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Symbolbild zur Lehrausbildung von Jugendlichen

Es geht um die Zukunft!

Schwerpunkt Arbeitsmarkt im Regierungsprogramm

Die Regierung plant eine Abkehr vom Erfolgsmodell "Überbetriebliche Lehrausbildung" und gefährdet so die Chancen vieler Jugendlicher am Arbeitsmarkt.

Der Einstieg ins Berufsleben stellt im Leben vieler Jugendlicher einen bedeutenden Wendepunkt dar. Mit dem ersten Job kommt nicht nur das erste eigene Geld, sondern auf einmal auch mehr Unabhängigkeit und Verantwortung. Viele Veränderungen und Herausforderungen, denen sich jedoch eine große Anzahl junger Menschen gar nicht stellen kann. Die Wirtschaftskrise hat ihre Narben hinterlassen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen europäischen Ländern, wie etwa Griechenland (43,7 Prozent) und Spanien (36 Prozent), nach wie vor eines der größten Probleme. Jugendarbeitslosigkeit ist aber nicht nur ein Problem der Gegenwart, sondern hat auch weitreichende negative Auswirkungen auf die zukünftigen Lebens- und Arbeitschancen von jungen Menschen.

Erst Ausbildung, dann Job
Von erschreckend hoher Jugendarbeitslosigkeit wie in Griechenland oder Spanien ist Österreich meilenweit entfernt. Laut EUROSTAT betrug in Österreich die Jugendarbeitslosenrate im Dezember 2017 9,5 Prozent gegenüber 10,4 Prozent im Dezember 2016. Diese Zahl spiegelt aber nur einen Teil der Wirklichkeit wider. Viele Jugendliche haben auch hierzulande Schwierigkeiten, eine Beschäftigung zu finden. „Nur die Hälfte aller Arbeitsuchenden hat einen Pflichtschulabschluss. Jedes Jahr verlassen viele Jugendliche die Pflichtschule und machen dann keine weiterführende Ausbildung. „Die Gefahr, arbeitslos zu werden, verringert sich um 18 Prozent, wenn man eine weiterführende Ausbildung absolviert hat“, sagt Sascha Ernszt, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Daher hat die ÖGJ die Einführung der Ausbildungspflicht begrüßt – ganz konsequent als Erweiterung der Ausbildungsgarantie. „Jugendliche Hilfsarbeit muss vermieden werden. Hier wird versucht, auch den letzten Jugendlichen von der Straße zu holen und erst dann in den Arbeitsmarkt zu schicken, wenn er eine Ausbildung gemacht hat.“
Wie es nun mit dieser Maßnahme weitergehen soll, ist fraglich. Die neue Regierung will sie evaluieren. Außerdem wurde Ende Februar bekannt, dass die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik des Arbeitsmarktservice (AMS) um 600 Millionen gekürzt werden sollen. Das bedeutet wohl auch, dass die Ausbildung der so dringend benötigten Fachkräfte in Gefahr ist, sowohl in AMS-Schulungszentren als auch in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten. Anders ausgedrückt gefährdet die Kürzungspolitik das gesamte Jugendauffangnetz, das nur in einem Zusammenspiel von (aufsuchender) Jugend- und Sozialarbeit, niederschwelligen Angeboten, überbetrieblichen sowie betrieblichen Lehrplätzen funktioniert.

Abkehr von Erfolgsmodellen
Angesichts der positiven Entwicklung der vergangenen Monate – die Konjunktur springt an, die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit sinkt – wäre es für die Regierung eigentlich ein guter Zeitpunkt, vorhandene Mittel in der Arbeitsmarktpolitik vor allem auch für benachteiligte Jugendliche zu verwenden. Doch stattdessen soll zusammengestrichen werden. Schaut man sich das Regierungsprogramm im Detail an, so ist von Jugendarbeitslosigkeit keine Rede. Hingegen kommt sehr oft das Wort „Fachkräfte“ vor. Einige der zentralen Jugendmaßnahmen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs aus dem Regierungsprogramm lauten:

  1. Beihilfenbezug während der Überbetrieblichen Lehrausbildung (ÜBA) so ausgestalten, dass ein klarer Anreiz zur Aufnahme einer betrieblichen Lehre besteht;
  2. Verkürzung des Verbleibs in den Einrichtungen durch verstärktes Vermitteln auf betriebliche Lehrstellen und finanzielle Unterstützung des Betriebs;
  3. Verträge mit ÜBA sind so auszugestalten, dass ein klarer Fokus auf die möglichst rasche Vermittlung in Betriebe besteht;
  4. Produktionsschulen evaluieren;
  5. Ausbildungspflicht bis 18 und Ausbildungsgarantie bis 25 evaluieren;
  6. Ausbau der Förderung der betrieblichen Lehrausbildung durch das AMS, gleichzeitig Reduktion der ÜBA auf das zwingend Notwendige;
  7. Weiterentwicklung und Sicherstellung der Finanzierung betrieblicher Lehrstellenförderung aus den Mitteln der Arbeitsmarktpolitik. Die Finanzierung soll aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds herausgenommen und beim AMS zusammengeführt werden;
  8. Prüfung eines Blum-Bonus Neu;
  9. Ausbildung stärker am Bedarf der Wirtschaft orientieren.

Geplant ist also eine Umverteilung – im kurzfristigen Interesse der Betriebe und nicht der Jugendlichen. Die Regierung plant eine Abkehr von den Erfolgsmodellen ÜBA und Produktionsschulen hin zur betrieblichen Lehrausbildung (siehe Punkte 1 bis 5). Die ÜBA, die erst aufgrund des Lehrstellenmangels notwendig wurde, abzuschaffen, ohne entsprechende Lehrplätze in Betrieben garantieren zu können, ist aus Sicht der Gewerkschaftsjugend absurd. „Die Wirtschaft beklagt jetzt schon einen Fachkräftemangel, der auf jahrelanges Nicht-Ausbilden zurückgeht. Es wäre jetzt an der Zeit, in die Qualifikation von Menschen zu investieren und nicht auch noch die Plätze für die ÜBA zu streichen. Dadurch wird sich der Fachkräftemangel verschlimmern“, betont Ernszt.
Für Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, muss gute Arbeitsmarktpolitik vorausschauend sein: „Statt schneller Vermittlung in schlechte Jobs müssen aktive Arbeitsmarktpolitik, Fachkräfteausbildung und Höherqualifizierung im Mittelpunkt stehen, also Investieren in Qualifizierung.“

ÖGJ-Modell für einen Ausbildungsfonds
Die Überbetriebliche Lehrausbildung wäre laut Ernszt erst dann nicht mehr notwendig, wenn die Unternehmen ihrer moralischen Ausbildungspflicht nachkämen. Die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, in neun Jahren (2007 bis 2016) von 38.132 auf 28.204. Auch eine Ausweitung der betrieblichen Lehrstellenförderung (Blum-Bonus Neu) würde vor allem zu höheren Gewinnen in den Betrieben führen und kaum neue Lehrstellen schaffen. Das Vorhaben, die betriebliche Lehrstellenförderung nicht mehr aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF), sondern aus AMS-Mitteln zu finanzieren, ist ebenfalls eine Umverteilung zugunsten der Betriebe und zulasten der ArbeitnehmerInnen. Derzeit zahlen Unternehmen rund 150 Millionen Euro in den IEF ein. Eine Finanzierung durch AMS-Mittel bedeutet, dass Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen zu gleichen Teilen die betriebliche Lehrstellenförderung zahlen.
Damit generell wieder mehr Betriebe in Österreich ausbilden, hat die ÖGJ das Modell der Fachkräftemilliarde entwickelt. Die Gewerkschaftsjugend fordert einen Ausbildungsfonds (Fachkräftemilliarde), in den Unternehmen einzahlen, die nicht ausbilden, obwohl sie könnten, und aus dem Betriebe, die qualitativ hochwertig ausbilden, Förderungen erhalten. Der Fonds soll durch ein Prozent der Jahresbruttosumme durch die Unternehmen finanziert werden. Außerdem könnten aus der Fachkräftemilliarde auch die Plätze in der ÜBA finanziert werden.

Ein Sicherheitsnetz
Die ÜBA, die das Herzstück der europaweit nachgeahmten Ausbildungsgarantie ist, richtet sich an Lehrstellensuchende, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden können. Hier werden sie entweder auf eine betriebliche Lehrstelle vorbereitet oder schließen eine Berufsausbildung ab. Dieses Angebot der Berufsausbildung erhöht im Besonderen die Chancen für benachteiligte Jugendliche. Im Jahr 2016 wurden rund 10.000 junge Menschen in einer ÜBA ausgebildet. Die Verweildauer in der ÜBA zu kürzen und die finanziellen Mittel umzuschichten gefährdet die Ausbildung genau dieser Jugendlichen.
„Jeder Euro, der bei der Ausbildung von jungen Menschen zu Fachkräften gespart wird, ist Zukunftsraub“, betont ÖGJ-Vorsitzender Ernszt und fügt hinzu: „Eine solide Ausbildung ist der beste Garant gegen Arbeitslosigkeit. Das sollte auch der Regierung klar sein. Dass jungen Menschen diese Chance genommen werden soll, ist unverständlich.“ Ähnliches ist auch von Arbeiterkammerpräsident Rudi Kaske zu hören: „Wer bei der Ausbildung der Jugend kürzt, spart am falschen Fleck. Der riskiert die Zukunft dieser Menschen und den wirtschaftlichen Erfolg Österreichs.“

Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen amela.muratovic@oegb.at und tamesberger.d@akooe.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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