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Was machen wir Ösis besser

Schwerpunkt Sozialstaat im europäischen Vergleich

Eine Vergleichsstudie brachte ein eindeutiges Ergebnis: Österreich hat ein viel besseres Pensionssystem als Deutschland.

Glückliches Österreich“: So lautete der Tenor etlicher Berichte in deutschen Medien zum Vergleich der Pensionssysteme in den beiden Ländern. Hintergrund dafür ist eine von der Hans-Böckler-Stiftung publizierte Vergleichsstudie, die Erstaunliches zutage gebracht hat. So sind die durchschnittlichen Pensionen von langjährig Versicherten in Österreich bei den Männern um gut 70 Prozent und bei den Frauen sogar mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Bei den Pensionsperspektiven für die heute Jüngeren ist der Abstand sogar noch größer.
Es ist in Anbetracht dieser Zahlen wenig verwunderlich, dass der Verweis auf das viel bessere österreichische Pensionssystem neuerdings sogar in deutschen Fernsehsendungen die Runde macht. Sehr unterhaltsam aufbereitet hat dies die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“. Es lohnt, den Beitrag nachzusehen, zu finden unter
www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-oesterreich-100.html

Gravierende Unterschiede
Warum überhaupt einen Vergleich mit Deutschland anstellen? Österreich und Deutschland haben ein fast gleiches Wohlstandsniveau und eine sehr ähnliche Sozialstaatstradition. Auch die Pensionssysteme sind in ihrem Ursprung sehr ähnlich. Dazu kommt, dass in beiden Ländern umfassende Pensionsreformen durchgeführt wurden. Gravierende Unterschiede gibt es allerdings bei der Ausrichtung und bei den Ergebnissen dieser Reformen. Deutschland hat mit der Riester-Reform im Jahr 2001 das Ziel der Lebensstandardsicherung durch das gesetzliche System aufgegeben. Ein Gutteil der Verantwortung für die Alterssicherung wurde den Betriebs- und Privatpensionen überantwortet. Teil dieser Strategie war eine Verlagerung vom gesetzlichen Umlageverfahren hin zu privaten Ansparmodellen. Erreicht wurden allerdings weder die angepeilte weite Verbreitung der zweiten und dritten Säule noch die dort erwarteten hohen Veranlagungsrenditen. Was übrig bleibt, sind die massiven Kürzungen im öffentlichen System.

Widerstand hat sich gelohnt
In Österreich hingegen wurde im Jahr 2003 von der damaligen ÖVP/FPÖ-Regierung ein Reformkonzept ähnlich der deutschen Riester-Reform vorgelegt. Dieses beinhaltete eine drastische Reduktion der gesetzlichen Pensionsansprüche und – parallel dazu – eine kräftige öffentliche Förderung kapitalbasierter Renten. Rückblickend können wir uns glücklich schätzen, dass der von den Gewerkschaften geführte Widerstand die Umsetzung dieses Konzepts verhindert hat. Gegen eine Verlagerung hin zu Betriebs- und Privatrenten wurde zu Recht ins Treffen geführt, dass damit keine Kosten gespart, sondern diese bestenfalls verschoben werden. Die sogenannte „Kapitaldeckung“ wiederum birgt letztlich mehr Risiken als die Finanzierung im Umlageverfahren, wie sie bei den gesetzlichen Renten praktiziert wird.
Was aus den Turbulenzen um die Reform 2003 und den anschließenden Reformen letztlich herauskam, ist im Kern um einiges besser, als vielen bewusst ist: Das unter Mitarbeit von Gewerkschaft und AK erstellte neue „Pensionskonto-Recht“ bietet auch den heute Jüngeren ein gutes Versorgungsniveau im Alter – Voraussetzung dafür aber ist, dass der Arbeitsmarkt funktioniert. Das Ausmaß der Pension wird – heute wie in Zukunft – in hohem Maß von der vorgelagerten Erwerbskarriere bestimmt.

Reformen mit gerechterer Wirkung
Wenig bekannt ist, dass die Reformen in Österreich wesentlich breiter angelegt wurden. Auffällig ist vor allem, dass im Gegensatz zu Deutschland auch die BeamtInnenversorgung in den Reformprozess einbezogen wurde.
In der Vergleichsstudie der Böckler-Stiftung wurden die durchschnittlichen Niveaus der 2013 neu zuerkannten Pensionen von langjährig Versicherten verglichen – und zwar in der in Deutschland gebräuchlichen Betrachtung „netto vor Steuer“, d. h. nach Abzug des KV-Beitrags, aber vor Steuer. Da es in Deutschland keine Sonderzahlungen gibt, sind die österreichischen Werte zum einfacheren Vergleich als Jahreszwölftel ausgewiesen.
Während Männer in Österreich 1.820 Euro als Pension beziehen, müssen sich die Männer in Deutschland mit 1.050 Euro abfinden. Frauen erhalten zwar auch in Österreich eine niedrigere Pension als Männer, doch ist diese deutlich höher als im Nachbarland: Sie erhalten hierzulande 1.220 Euro, in Deutschland sind es gerade einmal 590 Euro. Der Hauptgrund für die enormen Unterschiede besteht schlicht darin, dass in Österreich mit 1,78 Prozent des versicherten Jahreslohns eine wesentlich höhere Rentengutschrift erfolgt als in Deutschland.

Hoher Gender Gap
Auffällig ist, dass die Renten der Frauen in beiden Ländern – allerdings auf sehr unterschiedlichem Niveau – wesentlich niedriger liegen als jene der Männer. Darin spiegeln sich unterschiedliche Erwerbsintegration, unterschiedliche Lohnhöhen, Defizite bei Kinderbetreuungseinrichtungen etc. wider. Die Unterschiede machen deutlich, wie eng die Renten in beiden Ländern mit dem Arbeitsmarkt verflochten sind und wie sehr eine möglichst gute und beide Geschlechter erreichende Erwerbsintegration Teil der Rentenpolitik sein muss.
Noch größer als die aktuellen Unterschiede in den Leistungsniveaus sind die Unterschiede in den Vorausberechnungen für die heute Jüngeren. OECD-Berechnungen für idealtypische Erwerbsverläufe zeigen folgende (theoretische) Bruttoersatzraten: 37,5 Prozent für Deutschland, in Österreich hingegen 78,1 Prozent. Die zentralen Annahmen in diesen Rechenbeispielen sind: Erwerbseintritt mit 20, durchgehende Erwerbsarbeit bis 65 und konstantes Erwerbseinkommen jeweils in Höhe des gesamtgesellschaftlichen Durchschnittseinkommens.
Klar ist, dass die realen Verläufe wegen Erwerbsunterbrechungen und anderem Einkommensverlauf in aller Regel weniger günstig verlaufen, als in diesen Berechnungen angenommen. Die Bruttoersatzraten zum Letztbezug werden damit in den meisten Fällen um einiges niedriger ausfallen. In die Gegenrichtung wirkt, dass in beiden Ländern bei den Renten niedrigere Sozialbeiträge anfallen als bei den Aktivbezügen.
Die Rechenbeispiele machen deutlich, wie enorm die Unterschiede sind und dass bei Beibehaltung des geltenden Rechts das Leistungsniveau in Deutschland extrem niedrig sein wird. Die Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, dass die aktuelle Kampagne der deutschen Gewerkschaften für stärkere gesetzliche Renten Erfolge bringt.
Österreich wendet mit 13,9 Prozent des BIP deutlich mehr für die gesetzlichen Pensionen auf als Deutschland mit 10,0 Prozent (2013). Wie in der Vergleichsstudie an etlichen Kennzahlen gezeigt wird, gibt es allerdings keinen Beleg für nachteilige Auswirkungen dieser Mehrkosten auf die Wirtschaft. Zentrales Finanzierungsstandbein sind in beiden Ländern die Beitragszahlungen. Mit 22,8 Prozent Gesamtbeitrag liegt Österreich um gut vier Prozentpunkte höher als Deutschland mit aktuell 18,7 Prozent. Die auf den ersten Blick relativ hohe Differenz wird allerdings stark relativiert, wenn der in Deutschland vorgesehene 4-Prozent-Riester-Beitrag in Rechnung gestellt wird. Ähnlich hoch sind die Finanzierungsanteile aus Bundesmitteln mit jeweils gut 20 Prozent im Durchschnitt aller Versicherungsträger.
Erhebliche Unterschiede gibt es auch beim gesetzlichen Pensionsalter. In Deutschland wird die Altersgrenze für den abschlagsfreien Bezug einer Pension schrittweise auf 67 erhöht. Forderungen in diese Richtung gibt es auch in Österreich vor allem vonseiten der Wirtschaft. Gegen den Widerstand der Gewerkschaften konnte das bisher aber nicht durchgesetzt werden. Nicht auszuschließen ist, dass das Pensionsalter aber spätestens nach den kommenden Nationalratswahlen erneut Thema sein wird.

Besseres Minimum im Alter
Nicht zuletzt bietet das österreichische Pensionssystem auch eine bessere Mindestsicherung im Alter. Denn die Richtsätze der österreichischen Ausgleichszulage sind deutlich höher als die deutsche „Grundsicherung im Alter“. Dazu kommt, dass die Ausgleichszulagen wesentlich leichter zugänglich sind.
Die Vergleichsstudie kommt aus deutscher Sicht zu dem Schluss: „Die Erfahrungen aus dem Nachbarstaat zeigen, dass eine starke öffentliche Alterssicherung bessere Ergebnisse bringt.“ Damit dies auch so bleibt, ist vor allem eines wichtig: ein gut funktionierender Arbeitsmarkt. Gewerkschaften und AK bleiben dran!

Vergleichsstudie der Böckler-Stiftung, WSI-Report Nr. 27, 1/2016:
tinyurl.com/y7x93fl8

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autoren josef.woess@akwien.at und erik.tuerk@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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