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Symbolfoto zu Pflegeausbildung neu geregelt Leider wurde die neue Pflegeausbildung vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Kostensenkung diskutiert. Wenn man aber nur übers Geld redet, wird meist die Qualität verloren gehen oder darunter leiden.

Pflegeausbildung neu aufgestellt

Schwerpunkt Pflege und Gesundheit

Das Gesundheitssystem würde ohne Pflegekräfte zusammenbrechen. Nun wurde deren Ausbildung neu geregelt.

Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist wie eine Uhr: Nur wenn alle Teile richtig ineinandergreifen, funktioniert es auch. Und je besser die Qualität der Teile, desto problemloser läuft alles.

Ohne Pflege geht nichts
Wenn auf der Kinderstation in der Nacht ein kleiner Patient weint, wenn der Verband eines Patienten oder einer Patientin gewechselt werden muss oder die Medikamente gebracht werden müssen, dann sind es die Angehörigen der Pflegeberufe, die diese Arbeiten erledigen. Weite Teile des Gesundheitssystems würden ohne sie gar nicht funktionieren.

Erhöhter Bedarf
Nicht nur im Krankenhaus findet man Krankenpflegerinnen (so lautet das jetzt offiziell, die „Krankenschwester“ hat ausgedient)  und -pfleger. Auch in Pflegeheimen und im mobilen Dienst gibt es viel Pflegepersonal. Und es gäbe noch viele Bereiche mehr, in denen PflegerInnen tätig werden könnten.
Dazu aber bräuchte es mehr von ihnen. Auch die Entwicklung der Bevölkerung wird einen erhöhten Bedarf an Pflegepersonal bringen: Wenn es immer mehr ältere Menschen gibt, wird auch der Bedarf an gut ausgebildeten PflegerInnen steigen. Vor diesem Hintergrund ist die Neugestaltung der Pflegeausbildung grundsätzlich positiv.
Läuft alles wie geplant, wird die gehobene Gesundheits- und Krankenpflege ab dem Jahr 2024 nur noch akademisch an Fachhochschulen ausgebildet werden, die AbsolventInnen werden den Bachelor tragen. Neu geregelt wurde die Ausbildung des Pflegepersonals heuer im Sommer. Bisher gab es in der Ausbildung eine Zweiteilung der Pflegeberufe: die Pflegehilfe mit einer einjährigen Ausbildung und den gehobenen Dienst mit einer dreijährigen Ausbildung. Daraus wurde jetzt ein System mit drei Berufen gemacht: Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und der gehobene Pflegedienst mit Fachhochschulausbildung.

Pflegeassistenz wird wichtiger
Die eigentliche Tätigkeit am Krankenbett wird wohl von der Pflegeassistenz und der Pflegefachassistenz geleistet werden. Beide Berufsgruppen werden in Zukunft Tätigkeiten übernehmen, die bisher vom diplomierten Pflegepersonal durchgeführt wurden. Die Pflegeassistenz soll in allen Versorgungsformen und Versorgungsstufen eingesetzt werden können. Im Gesetz sind nun nicht mehr einzelne pflegerische Maßnahmen aufgelistet, die an die Assistenz delegiert werden können.

Gehobener Dienst delegiert mehr
Nun kann der gehobene Dienst allgemein pflegerische Maßnahmen an diese Berufsgruppe übertragen und muss diese nur mehr beaufsichtigen. Auch bei Notfällen sowie bei der Mitarbeit bei therapeutischen und diagnostischen Verrichtungen kommen weitere Tätigkeiten hinzu, beispielsweise die Blutentnahme aus der Vene bei Erwachsenen.
Man sollte glauben, dass zusätzliche Ausbildungsinhalte die Ausbildung verlängern. Dem ist aber nicht so: Die zusätzlichen Inhalte werden in die einjährige Ausbildungsdauer der derzeitigen Pflegehilfe hineingepresst, lediglich der hauswirtschaftliche Bereich wurde gestrichen. Ein gänzlich neuer Gesundheitsberuf ist die Pflegefachassistenz, die mit zweijähriger Ausbildungsdauer grundsätzlich zur eigenverantwortlichen Durchführung der ihr übertragenen pflegerischen und ärztlichen Tätigkeiten ohne verpflichtende Aufsicht berechtigt ist.
Für den Berufsalltag aller bereits tätigen Berufsangehörigen ist wichtig, dass sie neue Tätigkeiten nur dann übernehmen dürfen, wenn sie die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen. Wollen die Einrichtungen, dass sie derartige Tätigkeiten in Zukunft übernehmen, werden sie die entsprechenden Schulungen zur Verfügung stellen müssen.
Die Tätigkeitsbereiche der gehobenen Pflege werden ab sofort in Form von Kompetenzbereichen beschrieben. Sie umfassen pflegerische Kernkompetenzen und Kompetenzen bei medizinischer Diagnostik und Therapie. Dazu kommen Spezialisierungen, zum Beispiel für die Tätigkeit im Operationssaal. Sehr hart gerungen wurde um die verpflichtende Beibehaltung der verschiedenen Spezialisierungen, waren sie doch im ursprünglichen Begutachtungsentwurf nur als freiwillig vorgesehen. Eine weitere langjährige Forderung der Berufsgruppe wurde endlich auch aufgegriffen: die Möglichkeit für gehobene Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, Medizinprodukte weiter zu verschreiben. Vor allem für den Bereich der mobilen Pflege ist dies von essenzieller Wichtigkeit, musste doch bislang für eine einfache Verlängerung der Verschreibung von Pflegeprodukten immer der Arzt oder die Ärztin aufgesucht werden.
Der gehobene Dienst ist derzeit die tragende Säule des Krankenhausalltags. In Zukunft wird der Berufsalltag de facto aber anders aussehen. Es ist nämlich zu befürchten, dass die jetzt zuständigen Fachhochschulen deutlich weniger Ausbildungsplätze anbieten als die derzeit zuständigen Gesundheits- und Krankenpflegeschulen.

Höherqualifizierung mit Nachteilen
Sofern es nicht gelingt, hier gegenzusteuern, wird die Zahl des diplomierten Personals in Zukunft wesentlich geringer sein. Die verbleibenden Berufsangehörigen werden dann realistischerweise Führungs- und Kontrollaufgaben und einzelne Tätigkeiten im Bereich medizinischer Diagnostik und Therapie ausüben, die nicht an Assistenz oder Fachassistenz delegierbar sind.
Für die nunmehrigen Pflegestudierenden bringt die Umstellung auf FH-Ausbildung zwar mit der Höherqualifizierung einen Vorteil, doch es gibt auch Nachteile: Sie bekommen im Gegensatz zu früher kein Taschengeld mehr und müssen womöglich sogar Studiengebühren bezahlen. Was für die Träger der Ausbildungseinrichtungen wiederum einen Kostenvorteil darstellt. Außerdem ersparen sie sich Sozialversicherungsbeiträge.
Die Herausforderungen, die sich aus der Novelle ergeben, sind vielfältig und konnten hier nur angerissen werden. Um Überlastungen der Berufsangehörigen zu verhindern und die Qualität im Gesundheitssystem auch weiterhin hochzuhalten, wird es die Aufgabe der Gewerkschaften, BetriebsrätInnen und Arbeiterkammern sein, die Entwicklung genau zu beobachten.
Damit der Pflegeberuf auch in Zukunft ein attraktiver Beruf  bleibt, werden die Einrichtungen jedenfalls gut beraten sein, die höhere Verantwortung der Pflegekräfte durch eine deutlich bessere Entlohnung und vor allem auch durch mehr Personal auszugleichen. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn Dienstgeber vermehrt in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter z. B. durch eine großzügige Übernahme der Kosten beziehungsweise eine Zurverfügungstellung der Arbeitszeit investieren würden. Sind sie doch dann auch umfassender einsetzbar.

Kostensenkung im Zentrum
Leider wurde das neue Gesetz vorwiegend unter dem Gesichtspunkt einer Kostensenkung diskutiert. Etliche Spitalsbetreiber und vor allem die Bundesländer sind äußerst bestrebt, Tätigkeiten umzuschichten: von denjenigen, die eine hochqualifizierte Ausbildung genossen haben und daher besser entlohnt werden müssen, auf diejenigen mit kürzerer Ausbildung und daher geringerer Bezahlung.
Wenn man aber in der Gesundheitspolitik nur übers Geld redet, wird auf dem Weg zur Kostensenkung meist auch die Qualität verloren gehen oder zumindest darunter leiden.
Diese kurzsichtige Denkweise mag vielleicht in den nächsten Jahren einige Gesundheitsbudgets retten, führt aber wahrscheinlich bald zu einem Mangel an gut ausgebildeten Kräften. Wenn dann plötzlich ein „Pflegenotstand“ festgestellt wird, darf niemand überrascht sein.

Linktipp:
vida: Nein zu „schnell und billig“ bei Pflegeausbildung!
tinyurl.com/harscys
 
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