viele kleinere, aber oft sehr spezialisierte InfluencerInnen etabliert. Wer eine Anzahl von 10.000 FollowerInnen erreicht, wird als InfluencerIn betrachtet und erscheint auf dem Radar der Werbewirtschaft. Ryba präzisiert: „Es gibt nicht den einen Typ Influencer, alle sind unterschiedlich. Wir haben eine große Vielfalt an Themen – und auch der Qualität, mit der Postings aufbereitet werden.“ Die beliebtesten Kategorien: Lifestyle allgemein, Food, Fashion, Reise oder Kosmetik. Fotografie, Film, Kindererziehung, Medizin zählen zu den spezialisierten Themengebieten.
Diese Kombination aus Reichweite und freundschaftlicher Verbindung lassen sich Unternehmen durchaus einiges kosten: Zehn Euro pro 100 FollowerInnen gelten als sehr grober Richtwert, abhängig von der Zusammensetzung der FollowerInnen, dem Themenschwerpunkt und den Social-Media-Kanälen (Instagram, Facebook, YouTube, eigener Blog). Aber was genau bekommen Unternehmen von InfluencerInnen? „Unternehmen und Influencer entwickeln gemeinsam eine Idee für eine Kooperation“, so Fichtinger. „Letztendlich geht es darum, dass ein Produkt oder eine Marke in Social-Media-Postings platziert wird – ein Foto auf Instagram, ein YouTube-Video. Wie genau das geschieht, das hängt stark mit dem Influencer und seinem Auftritt zusammen, denn die Kooperation funktioniert nur, wenn sie zum Influencer passt.“ So müssen InfluencerInnen unbedingt authentisch bleiben. Ryba weist zudem auf einen zeitlichen Aspekt hin: „Diese Beiträge sind nicht kurzlebig, sie bleiben im Regelfall für mindestens ein Jahr online.“ Auch für diese gesponserten Beiträge gilt übrigens das Medienrecht – sie müssen als Werbeformate gekennzeichnet werden.

Professionalisierung und Vernetzung
„InfluencerIn“ als Berufsbild ist vergleichbar mit einer journalistischen Tätigkeit, die viele Medienformate bedient: „Ein Influencer ist eine One-Man-Show, die sich ein Konzept überlegt, Texte schreibt, Fotos macht, Videos dreht und schneidet, postet, mit den Followern in Kommentaren kommuniziert“, erzählt Ryba auch aus ihrer eigenen Vergangenheit. Weit mehr als 40 Stunden in der Woche hat sie für thelipstick.net aufgewendet, Privatleben und Berufsleben waren vollständig entgrenzt.
„Die Szene professionalisiert sich zunehmend. Dazu gehört beispielsweise, dass Influencer Unternehmen fertige Mediakits zur Verfügung stellen, ähnlich wie Printmedien mit Mediadaten arbeiten. Darin legen sie die Struktur ihrer Follower offen, welche Kanäle und Formate sie anbieten, und vor allem: ihre Preisvorstellungen für Kooperationen“, führt Fichtinger aus. Ryba sieht die Professionalisierung weiters in einer Vernetzung der InstagramerInnen, YouTuberInnen, BloggerInnen & Co. Sie organisiert einmal im Jahr das „Fashion Camp“, in dem sich rund 150 InfluencerInnen austauschen. „Da geht es um Social-Media-Trends genauso wie um die Gestaltung von Fotos und Videos oder eben die Zusammenarbeit mit Unternehmen.“
Es gibt sogar schon Initiativen, Ausbildungen zum Influencer oder zur Influencerin anzubieten. Im Herbst des vergangenen Jahres hat der Otto-Versand für Aufsehen gesorgt. Der Konzern hat 100 BewerberInnen rekrutiert und zu Otto-InfluencerInnen ausgebildet. Diese „Corporate-InfluencerInnen“ haben unter anderem die Aufgabe, das Versandhaus als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Ryba weist noch auf einen anderen Aspekt hin: „Gerade rund um die Influencer entstehen neue Jobs und ändern sich bestehende Job Descriptions.“ Für einige Agenturen, wie jene von Fichtinger, gehört es zum Dienstleistungsportfolio, InfluencerInnen zu vermarkten und bei der Produktion von Postings zu unterstützen. Traditionelle Werbeagenturen müssen InfluencerInnen in ihren Werbeplanungen berücksichtigen, eigene „Influencer Scouts“ suchen für Unternehmen passende Kooperationen. Fichtinger bemerkt abschließend: „Viele junge Menschen schauen kein TV mehr, lesen keine Zeitschriften. Die erreicht man nur mehr über Social Media. Auch die Generationen ab 30 sind sehr aktiv auf Social Media und sind sich oft nicht bewusst, dass sie Inhalte von Influencern konsumieren.“

Verändern, nicht verdrängen
Beide Beispiele – Chatbots wie InfluencerInnen – zeigen: Wir lernen neue Verhaltensweisen und werden Chatbots bald nicht mehr nach der Telefonnummer für die Hotline fragen. Genauso entstehen neue Berufsbilder und Formen der Arbeitsorganisation, und unsere Medienlandschaft erweitert sich. Sowohl Chatbots als auch InfluencerInnen schaffen neue Jobs und verändern bestehende. Mit Sicherheit ändern sie als neue AkteurInnen die Systeme, in die sie eindringen: den Kundenservice und die traditionelle Medienlandschaft. Gerade mit Blick auf die Printmedien wird es dabei nicht nur GewinnerInnen geben. „Albert Patent Bot“ kann dazu einen passenden Witz erzählen: „Zwei Atome treffen sich in einer Bar. Sagt das eine: ,Ich glaube, ich habe ein Elektron verloren.‘ Sagt das andere: ,Sieh’s positiv.‘“

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