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Symbolbild zum Bericht: Raus aus der Schokoladen-Falle
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Raus aus der Schokoladen-Falle

Schwerpunkt Internationale Solidarität

Solidarität mit dem "globalen Süden" macht Sinn, immerhin verbinden ArbeitnehmerInnen da wie dort nicht nur gemeinsame Interessen.

Schokolade ist ein Massenprodukt. In verschiedenen Formen finden wir sie im Supermarkt und können es uns leisten, sie zu kaufen. Mehr als die Hälfte des Kakaos, der weltweit angebaut wird, stammt aus der Elfenbeinküste. Die meisten Schokoladeprodukte, die wir hierzulande kaufen, enthalten Kakao aus dieser Region. Während wir für die Schokolade einen leistbaren Preis zahlen, zahlen Menschen in der Region dafür einen hohen Preis.
Die ErntehelferInnen sind meistens Kinder und Jugendliche aus dem benachbarten Burkina Faso. Die Bäuerinnen und Bauern müssen von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben. Sie rechtfertigen den Einsatz von Kindern und Jugendlichen damit, dass sie es sich nicht leisten können, Erwachsene zu beschäftigen, weil die AbnehmerInnen ihnen keinen fairen Preis dafür bezahlen. Die Kinder und Jugendlichen werden, gelockt von der Hoffnung, ihre Familien finanziell unterstützen zu können, weitervermittelt. Es kann durchaus vorkommen, dass sie für ihre Leistungen nicht entschädigt werden. Darüber hinaus ist es auch nicht selten, dass sie Gewalt erfahren. Zumindest sind sie meist monatelang von ihren Familien getrennt. 

Arbeiten statt spielen und lernen
Dies hat zwei Auswirkungen: Einerseits gibt es weniger Arbeit für die Erwachsenen. Andererseits sind Kinder, die mit Lernen und Spielen beschäftigt sein sollten, schwersten Formen von Arbeit und Gewalt ausgesetzt. Gleichzeitig macht die kakaoverarbeitende Industrie, die sich auf einige wenige, aber sehr große Konzerne beschränkt, Millionengewinne. Soziale Verantwortung aber zeigen sie allzu selten. Was hat das mit uns zu tun? Auch Europa sieht sich mit Problemen konfrontiert, die aus der Globalisierung resultieren. Die Rechte von ArbeitnehmerInnen werden in vielen Ländern „flexibilisiert“, was gleichbedeutend mit ihrer Verschlechterung ist. Beispiele dafür sind etwa Frankreich, Italien oder Griechenland. Wenn es schon in Europa so schwierig ist, könnte man fragen: Warum sollten wir uns mit den Problemen anderer beschäftigen? Warum ist Entwicklungszusammenarbeit bzw. Solidarität wichtig, wenn das eigene Land oder der eigene Kontinent von Problemen gebeutelt wird?
Aufschlussreich dabei ist, einen Schritt zurückzugehen und zu fragen: Was bedeutet denn eigentlich Entwicklungspolitik? Bei der Gründung der NATO 1949 nahm der damalige US-Präsident Harry Truman zum ersten Mal den Begriff Entwicklungspolitik in den Mund. In einer Ansprache kündigte er an, Länder, die Unterstützung brauchen, sowohl militärisch als auch finanziell unterstützen zu wollen. Das erklärte Ziel: Freiheit und Sicherheit in den jeweiligen Ländern zu sichern. Auf der einen Seite war man damals geprägt von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Auf der anderen Seite hatte der Kalte Krieg schon längst begonnen. Die Entwicklungspolitik diente westlichen Ländern Jahrzehnte hinweg zur Durchsetzung der eigenen Interessen.
Zurück in die Gegenwart: Die Austeritätspolitik, die wir seit einigen Jahren in Europa erleben, wurde jahrzehntelang in Afrika durchgeführt. Länder im globalen Süden bekamen Geld von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds. Abgesehen von den Rückzahlungsplänen brachten die Kredite viele Auflagen mit sich: Kürzungen der sozialen Ausgaben, Flexibilisierung der ArbeitnehmerInnenrechte und sogenannte Strukturanpassungsprogramme. Diese neoliberalen Zugänge haben in ebendiesen Ländern ihre Spuren hinterlassen. Von den verlangten „Reformen“ haben vor allem Industrieländer profitiert – und einige wenige in den sogenannten Entwicklungsländern. Das Ziel der Entwicklung wurde jedenfalls verfehlt, die Armut ist im Gegenteil sogar durch diese Entwicklungspolitik gestiegen. 

Menschen- und Steuerflucht
Die Folgen dieser Politik und anderer Interessenpolitik sind derzeit in Europa spürbar. Menschen, deren Ursprungsländer zu lebensgefährlichen und menschenunwürdigen Orten werden, machen sich selbstverständlich auf die Suche nach „Lebensstandorten“, an denen sie sich eine Existenz aufbauen können. Ob sie jetzt Kriegsflüchtlinge oder WirtschaftsmigrantInnen genannt werden, ist letztlich sekundär. Denn ihre Heimat ist aufgrund der Interessenpolitik von außenpolitischen AkteurInnen zu einem nicht lebenswerten Ort geworden. Zugleich profitieren internationale Konzerne von fehlenden ArbeitnehmerInnenrechten oder Steuerbegünstigungen im globalen Süden und erzielen unvorstellbare Gewinne. Die allzu voreilig als „anders“ bezeichneten Menschen sind aber keine „Fremden“. Vielmehr sind sie KollegInnen und haben ähnliche Bedürfnisse wie alle ArbeitnehmerInnen: eine menschenwürdige Arbeit, ein friedliches Leben und soziale Sicherheit. Allein, in ihren Herkunftsländern werden diese Bedürfnisse nicht befriedigt, wenn nicht sogar ignoriert. Die Konsequenz ist jene Fluchtbewegung, deren ZeugInnen wir wurden und vermutlich weiterhin sein werden. Am besten lässt sich diese Situation dadurch verbessern, indem die Gegebenheiten in den Herkunftsländern verbessert werden. Da die Konflikte sehr komplex sind, muss auch die Bewältigung dieser sehr komplex sein. Einer der wichtigsten Schritte ist die Verbesserung der internationalen Arbeitsrechte.
Was können wir tun? Die Beantwortung dieser Frage ist vielseitig. Jedenfalls muss ein öffentliches Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie wichtig es ist, Solidarität mit den ArbeitnehmerInnen zu zeigen und bewusst zu konsumieren. Zurück zum Beispiel Schokolade: Um die Situation zu verbessern, wurde die europäische Kampagne „Make Chocolate Fair“ ins Leben gerufen. An dieser Kampagne haben sich diverse NGOs und Gewerkschaften beteiligt. 

Die Forderungen

  • Faire Bezahlung von Kakaobauern und -bäuerinnen und ihren Arbeiterinnen
  • Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte entlang der gesamten Kakao-Wertschöpfungskette und Ablehnung ausbeuterischer Kinderarbeit
  • Anwendung eines unabhängigen Zertifizierungs- und Kontrollsystems
    Unterstützung von Kakaobauern und -bäuerinnen bei der Umsetzung einer nachhaltigen und diversifizierten Landwirtschaft

Die Bewusstseinsbildung und der internationale Druck haben bereits Erfolge gezeitigt. Manche Firmen sind auf fair gehandelten Kakao umgestiegen. Damit die ArbeitnehmerInnen, die von dieser Ausbeutung betroffen sind, Chancen auf Verbesserung haben, ist es unabdingbar, dass sie sich organisieren können. In vielen Ländern der Welt ist es leider keine Selbstverständlichkeit, eine Gewerkschaft zu gründen. Gemeinsam mit ihnen müssen wir uns dafür einsetzen, dass das zu einer Normalität wird. Auch gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Regeln müssen sichergestellt werden. Solange Arbeits- und Menschenrechte den Profiten im Wege stehen, wird sich die Situation nicht ändern. Viele Firmen bekennen sich auf dem Papier zu sozialen und ökologischen Standards, aber es scheitert an der Umsetzung. Daher ist es wichtig, dass diese Standards überprüft werden und es bei Verstößen Konsequenzen gibt.
Zugleich haben wir als KonsumentInnen Möglichkeiten: In einer kapitalistischen Weltordnung, in der Produkte AbnehmerInnen finden sollten, kann auch durch bewussten Konsum politisch ein Zeichen gesetzt werden.
Gerade bei Schokolade, die nicht zu den Grundnahrungsmitteln gehört, können wir durch unser Konsumverhalten auch signalisieren, dass wir bei der Ausbeutung von KollegInnen nicht mitmachen. Einerseits kann man weniger Schokolade konsumieren, sie ist nicht überlebensnotwendig. Andererseits gibt es verschiedenen Zertifizierungen wie z. B. Fairtrade, bei denen sichergestellt ist, dass bestimmte Standards eingehalten werden.

Verpflichtung
Internationale Solidarität ist also nicht nur ein ideologischer Ansatz, sondern auf vielen Ebenen eine unerlässliche Handlungsverpflichtung. Wenn wir die ArbeitnehmerInnen international nicht in ihren Forderungen unterstützen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir mit den negativen Folgen unseres Nichtstuns konfrontiert sind. Dabei ist internationale Solidarität bisweilen ziemlich einfach. 

Linktipp
Europäische Kampagne für faire Schokolade:
at.makechocolatefair.org

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin banu.celik@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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