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Symbolbild: Die gläserne Vermögensdecke

Die gläserne Vermögensdecke

Schwerpunkt Gleichstellung

Vermögenssteuern und die Absicherung des Wohlfahrtsstaates sind wichtige Elemente für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Christina sitzt am Küchentisch und rechnet. Miete für die Wohnung, Schulanfang, Wintergewand – geht sich diesen Monat alles aus? Vom Einkommen gleiten ihre Gedanken weiter zu ihrem Vermögen. Es geht ihr nicht schlecht. Sie hat ein Sparbuch, einen Fernseher, eine Waschmaschine, einen Laptop für ihren Sohn. Sie hat nicht das Gefühl, dass ihr etwas fehlt. Zum Glück ist die Miete in der Gemeindewohnung nicht so hoch.
Aber Ansparen im großen Stil war für sie nie möglich gewesen. Nach der Geburt ihres Sohnes hatte sie ihre Stelle im Consulting aufgegeben, weil sie neben Kinderbetreuung und Hausarbeit nicht noch 50 oder gar 60 Stunden erwerbstätig sein konnte. Als ihr Sohn in den Kindergarten kam, suchte sie eine Arbeit, mit der sie nachmittags frei hatte. Jetzt ist sie HAK-Lehrerin. Die Scheidung von ihrem Mann war nicht billig, aber auch nicht unfair. Dennoch: Wenn sie es sich heute so ansieht, geht es ihm finanziell einfach besser als ihr.

Wo die Musik spielt
Ihr Ex-Mann arbeitete als Vermögensberater in der Bank. Inzwischen hat er eine Firma und  ein paar Angestellte. Christina hat das vage Gefühl, dass er einiges Geld in Aktien und Anleihen angelegt hat, aber so genau wusste sie das nicht einmal, als sie noch verheiratet waren.
Christina und ihr Ex-Mann sind Beispiele, wie die Verteilung von Vermögen zwischen Frauen und Männern in Österreich oft aussieht: Frauen haben weniger Vermögen als Männer. Das zeigen erstmals Daten zur Vermögensverteilung in acht europäischen Ländern. Da Vermögen nur für ganze Haushalte, nicht für Einzelpersonen erfasst ist, können nur Haushalte mit einem Erwachsenen betrachtet werden, also Ein-Personen- sowie AlleinerzieherInnen-Haushalte. Aber hier zeigt sich, was Untersuchungen für andere Länder immer wieder nachgewiesen haben: Eine Schere zwischen Männern und Frauen besteht bei den Vermögen genauso, wie sie von den Einkommen schon lange bekannt ist.
Dabei ist es nicht die breite Masse, bei der dieser Unterschied so gravierend ist. Eine neue Studie von Arbeiterkammer und Wirtschaftsuniversität Wien zeigt, dass es eine „gläserne Vermögensdecke“ gibt: Die Schere zwischen Männern und Frauen geht erst am oberen Ende der Verteilung auf. Frauen kommen beim Vermögensbesitz einfach nicht so weit hinauf wie Männer. Das beginnt ungefähr bei den obersten 30 Prozent, aber bei den reichsten zehn, fünf und ein Prozent reißt die Lücke immer weiter auf. Dass die Schere erst am oberen Ende so richtig sichtbar wird, ist an und für sich nicht sehr überraschend: Bei Vermögen „spielt die Musik“ immer bei den Reichen. Vermögen sind nämlich so ungleich verteilt, dass jene der unteren Hälfte, aber auch jene der wohlhabenden oberen Mitte im Vergleich zu den Reichen wenig ausmachen.

44 Prozent weniger
Bei den Bruttovermögen beträgt der „Gender Wealth Gap“, also die Vermögensschere, am oberen Ende (Top-5-Prozent) in Österreich etwa 44 Prozent. Frauen in Ein-Personen- oder Alleinerzieherinnen-Haushalten besitzen also grob gesprochen circa halb so viel Vermögen wie Männer in solchen Haushalten.
Nun könnte man dies darauf zurückführen, dass Männer üblicherweise seltener Alleinerzieher sind, dass sie meist länger (Vollzeit) gearbeitet haben, öfter ein Unternehmen besitzen und vielleicht sogar öfter erben. Ältere Personen, besser Gebildete, Selbstständige (vor allem solche mit MitarbeiterInnen) und ErbInnen haben nämlich ein höheres Vermögen.
Um diese Unterschiede auszuschalten, werden in dieser Studie aber akribisch Männer- und Frauenhaushalte verglichen, die in allen möglichen Merkmalen identisch sind: Also solche, die gleich alt sind, die gleiche Bildung, den gleichen Familienstand, gleich viele Kinder im Haushalt und gleich oft geerbt haben und die sich auch bei Arbeitsmarktstatus, Arbeitszeit, gearbeiteten Lebensjahren, Unternehmens- und Eigenheimbesitz sowie beim Bestehen von Krediten nicht unterscheiden. Das heißt, der übrig gebliebene, „nicht erklärte“ Unterschied geht wirklich auf eine Diskriminierung rein aufgrund des Geschlechts zurück. Natürlich wirkt Diskriminierung auch auf diese Merkmale, zum Beispiel wenn Frauen wegen Kinderbetreuungspflichten öfter Teilzeit arbeiten als Männer und deswegen weniger Vermögen aufbauen können. Aber diese „indirekte“ Diskriminierung wird in dieser Analyse herausgenommen, weil nur vollkommen gleiche Haushalte verglichen werden – und selbst dann bleibt eben ein Unterschied aus „reiner“ Diskriminierung von fast der Hälfte bei den Bruttovermögen.
Die Benachteiligung von Frauen ist bei den Bruttovermögen sehr klar, auch wenn man nur möglichst identische Personen vergleicht. Beim Nettovermögen (Vermögen minus Schulden) ist diese Schere statistisch nicht immer eindeutig festzustellen. Das liegt daran, dass Frauen zwar weniger Vermögen, aber auch weniger Schulden haben. Wenn diese zwei Größen zusammengerechnet werden, ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen statistisch nicht immer abgesichert.

Kein Einzelfall
Hier zeigt sich bereits eine Schwierigkeit, wenn man Vermögen anstatt Einkommen ansieht. Beim Einkommen ist zumindest klar, woher der Unterschied zwischen Männern und Frauen direkt herrührt: bei der Bezahlung durch die Unternehmen (bei Arbeitenden). Die eigentlich interessanten dahinterliegenden Gründe für die Einkommensschere sind dabei natürlich noch gar nicht angesprochen.
Bei Vermögen ist aber nicht einmal dieser unmittelbare Kanal der Ungleichheit klar. Weil Vermögen im Verlauf eines Lebens langsam angehäuft (oder sprunghaft geerbt) wird, sind die Mechanismen komplizierter. Es ist also nicht einfach, den ersten, direkten Grund festzumachen, warum Frauen weniger Vermögen besitzen als Männer. In der Datenanalyse deutet einiges darauf hin, dass unterschiedliche Erwerbskarrieren am Arbeitsmarkt eine Rolle spielen. Die Vermögensschere wäre dann im Grunde eine aufsummierte Einkommensschere zwischen Frauen und Männern.
Österreich ist in dieser Frage kein Einzelfall. In allen untersuchten europäischen Ländern gibt es eine Vermögensschere zwischen Frauen und Männern dort, wo der Großteil der Vermögen besessen wird: bei den Reichen. In Deutschland ist der Abstand bei den Bruttovermögen zwischen Einzelhaushalten von Frauen und Männern etwa so groß wie in Österreich (45 Prozent) und in Griechenland etwas höher (48 Prozent). In der Slowakei liegt er mit 27 Prozent darunter, ebenso in Frankreich (33 Prozent).

Schlusslicht
Was bedeutet das nun für Frauen wie Christina aus dem Beispiel oben? Zunächst ist es wichtig zu sehen, dass Politik, die Vermögen betrifft, unterschiedliche Auswirkungen für Frauen und für Männer hat. In Österreich werden etwa Vermögen und Erbschaften kaum besteuert; im internationalen Vergleich liegen wir unter den Schlusslichtern bei der Vermögensbesteuerung. Diese Daten legen aber nahe, dass eine Millionärssteuer auch tatsächlich weitgehend eine solche wäre – und nicht so sehr eine MillionärInnensteuer.
Außerdem ist es wichtig für die Rolle des Sozialstaats. Obwohl sie wenig Vermögen hat, muss sich Christina in Österreich keine Sorgen machen, wie sie die Ausbildung ihres Sohnes finanziert. Sie verschwendet keinen Gedanken daran, ob sie sich eine Krankenversicherung leisten kann. Wenn sie arbeitslos oder schwer krank wird, wird es für sie hart werden, zurande zu kommen – aber es gibt ein Netz, das sie auffängt und ihr über schwierige Zeiten hinweghilft. Das heißt, der Sozialstaat ersetzt das Vermögen von denen, die sonst abstiegsgefährdet wären. Und weil sie seltener hohe Privatvermögen besitzen, betrifft das Frauen stärker als Männer.
Eine Erbschaftsteuer, Vermögenssteuern und die Absicherung des Wohlfahrtsstaates sind daher wichtige Elemente einer Politik für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Linktipp:
Studie zu Vermögen und Geschlecht
tinyurl.com/ore8o3n

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin miriam.rehm@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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