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Symbolbild für faire Spielregeln in der Gig-Economy
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Gemeinsam für die faire Plattform

Schwerpunkt Start-ups

International vernetzen sich bereits einige CrowdworkerInnen und kämpfen für faire Spielregeln in der Gig-Economy. Diese sind auch in Österreich dringend nötig.

Plattformen wie Clickwork, Upwork oder MyHammer, die mit günstigen Dienstleistungen werben, boomen. In einer Studie untersuchte die AK, wie weit verbreitet dieses Phänomen auch hierzulande ist. Dazu wurden 2.003 österreichische Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren online befragt. Es zeigte sich, dass fünf Prozent regelmäßig für Plattformen arbeiten. Die Zahlen zeigen außerdem: Es braucht dringend faire Spielregeln für CrowdworkerInnen.

Arbeiten wie MusikerInnen?
Gig-Economy: Dieser Begriff nimmt Bezug auf die Art und Weise, wie viele MusikerInnen arbeiten, nämlich in Form einzelner Auftritte, der Gigs. Diese Wirtschaftsform basiert auf kurzfristigen Verträgen, die dort Beschäftigten bestreiten ihren Lebensunterhalt mit einem Mix solcher Vertragsverhältnisse.
Neue Kommunikations- und Informationstechniken erleichtern zudem das Crowdsourcing von Arbeit: Tätigkeiten, die bisher von einer Person ausgeführt wurden, können nun auf eine größere Anzahl von Personen (die Crowd) ausgelagert werden. Meist passiert das über internetbasierte Plattformen, die die Verbindung zwischen Auftraggebern und der Crowd herstellen. Arbeit wird also nur bezahlt, wenn sie tatsächlich geleistet wird (just in time), das Risiko unproduktiver Zeiten lastet auf den Plattform-ArbeiterInnen.

Atomisierung
Diese Form des Arbeitens führt zu einer Zerschlagung, ja geradezu zu einer Atomisierung bislang durchgängiger Arbeitsverhältnisse. Internationale Beispiele zeigen, dass das Bedürfnis von Menschen, ihre Arbeitsbedingungen in gemeinsamen Anstrengungen zu verbessern, auch beim Arbeiten auf Plattformen omnipräsent ist. Rund um die Arbeitsplattform des Online-Händlers Amazon zum Beispiel haben sich die Online-ArbeiterInnen vernetzt und ein Programm entwickelt, mit dem sie Informationen über ihre Auftraggeber austauschen und so mehr Transparenz herstellen können.
Weltweit schaffen es Plattform-ArbeiterInnen immer öfter in die Schlagzeilen, seien es Uber-FahrerInnen, die in London ihren ArbeitnehmerInnenstatus erfolgreich vor Gericht einklagen, oder streikende FahrradbotInnen in Italien und Schweden, die mehr Lohn für ihre Arbeit von der Online-Plattform fordern. In Österreich gibt es mit der Betriebsratsgründung beim Lieferdienst Foodora inzwischen auch ein erfolgreiches Beispiel dafür, was die gemeinsame Organisierung der Interessen mit Unterstützung der Gewerkschaft bringen kann.
Trotz der ersten Erfolge bleibt es eine enorme Herausforderung, faire Arbeitsbedingungen in der Welt der Gig-Economy durchzusetzen. Einen gänzlich neuen Weg stellt die Bewegung des Plattform-Kooperatismus dar. Dabei geht es um genossenschaftliche Organisation von Plattformen. Die Menschen, die für die Plattformen arbeiten, besitzen diese auch. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Vision – zahlreiche Plattform-Kooperativen machen vor, wie es gehen kann.
Da ist etwa Up & Go, eine amerikanische Plattform, die professionell Reinigungsdienste und Kinderbetreuung anbietet. Anders als herkömmliche Plattformen, die bis zu 30 Prozent der Einkommen der WorkerInnen einbehalten, braucht Up & Go lediglich 5 Prozent für Plattform-Betrieb und Werbung. Die WorkerInnen bestimmen als EigentümerInnen nicht nur ihre Arbeitsbedingungen, sondern arbeiten auch zu besseren Löhnen.

Soziale Innovationen
Ähnliches gilt für die italienische Taxiplattform Cotabo oder die sehr erfolgreiche Taxikooperative aus Denver, Green Taxi. Ein wichtiges Ziel der Bewegung: In den letzten Jahren wurde viel – auch öffentliches Geld – investiert, um digitale Geschäftsmodelle zu unterstützen. Allerdings gab es wenig Geld, um soziale Innovationen voranzutreiben. Das müsse sich ändern. Plattform-Kooperativen sehen sie als einen wichtigen Weg dazu, die Arbeitswelt von morgen tatsächlich gerecht zu gestalten.
Wegen des globalen Engagements vieler Plattformen kann der Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen, faire Regeln und Mitbestimmung selbstverständlich nicht auf nationale Grenzen beschränkt bleiben. Die technisch einfache Handhabung, Arbeit über Plattformen theoretisch weltweit zu organisieren, schreit sogar förmlich nach internationaler Zusammenarbeit. Dies ist freilich mit vielen Herausforderungen verbunden. Denn die Welt der Plattformen ist vielfältig, sowohl was die Art der Arbeit als auch was den Ort der Arbeit anbelangt.
Es gibt zum Beispiel Plattformen, die Arbeit vor Ort organisieren, wie etwa Fahrtendienste (Uber, Foodora) oder Reinigungsdienstleistungen (Helpling, Book a Tiger). In diesem Fall ist die Einhaltung von nationalen rechtlichen Grundlagen leichter handhabbar.

Von kleinteilig bis professionell
Jene Plattformen, die Arbeit online organisieren, agieren teilweise weltweit (etwa Clickworker, Amazon Mechanical Turk, 99 Designs), haben aber immer regionale Schwerpunkte. Dennoch ist es bedeutend schwieriger, geltende Rechte aufzuzeigen und durchzusetzen. Auch die Art der Arbeit ist unterschiedlich: Es gibt Plattformen, die sehr kleinteilige Arbeiten vergeben, sogenannte Mikrotask-Plattformen. Beschriften von Kleidungsstücken oder Fotos sind hier gängige Aufträge. Andere wiederum richten sich an ProfessionalistInnen, wie ÜbersetzerInnen oder GrafikdesignerInnen.
Trotz der Unterschiede gibt es gemeinsame Ideen zu fairer Plattformarbeit. Der ÖGB und die Arbeiterkammer haben gemeinsam mit anderen Gewerkschaften aus Deutschland, Schweden, Dänemark und den USA mit der „Frankfurter Erklärung“ eine erste Grundlage für grenzüberschreitende Forderungen geschaffen. Sie reichen von fairer Bezahlung, dem Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, einer guten sozialen Absicherung bis hin zu mehr Transparenz von Unternehmensdaten von Plattformen. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund fordert in seiner Resolution zur Digitalisierung eine bessere Rechtsdurchsetzung bereits geltender Bestimmungen und neue Regelungen für faire Bezahlung und gute soziale Absicherung von Crowdwork.
Momentan stellt Crowdwork für die österreichischen ArbeitnehmerInnen meistens einen Zuverdienst dar. 59 Prozent der von der AK Befragten gaben an, sie würden so weniger als die Hälfte ihres Einkommens erwirtschaften. Allerdings verdienen immerhin 11 Prozent der Befragten mehr als die Hälfte der Einnahmen mit Crowdwork.
Ihre Einkommen aus allen Einnahmequellen sind in der Regel bescheiden: 48 Prozent der Befragten, die Auskunft über ihr Einkommen gegeben haben, verdienen weniger als 18.000 Euro im Jahr. Weitere 43 Prozent verdienen zwischen 18.000 und 36.000 Euro. Nur drei Prozent verdienen mehr als 60.000 Euro pro Jahr. Dies zeigt, dass es allein bei der fairen Bezahlung der digitalen Arbeitskräfte einiges zu tun gibt.
Immer mehr Menschen werden über kurz oder lang zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts mit solchen neuen Arbeitsformen verdienen. Die Gewerkschaft hat die Aufgabe, Rechte zu sichern und sie allenfalls weiterzuentwickeln. Sie braucht dafür das Know-how und den Einsatz der Plattform-ArbeiterInnen selbst. Die Gewerkschaft kann hier Hilfe zur Selbstorganisation bieten. Die große Frage lautet: Wie können sich Menschen in Zukunft für ihre Rechte organisieren?

Kreativ neu denken
Gewerkschaftliche Organisation muss kreativ neu gedacht werden, denn mit den derzeitigen Vertretungsstrukturen werden wir an unsere Grenzen stoßen. Außerdem müssen wir neue Wege der gewerkschaftlichen Mitbestimmung beschreiten. Eines ist aber deutlich erkennbar: Arbeit bleibt Arbeit und der Wunsch, die eigene Marktmacht durch den Zusammenschluss mit anderen arbeitenden Menschen zu stärken, bleibt bestehen.

„Crowdwork in Österreich“
www.wien.arbeiterkammer.at/crowdwork
Arbeit in der Gig-Economy
www.gig-economy.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen sylvia.kuba@akwien.at und karin.zimmermann@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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