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Arbeit unter Druck Psychische Belastungen sind "… alle Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken".
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Arbeit unter Druck

Schwerpunkt

Bei der neu eingeführten Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz sind Betriebsräte und Sicherheitsvertrauenspersonen wichtige Partner.

Seit 1. Jänner 2013 regelt die Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) die Ermitt-lung und Beurteilung psychischer Belastungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz. Dabei sind Arbeits- und Organisationspsychologinnen/-psychologen einzubeziehen. Sie haben das Wissen, um die Evaluierung planen, durchführen und bei der Ableitung passender Maßnahmen zielführend beraten zu können. Auch Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP) und Betriebsräte sind wichtige Partner bei diesem Prozess.

3,3 Mrd. Kosten

In der Arbeitswelt nehmen psychische Belastungen, Gefährdungen und Krankheiten zu. Psychiatrische Krankheiten bei Beschäftigten sind enorm angestiegen. Unter den Ursachen für Krankenstände liegen sie an dritter Stelle, noch vor den Arbeitsunfällen. Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischer Belastungen dauern länger, die gesamtwirtschaftlichen Kosten belaufen sich auf rund 3,3 Mrd. Euro jährlich.1
Psychische Belastungen sind „… alle Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (ÖNORM EN ISO 10075-1). Sie verursachen nicht nur psychische Störungen und Erkrankungen, sondern verstärken auch andere Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen, Magenbeschwerden, Schlafstörungen, Diabetes. Die Ursachen psychischer Belastungen sind häufig:

  • Zunehmender Leistungs- und Konkurrenzdruck,
  • Arbeitsverdichtung,  Zeit- und Termindruck,
  • Wiederholung immer gleicher Arbeitsvorgänge,
  • Informationsmangel oder -überflutung,
  • knappe Personalbemessung,
  • Verwischen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit,
  • häufige Umstrukturierungen, Angst vor Arbeitsplatzverlust,
  • fehlende Handlungsspielräume und mangelnde Beteiligungsmöglichkeiten,
  • isoliertes Arbeiten ohne Möglichkeit zu sozialen Kontakten.

Wie ist vorzugehen?

Die Arbeitsplatzevaluierung ist ein Prozess, der der ständigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen dient. Er umfasst für die Evaluierung psychischer Belastungen folgende Schritte:
1. Start: Informationen sammeln, interne Steuerungsgruppe einrichten (Beteiligung von Fachleuten, z. B. Arbeitspsychologin/-psychologe, ArbeitsmedizinerIn, Sicherheitsfachkraft sowie betriebliche Entscheidungspersonen, SVPs und Betriebsrat etc.).
2. Konzept: Festlegen, mit welchem standardisierten Verfahren wann, durch wen Belastungen für welche Organisationsbereiche bzw. Tätigkeitsgruppen erfasst werden und wie der Ablauf im Detail erfolgt.
3. Information: Führungskräfte und ArbeitnehmerInnen sind vorab über Ziele und Ablauf zu informieren.
4. Ermittlung: Durchführung einer Erhebung mit standardisiertem und geeignetem Verfahren nach ÖNORM EN ISO 10075-3 (geprüfte arbeitspsychologische Diagnoseverfahren wie schriftliche Befragung, Einzel- oder Gruppeninterviews, Beobachtung). Teil der Evaluierung sind Arbeits-aufgaben Art der Tätigkeiten, Arbeitsumgebung und Arbeitsraum, Arbeitsabläufe sowie Arbeitsorganisation.
5. Beurteilung: Bewertung der Ergebnisse entsprechend der Verfahrensvorgaben.
6. Maßnahmen: Vertiefte Analyse konkret negativ belastender Arbeitssituationen (z. B. durch Einzel- oder Gruppengespräche, Beobachtung), um ursachenbezogene und kollektiv wirksame Maßnahmen abzuleiten.
7. Dokumentation: Festgestellte psychischen Gefährdungen und die Maßnahmen im Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument festhalten.
8. Umsetzen und Prüfen: Die Wirksamkeit der Maßnahmen muss geprüft werden. Die Evaluierung muss regelmäßig wiederholt und angepasst werden.

Worauf ist zu achten?

Bei der Sicherung der Qualität spielen SVP und Betriebsrat eine wichtige Rolle. Darauf ist zu achten:
1. Die Evaluierung ist eine Pflicht des Arbeitgebers und muss unabhängig von konkreten Problemen durchgeführt werden.
2. Betriebsrat und SVP sind in alle Phasen der Evaluierung und Maßnahmenableitung einzubeziehen. Die Beschäftigten sind zu informieren.
3. Die Methoden müssen tatsächlich arbeitsbezogene psychische Belastungen erfassen und nicht Arbeitszufriedenheit, Burn-out, Ernährungs- oder Bewegungsverhalten. Dabei sind die Standards der ÖNORM EN ISO 10075-3 einzuhalten. Selbst erstellte Fragebögen oder Kombinationen aus unterschiedlichen Verfahren dürfen nicht eingesetzt werden. Tipp: Eine gewisse Sicherheit über Methoden bietet die deutsche Toolbox der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de, Suche „Toolbox“).
4. Für die Evaluierung werden Daten über die Arbeitsplatzbedingungen ermittelt, nicht primär Daten über Personen. Der Schutz personenbezogener Daten muss gewährleistet sein.
5. Wer die Evaluierung psychischer Belastungen durchführt, muss Fachwissen über psychische Belastungen und die Anwendung, Durchführung, Auswertung und Interpretation der gewählten Methode (Verfahren) haben. Arbeits- und Organisationspsychologinnen/-psychologen sind ausgebildete Fachleute. Sie wissen, welche Verfahren passen und beraten bei der Verfahrensauswahl sowie der Maßnahmenplanung. Tipp: Zertifizierte Arbeitspsychologinnen und -psychologen sind auf www.psychnet.at zu finden.
6. Eine Maßnahme muss zu den festgestellten Belastungen passen. Also: Welche Maßnahme löst genau für welche Tätigkeiten in welchen Situationen welches Problem?
Die schriftliche Befragung allein genügt nicht. Sie gibt eine gute Orientierung über Belastungsschwerpunkte. Ohne ausreichende Analyse der dahinter stehenden konkreten Belastungsfaktoren und ohne Maßnahmenableitung handelt es sich jedoch um keine vollständige Evaluierung.
Ergibt die Evaluierung, dass psychische Gefährdungen vorliegen, sind ArbeitgeberInnen verpflichtet, geeignete Fachleute – insbesondere Arbeitspsychologinnen und -psychologen – zumindest im Ausmaß von einem Viertel der jährlichen Präventionszeit der Präventivfachkräfte zu beschäftigen.
Die Evaluierung psychischer Belastungen ist ein bedeutender sozialpolitischer Schritt zur Eindämmung psychischer Arbeitsbelastungen und ihrer Folgen. Weiterführende Maßnahmen sind unerlässlich, wenn psychische Belastungen am Arbeitsplatz vermieden werden sollen.

Die wichtigsten Forderungen in diesem Zusammenhang:

  • Die gesetzliche Verankerung von Arbeits- und Organisationspsychologinnen/-psychologen im ASchG als gleichberechtigte Präventivfachkräfte samt Festlegung ihrer Aufgabenfelder und höhere Präventionszeiten. Gemeinsam mit Sicherheitsfachkräften und ArbeitsmedizinerInnen kann Prävention ganzheitlich werden.
  • Die gesetzliche Verankerung der arbeits- und organisationspsychologischen Betreuung in Arbeitsstätten mit bis zu 50 ArbeitnehmerInnen nach dem Modell „AUVAsicher“.
  • Weitere wirksame Maßnahmen gegen krank machende psychische Arbeitsbelastungen, wie die Eindämmung von unfreiwilligen und übermäßigen Überstundenleistungen.

ArbeitgeberInnen brauchen fachliche Unterstützung von Arbeitspsychologinnen und -psychologen, weil psychische Erkrankungen, geminderte Arbeits- und Leistungsfähigkeit oder Störungen der Arbeitsorganisation betriebs- und gesamtwirtschaftliche Kosten auslösen, die mittlerweile auch ein Wettbewerbsfaktor sind.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor alexander.heider@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

1 Studie „Psychische Belastungen der Arbeit und ihre Folgen“, Wirtschaftsforschungsinstitut und Donauuniversität Krems im Auftrag der AK Wien, 2011.

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