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Sonja Fercher Sonja Fercher, Chefin vom Dienst

Standpunkt: Bitte mehr Wagemut!

Meinung

Eine rund 70-jährige Nachbarin meinte kürzlich zu meiner gleichaltrigen Mutter: „Wie sich die Arbeitswelt, aber auch die private Welt geändert hat, seitdem wir zu arbeiten begonnen haben und welche Techniken wir uns seither aneignen mussten ...“ Das ist in dem Zeithorizont von etwas mehr als 40 Jahren in der Tat eine ganze Menge. Erst wenn ich mitbekomme, wie schwer sich manche AltersgenossInnen meiner Mutter mit Computern und dem Internet tun, ziehe ich meinen Hut vor Ehrfurcht, mit wie viel Wagemut sie sich an die verschiedenen neuen Technologien heranwagen.
Viel Wagemut braucht es momentan auch, wenn man den technischen Wandel im Sinne der Menschen gestalten möchte. Und doch ist es schlichtweg eine Notwendigkeit, dagegenzuhalten. Immerhin stehen die Chancen der Menschen auf dem Spiel.

Energisch für Leistung
Schon seit Jahren hinterlässt auch die Digitalisierung ihre Spuren am Arbeitsmarkt. Doch statt damit zu beginnen, die jungen Menschen für die weiteren Entwicklungen fit zu machen, macht die Regierung in Sachen Bildung eine Retro-Politik, die bestehende Ungleichheiten noch weiter verstärkt. Auch wenn ich es an dieser Stelle bereits öfter geschrieben habe, werde ich nicht müde, es immer wieder zu wiederholen: Österreich hat eines der am stärksten sozial selektierenden Bildungssysteme Europas. Statt dem energisch entgegenzuwirken, hält die Regierung am Status quo fest.
Rund um den Tag der Arbeit widmeten sich mehrere Medien dem Thema „Zukunft der Arbeit“. Eine häufig gestellte Frage: Kommt mit der Digitalisierung das Ende der Arbeit? Diese Fragestellung aber ist falsch, suggeriert sie doch, dass es momentan genug Arbeit gäbe. Dem ist aber bei Weitem nicht so, sondern vielmehr gibt es eine enorme Lücke, die zusätzlich Beschäftigte betrifft, die es ohnehin schon schwer am Arbeitsmarkt haben.
Doch statt dies zum Anlass zu nehmen, um einen Blick in die weitere Zukunft zu richten, hat die Regierung nur zwei Antworten parat: Die Arbeitslosen seien zu faul und zu viele MigrantInnen würden in den Sozialstaat zuwandern wollen. Die Lösung: Druck erhöhen, Grenzen schließen. Es hat zwar angesichts der ideologischen Verfasstheit dieser Koalition durchaus eine gewisse Logik, kommt jedoch geradezu einer Realitätsverweigerung gleich. Immerhin hinterlässt die Globalisierung nicht jetzt erst ihre Spuren, und es ist längst klar, dass sich viele Dinge nur auf europäischer oder gar internationaler Ebene überhaupt noch regulieren lassen.
Es steht zu befürchten, dass die Digitalisierung noch weitere Beschäftigtengruppen in die Arbeitslosigkeit führen wird. Freilich wird sie auch neue Arbeitsplätze schaffen, doch nicht alle Beschäftigten werden so einfach umgeschult werden können. Doch statt erfolgreiche Maßnahmen wie die Aktion 20.000 weiterzuführen, wird sie abgedreht, ganz zu schweigen davon, dass man noch eine ganze Reihe neuer Konzepte wird entwickeln müssen.

Bremsen ziehen
Auch die zukünftige Finanzierung des Wohlfahrtsstaates – die beste Absicherung gegen Krisen, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO kürzlich bestätigt hat – muss mutig angegangen werden. Diese steht nämlich auf wackeligen Beinen, wenn jene Form der Digitalisierung, wie sie momentan in der Wirtschaft vollzogen wird, ungebremst weitergeht. Denn woher sollen die finanziellen Mittel für ein gutes Bildungssystem herkommen, das die jungen Menschen fit für den Arbeitsmarkt 4.0 macht oder für eine Arbeitsmarktpolitik, die die Folgen des Wandels abfedert? Dies macht die Frage um Vermögenssteuern umso relevanter. Dazu kommt die Frage, wie die Erträge aus den Gewinnen der Digitalisierung fair verteilt werden können, sodass alle an diesem Wohlstand teilhaben können.

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