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Coverstory: Mehr gute Arbeitsplätze

Schwerpunkt Pensionen

Weil das Pensionssystem Schwächen hat, fordern WirtschaftsvertreterInnen weitere Kürzungen. Dabei werden jedoch Äpfel mit Birnen vermischt: Die eigentliche Baustelle ist der Arbeitsmarkt.

Es ist schon eine unangenehme Vorstellung: Man selbst ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, allein zu duschen. Vielleicht wird es sogar zur Herausforderung, es rechtzeitig auf die Toilette zu schaffen. Als wäre das alles nicht schon unangenehm genug, ist man noch dazu auf die Unterstützung einer anderen Person angewiesen. Diese leistet eine körperlich wie psychisch anstrengende Arbeit – und das in der privaten Pflege meist zu sehr bescheidenen Löhnen. Was also würde näher liegen, als diese Arbeiten von einem Roboter machen zu lassen?
Am weitesten geht man in der Hinsicht in Japan. Dort gibt es nicht nur Roboter, die Menschen beim Aufstehen unterstützen oder diese gar tragen können. Auch eine Lösung für die Intimpflege hat man entwickelt: In einer eiförmigen Wanne wird man mithilfe von Düsen gewaschen, ohne umfallen zu können. Im Übrigen hatte es die japanische Firma bereits in den 1970er-Jahren mit einer solchen Dusche für Privathaushalte auf dem Markt versucht. Durchgesetzt hat sich dies damals ebenso wenig wie heute, zu teuer ist die aktualisierte Version in der Pflege. Der Fantasie scheinen aber wenig Grenzen gesetzt. Andere Roboter sollen Menschen ihre Mobilität zurückgeben. Ein anderes Feld sind technische Geräte zur Sicherheit wie eine Bodenmatte, die ein Signal an die Station schickt, wenn eine Person aufsteht, ob aus dem Bett oder vom Sessel. Damit soll vermieden werden, dass die Menschen stürzen. So kann ein Pfleger oder eine Pflegerin schnell herbeieilen und zu Hilfe kommen. Selbst wenn Personal zu spät kommen sollte, ist so immerhin sichergestellt, dass die betroffene Person gleich versorgt werden kann, so dies nötig ist.
Manchen wird wohl bei der Vorstellung ein kalter Schauer über den Rücken laufen, sich in so sensiblen, weil intimen Bereichen von Robotern betreuen zu lassen. Zu groß scheint die Einsamkeit alter Menschen schon jetzt zu sein. Auch das Argument, dass damit weitere Arbeitsplätze vernichtet werden, ist nur schwer von der Hand zu weisen. Aber wäre es nicht sinnvoller, PflegerInnen für andere Tätigkeiten einzusetzen? Sie könnten sich mit den SeniorInnen beschäftigen, sich mit ihnen unterhalten, mit ihnen Karten spielen oder ihnen die Einsamkeit auf andere Arten nehmen. Was es dafür braucht, sind natürlich Konzepte. Diese wird es angesichts des demografischen Wandels aber ohnehin brauchen.

Momentan aber wird die Demografie eher in einem anderen Zusammenhang ins Spiel gebracht: die Finanzierbarkeit des Pensionssystems, besser gesagt, dessen angebliche Unfinanzierbarkeit. Hier wird gerne mit großen Zahlen jongliert. Mehr als zehn Milliarden Euro mehr sollen künftig notwendig sein, um die Pensionen zu sichern, lautet eine düstere Prognose. Auch wenn niemand den demografischen Wandel leugnen wird, so gibt es doch lautstarke Einwände gegen die Gleichsetzung „Je mehr alte Menschen, desto unsicherer die Pension“. Hier werden Äpfel mit Birnen vermischt, halten Erik Türk und Josef Wöss in ihrem Beitrag für das Buch „So sicher ist Ihre Pension“ fest. Allzu voreilig wird eine weitere Kürzung der Pensionen gefordert, während die eigentliche Herausforderung woanders liegt. Die beiden AK-Pensionsexperten finden dazu klare Worte: „It’s the Arbeitsmarkt, stupid!“

Beschäftigung schaffen
Es kommt eben nicht nur auf die Anzahl von jungen und alten Menschen an, wie es in der politischen Debatte meist verkürzt dargestellt wird. Zentral ist vielmehr das Verhältnis zwischen PensionistInnen und Arbeitslosen auf der einen Seite und BeitragszahlerInnen auf der anderen. Im sogenannten Abhängigkeitsquotenrechner hat die AK diesen Zusammenhang rechnerisch belegt. Wenn man also dafür sorgt, dass möglichst viele Menschen arbeiten können, bleibt das System finanzierbar. Bestätigt wird diese These von niemand Geringerem als der EU-Kommission. In ihrem Demografie-Report 2008 hält sie fest: „Die Anhebung der Beschäftigungsquoten ist die effektivste Strategie, mit der sich Länder auf die Alterung der Bevölkerung vorbereiten können.“
Allerdings kommt es nicht nur auf die Anzahl an Arbeitsplätzen an, sondern auch auf deren Qualität. „Mehr und bessere Arbeitsplätze sind die beste Antwort, wenn es darum geht, die Relation zwischen Pensionisten und Erwerbstätigen trotz massiver Verschiebung der Altersstruktur im Lot zu halten“, so Türk und Wöss. Der Trend aber geht in eine völlig andere Richtung, Stichwort Prekarisierung. Die Pflegekräfte sind dafür ein gutes Beispiel. Im Jahr 2007 wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem die 24-Stunden-PflegerInnen legalisiert wurden. Die meisten von ihnen kamen schon damals aus Osteuropa, die meisten waren illegal beschäftigt. Nun sind sie Selbstständige mit Gewerbeschein. Dies war ohne Zweifel ein wichtiger Fortschritt, weil sie nun angemeldet und damit auch sozial abgesichert sind, Pension inklusive. Auf der anderen Seite aber sind sie weiterhin schlecht bezahlt, und das obwohl sie nicht nur eine körperlich wie psychisch schwere Arbeit verrichten, sondern noch dazu zu völlig entgrenzten Arbeitszeiten haben.

Trotz dieser sehr prekären Situation wird die Pflege gerne als Jobmotor der Zukunft genannt. Das ist keineswegs falsch, schließlich ist abzusehen, dass es in diesem Feld auf lange Perspektive mehr denn weniger zu tun geben wird. Dazu kommt, dass Investitionen in soziale Dienstleistungen nicht zuletzt Frauen entlasten, da diese etwa Pflege oder Kinderbetreuung nicht mehr privat organisieren müssen. Damit können auch sie wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Zugleich arbeiten in diesen Bereichen viele Frauen. Win-win also? Jedenfalls dann nicht, wenn man auch hier wieder den Maßstab anlegt, dass es nicht nur auf die Anzahl der geschaffenen Jobs, sondern auch auf deren Qualität ankommt. Eben diese Qualität müsste sich dann auch in der Bezahlung widerspiegeln. Die vergleichsweise geringe Bezahlung aber passt so gar nicht zu einem Beruf, der als zukunftsträchtig angepriesen wird. Und um zurück zu den Robotern zu kommen: Wenn diese auch noch viele Tätigkeiten übernehmen, gehen erst wieder Arbeitsplätze verloren, wovon Frauen verhältnismäßig stärker betroffen sind. Nicht nur das, es stellt sich erst recht die Frage, wo denn nun die Arbeitsplätze herkommen sollen, die das Pensionssystem finanziell auch weiter absichern sollen?

Man kann die Geschichte aber auch aus einem anderen Winkel betrachten: Genau in diesem Bereich besteht großes Potenzial für Innovationen. Vorsicht ist auch hier angebracht, denn so mancher Job in der Forschung und Entwicklung ist ebenfalls prekär. Der Trend zur Prekarisierung ist nicht auf Österreich beschränkt: Mehr als 50 Prozent der seit 1995 in den OECD-Ländern neu geschaffenen Arbeitsplätze sind prekär, hält etwa Eva Belabed von der OECD fest (siehe auch „Löchriger Schutzschild“, „Mehr Schein als Sein im Prekariat“, „Pension? Das ist schwierig“). Da ein Grundprinzip der österreichischen Pensionsversicherung die sogenannte „Lebensstandardsicherung“ ist, ist die Pension gerade für prekär Beschäftigte in der Tat ein Unsicherheitsfaktor. Denn wer wenig verdient, erhält später entsprechend weniger Pension. Geradezu absurd mutet vor diesem Hintergrund die von Wirtschaftsseite propagierte Lösung an, stärker auf kapitalgedeckte Systeme zu setzen. Denn wer schon im staatlichen Pensionssystem aufgrund von geringen Löhnen und Gehältern Gefahr läuft, in die Armutsfalle zu geraten, dem wird es mit einer privaten Versicherung auch nicht besser gehen, ganz im Gegenteil.
Die Prekarisierung hat aber noch eine weitreichendere Wirkung: „Diese Flexibilisierung der Erwerbsarbeit wird dazu führen, dass die Mindestsicherungselemente wichtiger werden. Diese Flexibilisierungskosten werden damit langfristig auf den Staat und damit die Steuerleistenden überwälzt“, so WIFO-Expertin Christine Mayrhuber. Noch dazu fehlen dem Versicherungstopf wertvolle Einnahmen, denn wer weniger verdient, zahlt auch weniger ein.

Erwünschtes System
Ist es also doch marod, das Pensionssystem? Es ist nicht so krank, wie es gerne hingestellt wird, hält David Mum fest. Der Leiter der Grundlagenabteilung der GPA-djp verweist darauf, dass die Pensionsausgaben zurzeit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt bei 14 Prozent liegen und bis 2035 nur um 0,7 Prozent steigen werden. WIFO-Expertin Mayrhuber bringt noch einen weiteren Aspekt in die Kosten-Diskussion ein: Ein Sozialstaat spiegelt sich auch im Pensionssystem wider. So sind Kranken-, Rehabilitations- oder Arbeitslosengeld pensionsrechtlich relevante Versicherungszeiten. Sprich obwohl die Betroffenen mangels Beschäftigung keine Beiträge zahlen, werden diese Zeiten bei ihrer Pension berücksichtigt. Der Bund kommt auch für Kindererziehungsersatzzeiten oder Hinterbliebenenleistungen auf. „Diese Steuermittel sind erwünscht und müssen in einem sozialen System Platz haben“, betont Christine Mayrhuber.
David Mum fasst seine größte Befürchtung folgendermaßen zusammen: Im Glauben, das Pensionssystem zukunftsfit zu machen, verschlechtert man es so sehr, dass die Leistungen den Jungen später keine gute Absicherung mehr gewährleisten. Er verweist darauf, dass Deutschland vor fünfzehn Jahren die öffentlichen Pensionen stark gekürzt hatte und der Fokus auf die private Vorsorge gelegt wurde. „Jetzt stehen sie vor dem Problem, dass das Pensionsniveau nur halb so hoch sein wird wie in Österreich und Altersarmut auch für Leute droht, die jahrzehntelang gearbeitet haben. Steuerliche Förderungen im Privatpensionssystem hätten nichts verbessert. Dementsprechend wäre es gut, wenn wir in Österreich diesen Fehler gar nicht erst machen würden“, sagt Mum.
In Österreich sind in den letzten Jahren zahlreiche Reformen beschlossen worden: „Bei der Pensionsberechnung zählt nun jedes einzelne Versicherungsjahr, früher waren es nur die besten Jahre“, zählt AK-Experte Wöss auf. „Der Zugang zu Frühpensionen wurde massiv erschwert. Bei Pensionsantritt vor dem Regelpensionsalter gibt es nun hohe Abschläge, bei späterem Antritt hohe Zuschläge. Die Anpassung der laufenden Pensionen erfolgt nur mehr mit der Inflationsrate.“
Außerdem wird das Frauenpensionsalter langfristig an das der Männer angeglichen und die BeamtInnenpensionen an die Angestellten-Pensionen angepasst. Dazu kommen Maßnahmen zur Prävention von Invaliditätspensionen, neuerdings gilt etwa der Grundsatz Reha vor Pension.

Arbeitslosigkeit bekämpfen
Viele dieser Reformen zeigen Wirkung. So steigt das Pensionsantrittsalter, während die Zahl der vorzeitigen Alterspensionen sinkt. Das wirkt sich allerdings auch auf die Arbeitslosigkeitsstatistik aus – und zwar negativ. So ist die Arbeitslosigkeit der ArbeitnehmerInnen über 50 um 76 Prozent gestiegen, jene der 50- bis 55-Jährigen ist gar um 110 Prozent angewachsen. Dadurch wird die angestrebte Erhöhung des Pensionsantrittsalters für viele zur Makulatur. Wie man es also dreht und wendet: Die große Baustelle sind nicht die Pensionen, vielmehr ist es der Arbeitsmarkt. AK-Experte Wöss mahnt vor diesem Hintergrund: „Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Tendenz zu Prekarisierung einzudämmen, dann werden wir sehr viele Probleme haben, auch bei den Pensionen.“

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sonja.fercher@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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