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Symbolbild für eine ländliche Landschaft Von der städtischen Infrastruktur profitieren nicht nur die StädterInnen.

Auch fürs Umland von Nutzen

Schwerpunkt Großstadt

Von der städtischen Infrastruktur profitieren nicht nur die StädterInnen. Nötig wäre eine Ausweitung der Investitionen.

Die Abwanderung in die Städte und das damit verbundene Wachstum ist auch in Österreich zu beobachten und hat für neue Diskussionen über die Stadt als Lebens- und Wirtschaftsraum gesorgt. Da die finanzielle Lage der meisten Städte prekär ist, bräuchte es eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen, um das aktuelle Wohlstandsniveau erhalten zu können.

Städte wirken positiv für das Umland

Die räumlichen Grenzen einer Stadt werden durch die Ortsschilder schnell sichtbar, ihre wirtschaftliche und soziale Bedeutung geht aber weit über diese Grenzen hinaus. Erstens sind Städte Knotenpunkte wirtschaftlichen Handelns: Weil mehr Leute auf engerem Raum wohnen, ist es leichter, die passenden KundInnen, PartnerInnen und/oder LieferantInnen zu finden. Zudem profitieren Firmen in Städten von einer größeren Verfügbarkeit Erwerbstätiger mit höherer Bildung. Umgekehrt können auch ArbeitnehmerInnen ihre qualifizierten Fähigkeiten besser einsetzen. Dies begünstigt Innovationen, führt zu einer höheren Produktivität und schlägt sich letztendlich in einer höheren Wirtschaftsleistung nieder.
Dies gilt natürlich auch für die Beschäftigung: Von den in Städten geschaffenen Jobs profitieren auch ArbeitnehmerInnen aus dem Umland, denn gut 200.000 von 800.000 Wiener Beschäftigten stammen aus dem Umland. Zweitens erfüllt gerade die öffentliche Hand in Städten überregionale Aufgaben, deren Nutzen über die Stadtgrenzen hinausgeht. So wird die städtische Infrastruktur wie etwa Straßen oder der öffentliche Nahverkehr auch von den BewohnerInnen des Umlandes genutzt, etwa um zur Arbeitsstätte zu gelangen, Behördengänge zu erledigen oder zur Freizeitgestaltung. Für Bau und Erhaltung dieser Infrastruktur kommen die Städte meist allein auf.
Große überregionale Bedeutung kommt zudem höheren Bildungseinrichtungen wie Fachhochschulen und Universitäten zu, denn sie garantieren adäquate Ausbildungsmöglichkeiten für die nächste Generation. Nicht zuletzt verbessern Kultur- und Sporteinrichtungen (z. B. Schwimmbäder, Sportplätze, Theater, Museen etc.) das Freizeitangebot.
Bereits heute lebt fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung in Städten mit über 10.000 EinwohnerInnen – Tendenz: steigend. Die Österreichische Raumordnungskonferenz prognostiziert für den Zeitraum 2014–2030 das höchste Wachstum mit geschätzt 10 bis 27 Prozent für die größeren Städte Österreichs inklusive Einzugsgebiet: Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck.
Für die Städte bietet das Wachstum einerseits viele Chancen, da überproportional viele junge und gut ausgebildete Menschen hinzukommen. Andererseits bedeutet dies auch große Herausforderungen: Bedarf an neuem Wohnraum, Schulen, Kindergärten, öffentlicher Nahverkehrsanbindung, Straßen usw. Oft muss die gesamte Infrastruktur neu geschaffen werden. Aus wirtschaftlicher Sicht müssen die Investitionen mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten, um das bestehende Wohlstandsniveau aufrechtzuerhalten.
Allerdings sanken die Ausgaben der Gemeinden für Investitionen im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr leicht ab ebenso wie der Anteil der Gemeindeinvestitionen an den gesamten öffentlichen Investitionen. Gerade Investitionstätigkeiten auf Gemeindeebene entfalten aber für die lokale Wirtschaft positive Nachfragewirkungen und stärken dadurch die inländische Wertschöpfung.

Strikte Budgetregelungen bremsen

Ein Problem für die öffentlichen Investitionen ist ein zu enger budgetärer Spielraum. Die im österreichischen Stabilitätspakt umgesetzten europäischen Regelungen beschränken die Möglichkeit, Investitionen mittels Schuldenaufnahme zu finanzieren. Demnach dürfen die österreichischen Gemeinden zusammen eine strukturelle Neuverschuldung von 0,02 Prozent des BIP nicht übersteigen. Dabei erhöhen Investitionen langfristig das produktive öffentliche Vermögen und bilden damit die Grundlage für zukünftigen Wohlstand.
Noch dazu werden gerade langlebige Investitionen auch von zukünftigen Generationen genutzt. Eine schuldenbasierte Finanzierung von Investitionen ist unter diesen Gesichtspunkten also durchaus gerechtfertigt und angesichts der günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten aufgrund der aktuell niedrigen Zinsen ökonomisch zweckmäßig. Wird zu lange nicht oder zu wenig investiert, lebt man also zu lange von der Substanz, kann dies langfristig negative Folgekosten nach sich ziehen.
So können Sparmaßnahmen im Bildungsbereich zu Wohlstandsverlusten in zukünftigen Generationen führen, die Vernachlässigung von Erneuerung bei Gebäuden zu Sicherheitsproblemen in Ernstfällen, fehlende Straßenerhaltung zu Zusatzkosten für Staus und so weiter.

Mittel an kleine Gemeinden verteilen

Ein weiterer Grund für die prekäre Finanzlage der Städte ist die derzeitige Mittelverteilung im Finanzausgleich. Die Einnahmen der Gemeinden (inkl. Städte) beruhen zwar zum Teil auf eigenen Einnahmen (aus Kommunal- und Grundsteuern), zu einem größeren Teil jedoch auf Ertragsanteilen und Transfers. Ertragsanteile sind Anteile am gemeinsamen Steuertopf von Bund, Ländern und Gemeinden, die über den Finanzausgleich verteilt werden.
Sie berücksichtigen die überregionalen Aufgaben größerer Gemeinden durch den sogenannten „abgestuften Bevölkerungsschlüssel“. Dieser ist ein zentrales Kriterium in der Verteilung der Ertragsanteile für die Gemeinden und vergütet zentralörtliche Funktionen von Städten durch höhere Mittelzuteilungen je nach Gemeindegröße.
Neben den Ertragsanteilen spielen die Transfers – und hier insbesondere die Transfers zwischen Ländern und Gemeinden – eine wichtige Rolle für die Gemeindeeinnahmen. Einerseits leisten die Gemeinden in den Bereichen Krankenanstalten Kofinanzierungen an die Länder, die sich über alle Gemeinden hinweg im Jahr 2015 auf insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro beliefen.
Insgesamt sind Gemeinden mit bis zu 1.000 EinwohnerInnen Nettoempfängerinnen, ab 1.001 EinwohnerInnen besteht jedoch ein negativer Transfersaldo. Das bedeutet, dass die Gemeinden mehr Transfers an die Länder leisten, als sie erhalten. Innerhalb der länderinternen Finanzausgleiche kommt es durch die mit der Gemeindegröße zunehmende Belastung an Transferzahlungen an die Länder zu einer Verschiebung zulasten der Städte und zugunsten von Kleinstgemeinden. Um eine qualitativ gute Infrastruktur für wachsende Regionen aufbauen zu können, braucht es eine Ankurbelung der öffentlichen Investitionstätigkeit. Hierfür sind jedoch Änderungen des aktuellen europäischen und österreichischen Budget-Regelwerks nötig: Durch die Einführung der sogenannten „goldenen Investitionsregel“ würden die Nettoinvestitionen aus den aktuellen Grenzwerten für die Neuverschuldung ausgenommen.
Ein wichtiger Schritt für eine größere finanzielle Autonomie und eine bessere Einnahmensituation für alle Gemeinden wäre eine Stärkung der eigenen Steuereinnahmen durch eine Reform der Grundsteuer, die derzeit anhand veralteter Einheitswerte bemessen wird. Für den städtischen Raum ist dabei wichtig, dass eine Abwälzung auf die MieterInnen verhindert wird.

Städte finanziell absichern

In der Mittelverteilung durch den Finanzausgleich braucht es eine Einschränkung des Transferwesens, um die finanzielle Autonomie der Gemeinden wieder zu stärken. Hier brachte das neue Finanzausgleichsgesetz 2017 zwar eine gewisse Begrenzung der Umlagen, verlagerte jedoch gleichzeitig den ehemals durch den Bund getätigten Zuschuss für den Finanzkraftausgleich an die Länder, wodurch der Anteil an Landestransfers in den Gemeindebudgets steigen wird.
Mit dem neuen Finanzausgleich wird der Erfüllung öffentlicher Aufgaben endlich größere Bedeutung beigemessen. Die Finanzausgleichspartner Bund, Länder und Gemeinden einigten sich erstmals auf das Konzept der Aufgabenorientierung, bei dem Finanzmittel je nach Herausforderung und Qualität der erbrachten öffentlichen Leistungen verteilt werden. Geplant ist ein Pilotprojekt in der Kinderbildung und -betreuung (0- bis 6-Jährige) ab 2018 sowie im Pflichtschulbereich ab 2019.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin romana.brait@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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