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Symbolbild zum Bericht Charakteristisch für das Arbeitsleben der Frau wurde ein ständiger Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit, unterschiedlichsten industriellen Hilfstätigkeiten, Heimarbeit, Gelegenheitsarbeiten und privatem Haushalten.
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Käthe Leichter

Schwerpunkt

Die Gründerin des Frauenreferats der AK Wien war Österreichs erste feministische Ökonomin. Sie war regelmäßige Autorin der "Arbeit&Wirtschaft".

Käthe Leichter, Sozialistin, Austromarxistin und Ökonomin, zählt zu den bekanntesten österreichischen Widerstandskämpferinnen. Im Gegensatz zu vielen anderen gerieten sie und ihr politisches und theoretisches Schaffen nicht (vollständig) in Vergessenheit. Bis zum Verbot und zur Auflösung und Verfolgung durch den Austrofaschismus im Jahr 1934 ist sie in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei aktiv und anschließend im Rahmen der von ihr mitbegründeten revolutionären Sozialisten im Untergrund tätig. 1940 wird sie verraten, in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert und 1940 im Zuge eines Euthanasieprogrammes in der Anstalt Bernburg/Saale ermordet.

Studierte Volkswirtschaft

Käthe Leichter zählt zu den allerersten Frauen in Österreich, die – wenngleich über eine Ausnahmeregelung, denn das reguläre Studium war Frauen an der juridischen Fakultät in Wien bis 1919 noch untersagt – Volkswirtschaft studiert haben. Ihre Promotion muss sie aus diesem Grund noch in Deutschland ablegen, in Heidelberg bei Max Weber, mit ausgezeichnetem Erfolg. Nach ihrem Studium ist sie u. a. bei Otto Bauer in der Staatskommission für Sozialisierung tätig und Fragen nach wirtschaftlichen Alternativen zum Kapitalismus werden sie bis in die 1930er-Jahre begleiten. Entsprechend ihrer Funktion als Leiterin des Frauenreferats der Arbeiterkammer Wien, welches sie 1925 gegründet hatte, liegt einer ihrer Themenschwerpunkte beim Arbeitsleben der Frau und ihre wirtschaftlichen Analysen konzentrieren sich auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Aus einer feministisch-ökonomischen Perspektive sind aus ihrer dortigen Tätigkeit zumindest vier Punkte von besonderem Interesse: die Gründung der Frauenbeilage der Zeitschrift Arbeit und Wirtschaft, die Herausgabe des „Handbuchs der Frauenarbeit in Österreich“, welches lange Zeit als Standardwerk galt, sowie die von ihr 1930 durchgeführte Studie „So leben wir … 1320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben“. Diese Studie ist vor allem aufgrund der engen thematischen Verknüpfung der Lebensbereiche Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Freizeit besonders beachtenswert. Viertens befassen sich zwei ihrer in der Arbeit und Wirtschaft erschienenen Artikel explizit mit den Auswirkungen der Krise auf die Situation von Frauen am Arbeitsmarkt. Im Artikel „Frauenarbeit und Wirtschaftskrise“ stellt sie die Krisenauswirkung auf Frauen für die Jahre 1924 bis 1926, dem vorläufigen Höhepunkt der Wirtschaftskrise, dar und ihr Artikel „Frauen im Zeichen der Rationalisierungskrise“ beschreibt die Situation von 1930.

Änderungen des Arbeitsmarkts

Retrospektiv betrachtet stellt die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1931 die wirtschaftlichen Entwicklungen des Nachkriegsjahrzehnts in den Schatten. Folgt man Leichters Analysen, waren jedoch auch diese Jahre durch massive strukturelle Änderungen des Arbeitsmarktes, vor allem getrieben durch den voranschreitenden technischen Fortschritt und die damit einhergehende Rationalisierung – von ihr auch als Rationalisierungskrise beschrieben –, und krisenhafte Erscheinungen geprägt. Auf die Hyperinflation und einen kurzen inflationsgetriebenen wirtschaftlichen Aufschwung zu Beginn der 1920er-Jahre folgt die Stabilisierungskrise. Dem vor dem Bankrott stehenden Österreich wurde von internationaler Seite Kredit (Völkerbundanleihe) nur unter der Auflage massiver Sparmaßnahmen gewährt. Zu diesen gehörte unter anderem der Abbau von Staatsbediensteten, von dem vor allem auch Frauen betroffen waren.

Das Jahr 1926 stellt einen vorläufigen Höhepunkt der Wirtschaftskrise dar und die konjunkturell besser verlaufenden Jahre 1927 und 1928 bringen nur eine kurze Erholung vor dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise. „Überall zeigt es sich, daß gerade die Frauen Konjunkturschwankungen am stärksten und raschesten zu fühlen bekommen.“ Als krisenspezifische Auswirkungen auf Frauen am Arbeitsmarkt finden sich in Leichters Analysen folgende Punkte1: Von der steigenden Arbeitslosigkeit sind Frauen deshalb oft stärker betroffen, weil diese eher entlassen werden als Männer, da Unternehmen „in Zeiten sinkender Konjunktur die besser geschulten Kräfte trotz höherer Löhne zurückbehalten“. Bezüglich der Rationalisierungseffekte hält sie jedoch fest, dass sich diese typischer Weise in zwei Wellen vollziehen. Sie treffen zuerst verstärkt die Männer an ihren Facharbeitsplätzen und dann mit weiter voranschreitender Technologisierung umso mehr auch die Frauen mit ungelernten und einfach angelernten Tätigkeiten. Für die arbeitslos gewordenen Frauen bringen die Rationalisierung und die Wirtschaftskrise „gesundheitsschädlichen Hunger“, für jene Arbeiterinnen, die in Arbeit bleiben, führt die angespannte wirtschaftliche Lage zu einer zunehmenden  Arbeitsverdichtung2 und einem steigenden Lohndruck3. Diese drei Gründe zusammen genommen inklusive dem Bestreben von Unternehmen, bei Betriebsausstattung und Löhnen Kosten zu sparen, tragen in weiterer Folge zu einer Zunahme an Unfällen4  – auch tödlichen – und allgemeinen wie berufsspezifischen Krankheiten5  bei. Des Weiteren verstärkten Krisentendenzen6 antifeministische Argumentationen gegen die Frauenarbeit insgesamt, insbesondere über die erstarkende Debatte gegen DoppelverdienerInnen, womit meist erwerbstätige Ehefrauen gemeint waren. Dies auch in den eigenen Reihen.

Ein neuer „Arbeiterinnentypus“

Die zwölf Jahre nach Kriegsende gingen mit einer ständigen Ausdehnung der Frauenerwerbstätigkeit einher und zugleich vollzog sich eine Verschiebung von der Landwirtschaft zur Industrie sowie von selbstständiger zu unselbstständiger Arbeit. Resümierend stellt Käthe Leichter fest, dass es durch wirtschaftlichen Strukturwandel und Krise zur Herausbildung eines neuen „Arbeiterinnentypus“ kam. War es früher für die Frau noch üblich, zwischen dem Status als Berufsarbeiterin, Hausfrau und Mutter zu wechseln, so zwingt die „fortwährende wirtschaftliche Existenzunsicherheit“ die Frauen dazu, diese Funktionen dauerhaft zu vereinbaren. Für die Arbeiterin der frühen 1930er-Jahre ist es typisch, „wohl ständig im Beruf, doch in keinem Beruf zuhause“  zu sein. Charakteristisch für das Arbeitsleben der Frau wurde ein ständiger Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit, unterschiedlichsten industriellen Hilfstätigkeiten, Heimarbeit, Gelegenheitsarbeiten und privatem Haushalten (vgl. ebd.).

Mut zu Utopien

Die Forderungen Käthe Leichters in Hinblick auf die Arbeitssituation von Frauen am Arbeitsmarkt spannen in Summe ein weites Spektrum auf. Sie reichen von sehr pragmatischen Forderungen wie mehr Schutz der weiblichen Arbeitskraft, dem Ausbau der weiblichen Gewerbeinspektion oder einer paritätischen Arbeitsvermittlung über die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit und Arbeitszeitverkürzung – gerade in Zeiten der Krise – bis hin zu mehr Mut zu Utopien, um dem krisengebeutelten Kapitalismus konkrete Alternativen  entgegenstellen zu können. 

Aufgrund von Käthe Leichters enger Verknüpfung ökonomischer, politischer und frauenspezifischer Fragestellungen in ihrer politischen und theoretischen Arbeit kann sie zu Recht als erste feministische (studierte) Ökonomin bezeichnet werden.

1 Leichter 1930, S. 433
2 Leichter 1930, S. 433
3 Leichter 1931a, S. 803
4 Leichter 1926, S. 841
5 Leichter 1930, S. 438
6 Leichter 1931b, S. 510

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin kaethe.knittler@univie.ac.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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