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Symbolfoto: Frauenfreizeit: Luft nach oben Frauen bleibt am Ende des Tages bedeutend weniger Freizeit übrig. So auch am Wochenende: Da verwenden Frauen fast die Hälfte ihrer Zeit für Hausarbeit, Männer wiederum nur knapp ein Drittel.

Frauenfreizeit: Luft nach oben

Schwerpunkt Gleichstellung

Weniger Geld und dafür täglich eine Stunde weniger Freizeit: Das ist kein Paradoxon, sondern weibliche Alltagsrealität.

Ein Blick auf die Statistik zeigt: Frauen haben täglich rund eine Stunde weniger Freizeit als Männer. Doch das ist noch nicht alles: Bei einer Gehaltsschere von rund 22 Prozent müssen österreichische Frauen im Jahr 2016 um 82 Tage länger arbeiten, um auf das gleiche Gehalt wie ihre männlichen Kollegen zu kommen. Dem gegenüber steht das Bedürfnis nach Freizeit, das auch bei Frauen ausgeprägt ist.
Frauen im erwerbstätigen Alter würden jedenfalls zusätzlich verfügbare Zeit nicht mit Arbeit anfüllen. Auf die Frage, wie sie die Zeit ausfüllen würden, wenn sie 82 Tage im Jahr weniger arbeiten müssten – bei gleicher Bezahlung –, trafen Constanze E. (28), Anna W. (35) und Britta M. (42) folgende Wahl: Sie würden die Zeit nutzen, um für mehr Erholung und Persönlichkeitsentwicklung zu sorgen. Sport, FreundInnen, Familie, Lesen, Weiterbildung (Sprachen, Schauspielkurs), Faulenzen, Reisen, Wellness­tag, Ausgehen und verschiedene Hobbys: All diesen Aktivitäten würden sie deutlich mehr Zeit widmen. Oder wie es Anna W. zusammenfasst: „Für mich mehr Zeit und Muße haben.“

Haushalt weiterhin Frauensache
In der Zeitverwendungsstudie definiert die Statistik Austria den Begriff Freizeit: Darunter sei „vor allem Zeit“ zu verstehen, „die zur eigenen, vollkommen freien Verfügung steht und überwiegend Vergnügen und Entspannung bringen soll“. Viele Menschen würden vielleicht jede Zeit außerhalb des Jobs als „Freizeit“ bezeichnen. Diese Sicht deutet bereits auf ein Kernproblem hin: Die vielen Jobs abseits des Broterwerbs liegen meist in weiblicher Hand.

Deutlich weniger Freizeit
Denn obwohl Frauen ähnlich viel Zeit für die Grundbedürfnisse wie Schlafen, Essen oder Körperpflege wie Männer aufwenden, bleibt am Ende des Tages den Frauen bedeutend weniger Freizeit übrig. So auch am Wochenende: Da verwenden Frauen fast die Hälfte ihrer Zeit für Hausarbeit und die anderen 55 Prozent für Freizeitaktivitäten. Männer wiederum investieren nur knapp ein Drittel ihrer Zeit in Hausarbeit, dafür aber 72 Prozent in Freizeitaktivitäten. Einflussfaktoren sind bei Frauen und Männern außerdem das Einkommen und die Tatsache, ob sie Kinder haben oder nicht.
Was unterm Strich bleibt, ist täglich eine Stunde weniger Freizeit für die Frauen. Dabei gibt es je nach Altersgruppe Unterschiede: Am wenigsten Freizeit haben Frauen zwischen 20 und 39 Jahren: Hier nutzen Frauen durchschnittlich 2 Stunden und 33 Minuten täglich für Freizeitaktivitäten – während es bei den Männern fast eine ganze dreiviertel Stunde mehr ist. Frauen unter 19 verfügen über fast vier Stunden Freizeit, Frauen zwischen 40 und 59 haben etwas mehr als drei Stunden – die Männer beider Altersgruppen können fast eine halbe Stunde mehr Freizeit genießen. Die über 60-jährigen Frauen haben mit etwas mehr als 4,5 Stunden am meisten Freizeit, getoppt werden sie allerdings erneut von ihren männlichen Kollegen, die sogar fast eine Stunde und 15 Minuten mehr zur Verfügung haben.

Freizeitbeschäftigung Nr. 1
Was tun wir nun mit der wenigen Freizeit? Trotz der Umbrüche in der digitalen Welt wird in der Freizeit in erster Linie ferngesehen. Im Jahr 2015 haben die ÖsterreicherInnen täglich fast drei Stunden vor der Flimmerkiste verbracht. Das ist der zweithöchste gemessene Wert bisher, der TV-Konsum ist in den letzten Jahrzehnten sogar gestiegen. Geschlechtsspezifisch lassen sich nur marginale Unterschiede ausmachen, Männer sehen ein klein wenig mehr fern.
Ein weiterer Trend ist klar auszumachen, nämlich dass vermehrt über das Internet verschiedene Medieninhalte konsumiert werden. Generell ist ein zunehmender Konsum elektronischer Medien feststellbar. An der zweiten und dritten Stelle der häufigsten Freizeitbeschäftigungen sind Zeitunglesen (rund 30 Prozent, geringfügig mehr Männer) und Spazierengehen (29,1 Prozent der Frauen und 22,1 Prozent der Männer). Weitere Freizeitbeschäftigungen: Sport sowie Kultur und Unterhaltung.

Besonders nachvollziehbar wird die knappe Freizeit von Frauen an dem persönlichen Beispiel von Anna. Die 35-Jährige antwortet auf die Frage, wie sie ihre Freizeit nutzt, folgendermaßen: „Momentan gar nicht so leicht zu beantworten, da meine Freizeit – also Zeit, die wirklich zu meiner eigenen, vollkommen freien Verfügung steht – derzeit sehr begrenzt ist.“ Und weiter wird deutlich, wie es kommt, dass TV-Konsum so ein häufiges Freizeitphänomen ist: „Wenn ich müde und erschöpft bin, ist es schon eher Fernsehen und Internet – also eher ein passives Konsumieren. Fühle ich mich wieder fitter, bin ich gerne in der Natur, arbeite in meinem Garten, gehe gerne spazieren, genieße Sonnenstrahlen.“ Auch das Pflegen von Sozialkontakten ist für sie sehr wichtig. Und: „Ich habe vor Kurzem mit Yoga begonnen, auch das zählt zu meiner Freizeitgestaltung, und wenn mir ein gutes Buch in die Hände fällt, kann ich so richtig abtauchen.“

Sport für sie
Obwohl der Stellenwert des Sports insgesamt gestiegen ist, so sind Frauen dennoch in allen Bereichen des Sports (von Freizeit- bis Profisport) unterrepräsentiert. Nicht jedoch bei der 28-jährigen Constanze, für die sportliche Betätigung ein wesentlicher Bestandteil ihrer Freizeitbeschäftigung ist. „Das hat eine sehr große Bedeutung für mich, weil es wesentlich zu meinem allgemeinen Wohlbefinden beiträgt.“ Sportliche Aktivität stellt für sie „einen optimalen Ausgleich zum Büroalltag“ dar. Und recht hat sie: Die meisten Menschen haben eine überwiegend sitzende Lebensweise, die körperlichen Ausgleich verlangt. Für die Frauengesundheit wirkt sich körperliche Aktivität positiv auf verschiedenen Ebenen aus. Es ist insbesondere eine wirksame Vorsorge gegen zahlreiche chronische Erkrankungen wie Übergewicht, Bewegungsapparat-Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Ähnliches.
Außerdem zeigen Studien, dass auch die mentale Widerstandsfähigkeit von Frauen gestärkt wird: Sportlich aktive Frauen haben ein größeres Selbstvertrauen und höhere Selbstachtung und fühlen sich generell erfolgreicher – auch in Bezug auf ihre berufliche Karriere. Mittlerweile gilt auch als gut belegt, dass sportliche Aktivitäten die geistige Fitness effektiv unterstützen und somit eine der wirksamsten Präventionsmaßnahmen gegen Demenz darstellen.
Gesundheit wird meist erst bei Krankheit wahrgenommen. Ähnlich verhält es sich offenbar auch mit Freizeit bzw. deren Mangel. Es wird allzu leicht vergessen, dass ein wesentlicher Effekt von Freizeit Erholung ist – und damit wiederum erst Leistungsfähigkeit möglich wird. Denn nur erholte Menschen können über längere Zeit vital und leistungsfähig bleiben. Anna bringt es auf den Punkt: „Eigentlich bemerke ich erst, welche Bedeutung meine Freizeitbeschäftigungen haben, wenn ich sie aus beruflichen, familiären und ausbildungstechnischen Gründen längere Zeit nur sehr eingeschränkt ausführen kann. Ich werde dann gereizt, fühle mich unentspannt und erschöpft. Mein Immunsystem ist dann auch geschwächt und ich fühle mich alles in allem einfach nicht auf der Höhe.“ Die Freizeitbeschäftigungen sind wichtig für das Abschalten vom beruflichen Alltag, von Verpflichtungen oder auch von verschiedenen Ärgernissen: „Sie bringen mich auf andere Gedanken, manchmal holen sie mich auch wieder ganz zurück in die Gegenwart. Es kommt auch vor, dass ich erst durch meine Freizeitbeschäftigungen wieder bemerke, wie es mir eigentlich gerade geht und was im Leben für mich wirklich zählt.“

Priorität: Ich
Eine gute Säule für die psychische und physische Gesundheit ist es also, sich genügend Ich-Zeit einzuräumen. Da gerade Frauen hohen beruflichen und familiären Anforderungen standhalten müssen, benötigen sie persönliche Erholungszeiten. Die 42-jährige Britta sagt dazu: „Ich brauche es teilweise, um den Kopf frei zu kriegen – mit Musikhören, Sport, Natur, Entspannungsübungen … Und zum anderen Teil, um meinen Kopf voll zu kriegen – also Neues zu erkunden und um meinen Horizont zu erweitern.“ Und weil die Rahmenbedingungen nicht immer Erholungs- und Freizeitphasen automatisch ausreichend (freiwillig) hergeben, sind Frauen in der Position, sich diese aktiv nehmen bzw. einfordern zu müssen. Ein Aspekt in diesem Zusammenhang ist jedenfalls die bessere Aufteilung der Hausarbeit zwischen Mann und Frau, ebenso wie die Familienarbeit, so ein Paar Kinder hat. Denn: Da gibt es eindeutig Luft nach oben für die Frauen.

Linktipp:
Österreichischer Frauengesundheitsbericht 2010/2011, Bundesministerium für Gesundheit 
tinyurl.com/znojcj8

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