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Symbolbild zu Männersache Gleichstellung Die Anzahl der Männer, die sich für Gleichstellung einsetzen, ist inzwischen stark gewachsen. Viele jüngere Männer wünschen sich starke Partnerinnen und eine aktivere Vaterrolle.

Männersache Gleichstellung

Schwerpunkt Gleichstellung

Die Anzahl der Männer, die sich feministisch engagieren, ist stark gewachsen. Viele jüngere Männer wünschen sich starke Partnerinnen und eine aktivere Vaterrolle.

Der Mann als Ernährer, als Familienoberhaupt, als starker Beschützer: Das Männerbild in Österreich ist weiterhin traditionell geprägt – aber es verändert sich. „Statt auf reines Konkurrenzdenken setzen viele jüngere Männer auf nachhaltige Fürsorge, wollen stärker für ihre Familien da sein“, sagt Erich Lehner, Vorsitzender des Dachverbandes Männerarbeit in Österreich, kurz DMÖ. Dieses neue Männerbild nennt sich in Fachkreisen „Caring Masculinities“.
Darunter fällt nicht nur das aktive Vatersein, sondern auch die Pflege von Angehörigen oder die Gesundheitsvorsorge. Auch Berufe in Pflege oder Erziehung sind für diese „modernen“ Männer attraktiv. Für Lehner ist klar: Wenn sich an der traditionellen Rollenverteilung etwas ändern soll, „braucht es den Einsatz von Frauen und Männern“. Lange Zeit galt Gleichstellungspolitik als Frauensache. Emanzipationsbestrebungen wurden von Männern zunächst gar als Bedrohung empfunden.
Dennoch gab es bereits bei den Frauenbewegungen in den 1970er-Jahren männliche Unterstützer. Die Anzahl der Männer, die sich für Gleichstellung einsetzen, ist inzwischen stark gewachsen. Viele jüngere Männer wünschen sich starke Partnerinnen und eine aktivere Vaterrolle. Gefördert haben den Diskurs auch Institutionen wie die vielerorts in den 1980er-Jahren entstandenen Männerberatungen.

Inhomogene Gruppe
Männer sind wie Frauen eine inhomogene Gruppe. Einige profitieren von der Ungleichheit, andere fühlen sich von der „Femokratie“ bedroht. Die Soziologin Elli Scambor empfiehlt zu differenzieren. Sie leitet den Verein „Männer- und Geschlechterthemen Steiermark“ und hat analysiert, welche Faktoren für männliches Gleichstellungsengagement eine Rolle spielen. Meist sind es junge, gebildete Männer, deren Partnerinnen ein ähnliches Qualifikationsniveau haben, die sich dafür starkmachen. Je größer der Einkommensunterschied zwischen den PartnerInnen, desto niedriger die Bereitschaft.

Prägung bereits im Kindergarten
Die Soziologin hat sich in ihrer Forschung mit dem Bildungsbereich auseinandergesetzt. Bereits im Kindergarten werden Rollenbilder geprägt. „Wenn Buben einen Turm bauen, werden sie dafür gelobt. Mädchen hören hingegen, wie brav sie sind und wie hübsch sie aussehen“, so Scambor. Das setzt sich in der Schule fort. Buben sind stolz auf ihre Erfolge. Mädchen führen andere Gründe für gute Noten an, wie eine leichte Schularbeit. Die Wissenschafterin fordert, dass das Lehrpersonal auf Genderfragen sensibilisiert wird. Für den schulischen Erfolg oder Misserfolg gibt es mehr Variablen als nur das Geschlecht. Das Bildungsniveau der Eltern oder die Herkunft spielt bei den Early School Leavers, also den 18- bis 24-Jährigen ohne Sekundarschulabschluss, eine zentrale Rolle. „Der Gap ist am größten zwischen Jungs mit und ohne Migrationshintergrund. Österreich ist hierbei im europäischen Vergleich fast Schlusslicht“, sagt Scambor. Hier brauche es mehr Angebote. 

Kein „Frauengesetz“
Elternteilzeit, Papamonat, Väterkarenz: In den letzten Jahren gab es gesetzliche Regelungen, um Männern mehr Zeit mit ihren Familien zu ermöglichen. Nadja Bergmann von L&R-Sozialforschung untersucht, wie solche Angebote in männerdominierten Berufen wie etwa in der Produktion oder am Bau wahrgenommen werden. Dort sei die Idee von einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer noch nicht angekommen. Es fehle schlicht an Informationen in den Betrieben. „Bei Frauen ist klar, dass sie in Mutterschutz und Karenz gehen. Bei Männern gibt es dieses Bewusstsein noch nicht“, stellt Bergmann fest. Viele Betriebe sehen den Anspruch auf Elternteilzeit als „Frauengesetz“.
Deshalb müsse Bewusstsein geschaffen werden, dass solche Gesetze für beide Elternteile gelten. Gesetzliche Anreize sind das eine, das andere sind eine entsprechende Kommunikation und neue Konzepte: Wie sieht es mit der Überstundenkultur aus? Kann Schichtarbeit nicht auch familienfreundlicher gestaltet werden?

Ingrid Moritz leitet die Abteilung „Frauen und Familie“ in der AK Wien. Für sie ist es wichtig, dass Ansprüche wie der Papamonat auch arbeitsrechtlich im Betrieb durchgesetzt werden. Beim Kinderbetreuungsgeld kommen nun Verbesserungen, sagt Moritz. Wenn die PartnerInnen sich die Zeit der Kinderbetreuung annähernd gleich aufteilen, erhalten sie einen Bonus von 500 Euro pro Elternteil. In Kraft tritt die neue Regelung im März 2017. Für die AK-Expertin ist zudem wichtig, Männer in Sozial- und Bildungsberufe zu bringen. „Es macht einen großen Unterschied, wenn die Kinder im Kindergarten auch Männer sehen, die sich um sie kümmern. Das prägt sie für die Zukunft.“ Dieser Meinung ist auch Patrick Wikström, der seit September als Kindergartenhelfer im burgenländischen Bad Sauerbrunn arbeitet: „Die Eltern finden es gut, dass ihre Kinder hier ein männliches Vorbild haben.“ Manche hätten zu ihren Vätern nicht so viel Kontakt. „Es ist gut, das auszubalancieren.“
Nach Österreich zog der gebürtige Schwede der Liebe wegen: „Meine Frau hat in Schweden studiert, so haben wir uns kennengelernt.“ Vor seinem Engagement in Bad Sauerbrunn arbeitete Wikström in einem Wiener Kindergarten. Probleme mit seinen Mitmenschen hatte er wegen seiner Berufswahl nie: „In Wien sind sie vielleicht mehr daran gewöhnt, weil es dort mehr Kindergärten und männliche Kindergärtner gibt.“

Zusammenarbeit trägt Früchte
Institutionen von Männern und Frauen, die sich für Gleichstellung einsetzen, arbeiten vielfach zusammen. Das trägt Früchte. So gibt es etwa in Wien-Favoriten das Männergesundheitszentrum MEN. Es wurde im Jahr 2002 gegründet. Die Idee stammt von der Frauenberatungsstelle FEM, deren Dependance FEM Süd sich im gleichen Gebäude im Kaiser-Franz-Josef-Spital befindet. Männer, die ihre Partnerinnen dorthin begleitet haben, hatten sich damals ein ähnliches Angebot gewünscht. Vor vierzehn Jahren war es so weit. Heute arbeiten VertreterInnen von FEM und MEN in vielen Projekten zusammen. Der Standort am Krankenhausgelände ist praktisch: „Männer, die moderne Männlichkeit leben wollen, haben oft Angst, ausgelacht zu werden. Ein Krankenhaus ist ein seriöser Rahmen“, so MEN-Leiter Romeo Bissuti.

Väter und Kinder
Die Projekte sind vielfältig, sie reichen von Abnehmprojekten über Beziehungscoaching, Gewaltprävention und Berufstrainings bis hin zu „Papa macht mit“. „Väter lernen dabei neue Aktivitäten mit den Kindern, sie basteln, malen oder machen zusammen gesunde Smoothies“, erklärt Bissuti. Für einige Väter ist es das erste Mal, dass sie allein mit den Kindern solche Aktivitäten entdecken. Das Projekt fördert sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen. „Solche Tage sind ein schönes Erlebnis für Väter und Kinder“, betont Bissuti.
Markus Leich ist eine Ausnahmeerscheinung. Der gelernte Tourismusfachmann absolviert zurzeit an der FH-Campus Wien eine Ausbildung zur Hebamme. Medizin und Geburtshilfe haben ihn lange fasziniert. Er beschreibt sich als sozialen Menschen.

Ein moderner Mann
„Eine Geburt ist ein magischer Moment, man bekommt von den frischgebackenen Eltern so viel zurück“, erklärt der 32-Jährige. Bisher hat der gebürtige Deutsche positive Rückmeldungen erhalten. „Nach Medienberichten wurde ich von Frauen auf der Straße angesprochen, ob ich einmal die Geburt ihres Kindes begleiten könnte.“ Wichtiger als das Geschlecht ist für Markus Leich die Chemie zwischen Hebamme und Eltern.
Skepsis erlebt er bei TraditionalistInnen. „Die Vorstellung von einer Hebamme ist weiblich, weil man sie mit Einfühlsamkeit und Fürsorglichkeit verbindet. Das kann aber auch ein Mann sein.“ Wenn er seine Ausbildung im Jahr 2018 abgeschlossen hat, wird Markus Leich der erste Mann sein, der in Österreich diesen Beruf ausübt. Vielleicht wird es einmal nichts Ungewöhnliches mehr sein, wenn ein Mann Frauen bei der Geburt unterstützt. Oder anders ausgedrückt: dass weder die individuelle Berufswahl noch Gleichstellungspolitik eine Geschlechterfrage ist, sondern im Interesse aller.

Linktipps:
MEN Gesundheitszentrum
www.men-center.at
Dachverband für Männer in Österreich
dmoe-info.at

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