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Symbolbild zum Bericht Die Senkung der Sozialabgaben ist eine Gefahr für den Sozialstaat. Deshalb fordern ÖGB und AK eine Erhöhung der Negativsteuer.

Die gerechtere Negativsteuer

Schwerpunkt

Was gegen eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Menschen mit niedrigen Einkommen spricht und wie man diese Gruppe besser entlasten sollte.

Derzeit wird in Österreich über eine Steuerreform diskutiert. Die jüngsten Daten der Lohnsteuerstatistik 2013, wonach die Bruttoeinkommen um 2,9 Prozent, die Lohnsteuereinahmen jedoch im gleichen Zeitraum um 4,8 Prozent gestiegen sind, zeigen, wie wichtig eine steuerliche Entlastung der ArbeitnehmerInnen ist. Das von ÖGB und AK vorgelegte Konzept sieht ganz bewusst eine Senkung der Lohnsteuer und eine Erhöhung der Negativsteuer vor – und keine Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge. Deren Senkung würde nämlich unweigerlich die finanzielle Situation der Sozialversicherung verschlechtern und in weiterer Folge zu Leistungskürzungen führen.

Erhöhung der Negativsteuer
BefürworterInnen argumentieren häufig, dass dadurch NiedrigverdienerInnen entlastet werden. Diese Personengruppe habe von einer Steuerreform nichts, da sie ja nicht lohnsteuerpflichtig ist. Das Ziel, dass auch diesen Menschen netto mehr bleibt, ist zu unterstützen. Dieses kann man jedoch auch auf einem anderen Weg erreichen: nämlich durch eine Erhöhung der Negativsteuer. Die Negativsteuer ist eine Gutschrift, die ArbeitnehmerInnen erhalten, wenn sie so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, und eine ArbeitnehmerInnenveranlagung machen. Die Gutschrift beträgt nach der derzeitigen Rechtslage zehn Prozent der ArbeitnehmerInnenbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, höchstens jedoch 110 Euro im Jahr. In der Praxis ist die Negativsteuer besonders relevant für Teilzeitbeschäftigte, Lehrlinge und FerialpraktikantInnen. Im Steuerkonzept von ÖGB und AK ist vorgesehen, dass die Negativsteuer von derzeit 110 Euro auf 450 Euro im Jahr erhöht wird. Auf diese Weise würde es gelingen, Menschen mit niedrigem Einkommen im Zuge der Steuerreform zu entlasten, ohne dass man die ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung senkt.

Rote Zahlen drohen
Die ArbeitnehmerInnen zahlen Sozialversicherungsbeiträge für die Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung (sowie die Arbeiterkammerumlage und den Wohnbauförderungsbeitrag). In der Arbeitslosenversicherung gibt es eine Ausnahmeregelung, nach der schon derzeit ArbeitnehmerInnen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen bis zu 1.246 Euro keinen ArbeitnehmerInnenbeitrag zahlen, obwohl sie Ansprüche erwerben. Eine Reduzierung des Beitrages zur Kranken- und Pensionsversicherung würde zwangsläufig die finanzielle Situation der jeweiligen Sozialversicherungsträger verschlechtern. Konkret würde dies für den Bereich der Pensionsversicherung bedeuten, dass automatisch mehr Steuermittel zur Finanzierung der laufenden Pensionen beigesteuert werden müssten – und die Krankenversicherung, die erst seit relativ kurzer Zeit keine Verluste mehr hat, würde wieder rote Zahlen schreiben. Würde man den ArbeitnehmerInnenbeitrag zur Arbeitslosenversicherung auch für monatliche Bruttoeinkommen über 1.246 Euro senken, würde dies automatisch zu einer Reduzierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen führen, was jedoch gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit absolut kontraproduktiv ist.

Ansprüche
Die Senkung der ArbeitnehmerInnenbeiträge wird derzeit im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über eine Steuerreform diskutiert. Die Sozialversicherung unterscheidet sich aber in einem ganz grundsätzlichen Punkt von der Steuer: Aufgrund der Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen erwirbt man Ansprüche wie z. B. den Rechtsanspruch auf eine Pensionsleistung, Krankengeld, Wochengeld, die Kosten der Arztbesuche und der Medikamente (außer der Rezeptgebühr) werden von der Krankenkasse übernommen. Der Zahlung von Lohn- oder Einkommensteuer hingegen stehen keine derartigen Ansprüche gegenüber.
Bis zu einer Steuerbemessungsgrundlage von 11.000 Euro im Jahr zahlt man als ArbeitnehmerIn keine Lohnsteuer, sondern nur Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von circa 15 Prozent. Diese Belastung mag subjektiv als hoch empfunden werden, insbesondere weil man ein niedriges Einkommen hat. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass man im Gegenzug zu den Beiträgen auch gesetzliche Ansprüche erwirbt.
Von der Forderung nach einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge geht eine indirekte Gefahr für den Sozialstaat aus. Schon jetzt fordern manche z. B. Selbstbehalte bei Arztbesuchen und/oder eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Andere wiederum machen sich für eine sogenannte Pensionsautomatik stark, also die Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung. Der ÖGB lehnt eine solche Automatik ab, da für die Menschen ganz wesentliche Entscheidungen, wie es das Pensionsantrittsalter oder das Leistungsniveau der gesetzlichen Pensionsversicherung sind, von der Politik und nicht von einem Computer entschieden werden sollten. In der Praxis hätte ein späteres gesetzliches Pensionsantrittsalter für viele Menschen höhere Abschläge und somit eine wesentlich geringere Pension zur Folge. Besonders jüngere Menschen wären von einer Pensionsautomatik stark betroffen, und es ist daher auch nicht erstaunlich, dass laut einer OGM-Umfrage 77 Prozent der unter 30-Jährigen diese ablehnen.

Rechtfertigung für Sozialabbau
Wenn aufgrund einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge weniger Geld zur Verfügung stünde, ist klar, dass die Rufe nach Selbstbehalten für Arztbesuche oder/und nach einer Pensionsautomatik lauter werden und sich der politische Druck, Leistungen der Sozialversicherung zu reduzieren, massiv erhöhen würde. Natürlich sagt niemand, der für eine Senkung der ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung eintritt, dass gleichzeitig auch das österreichische System der sozialen Sicherheit reduziert werden soll. Manche mögen wirklich das Ziel verfolgen, niedrige Einkommen zu entlasten. Bei anderen, etwa der Wirtschaftskammer oder der Industriellenvereinigung, die immer für eine Reduzierung der Sozialleistungen eingetreten sind und nun auch die Senkung der ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung zum Thema machen, ist jedoch Vorsicht geboten. Es ist eher davon auszugehen, dass es diesen Menschen weniger um die Entlastung der NiedrigverdienerInnen geht, sondern vielmehr darum, mit einem neuen Thema von der aktuellen Diskussion um eine Steuerreform und eine Vermögensbesteuerung abzulenken.
Würden sie eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge erreichen, hätten sie sich mit zwei Anliegen durchgesetzt: Die finanzielle Situation der Sozialversicherungssysteme würde sich erstens verschlechtern und zweitens könnten sie viel leichter argumentieren, dass man die Sozialversicherungsleistungen kürzen oder privatisieren muss. Weiters könnten sie behaupten, dass eine Steuerreform in einem weitaus geringeren Ausmaß notwendig ist, da die ArbeitnehmerInnen durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge bereits netto entlastet wurden. Der Effekt wäre, dass eine Vermögensbesteuerung aus budgetären Gründen weniger dringend erscheinen würde. Damit hätten sie ihre Ziele erreicht: keine Diskussion über eine Vermögensbesteuerung, sehr wohl aber über die Reduktion von Sozialleistungen.

Anstieg des Konsums
Natürlich muss man bei einer Steuerreform, die eine Tarifsenkung vorsieht, auch über eine Gegenfinanzierung nachdenken. Teilweise finanziert sich eine Steuerreform von selbst, wenn man kleinere und mittlere Einkommen entlastet, da dies zu einem Anstieg des Konsums führt und dadurch wiederum Impulse für Produktion und Beschäftigung ausgelöst werden. Im ÖGB/AK-Modell ist unter anderem vorgesehen, dass durch die Besteuerung großer Vermögen, Erbschaften, Schenkungen und Stiftungen zwei Milliarden Euro gegenfinanziert werden. Dies ist vor allem deshalb gerecht, weil Österreich im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Staaten beim Anteil der vermögensbezogenen Steuern am gesamten Steueraufkommen fast Schlusslicht ist ( EU-15-Durchschnitt 5,3 Prozent, Österreich 1,3 Prozent), dafür bei arbeitsbezogenen Steuern und Abgaben jedoch im obersten Spitzenfeld der EU. 
 
Webtipp:
Weitere Infos finden Sie unter
www.lohnsteuer-runter.at/modell.php

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin dinah.djalinous-glatz@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at 

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