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Smarte Städte Inwieweit das Projekt "Seestadt" zur nachhaltigen Gesamtentwicklung Wiens beiträgt, wird sich nach Ende der Bauzeit zeigen.

Smarte Städte

Schwerpunkt

Eine demokratische Neuordnung des Ressourcen fressenden Wirtschaftssystems ließe die Menschen und damit die Städte erblühen.

Die Zukunft Europas, heißt es, wird in den Städten entschieden: Urbane Regionen beherbergen die Mehrheit der europäischen Bevölkerung, in Städten wird der Großteil unseres Wohlstands geschaffen. Aber auch Umweltschäden, Zersiedelung, Verkehrsprobleme, Segregation von Zuwanderungsgruppen und Sicherheitsprobleme treten in den Agglomerationsgebieten geballt auf. "Smart Cities" heißt das Zauberwort, mit dem Raum- und VerkehrsplanerInnen neue Strategien für die Zeiten entwerfen, in denen die bisherige Verschwendung von Ressourcen keine andere Wahl lässt als sorgfältigen Umgang mit Energien aller Art. Schon lange bevor der Begriff "smart" in die Medien sickerte, wurde er von internationalen Konzernen genutzt, um Infrastrukturen und Dienstleistungen mit technologischen Innovationen zu forcieren. Heute wird er vermehrt auch von städtischen Verwaltungen aufgegriffen, denn die Auflage der Europäischen Kommission, bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 80 Prozent zu senken, zwingt zum Umdenken.

Schwer zu definieren

"Was heißt denn nun 'smart‘ in dem Zusammenhang eigentlich?", fragte etwa der Moderator Peter Huemer das Podium des Ausschusses zur Nachhaltigkeit zum Thema "Smart Cities - ein Bebauungsplan für morgen", zu dem die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten und die Länderkammer Wien/NÖ/Burgenland Anfang März geladen hatten.
Das ist eine gute Frage. Sie konnte von der Zuständigen des "Smart City Konzepts" der Magistratsabteilung 18, Ina Homeier-Mendes, nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Daher wurden Projekte genannt. Etwa das größte europäische Stadtentwicklungsprojekt, die Seestadt Aspern. Im 22. Wiener Gemeindebezirk werden die BewohnerInnen im Einklang mit Natur und Wirtschaft leben - so lautet der Plan. Inwieweit das Pro-jekt zur nachhaltigen Gesamtentwicklung Wiens beiträgt, wird sich nach Ende der Bauzeit zeigen.
"Smart ist im Sinne von 'sustainable, attractive, resilient and tolerant‘ zu verstehen. Das Konzept offenbart über die reine Übersetzung als 'intelligent‘ oder 'schlau‘ das moderne Planungsverständnis für eine lebenswerte Stadt", heißt es in der Publikation "SmartCitiesNet: Evaluierung von Forschungsthemen und Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen" (August 2011) des Österreichischen Instituts für Raumplanung (ÖIR). Als übergeordnetes Ziel definiert das Institut eine "zukunftsfähige, städtische postfossile Gesellschaft". Das "smarte" an den Umsetzungsmaßnahmen ergebe sich hier nicht nur durch intelligente vernetzte Infrastrukturen und Informations- und Kommunikationstechnologien. Ein deutlicher "Mehrwert" an Lebensqualität und intelligenter Ressourcennutzung werde auch durch Integration innerhalb der städtischen Systeme erreicht. Nicht allein Technologien und Infrastrukturen sind wichtig: Es sind vor allem die Prozesse zwischen den Bewohnenden, die eine Stadt formen. Welche Möglichkeiten haben wir, abhängig von Lebensstilen, beruflichen Qualifikationen, Einkommen und gesellschaftlichen Zusammenhängen wie Alter und soziale Kompetenz, das städtische Leben mitzugestalten? Bemerkenswert sei, so die Forschenden des ÖIR, dass - im Gegensatz zu Technologien und Infrastrukturen - Aspekte wie Ressourcen, Soziales und (humanes) Stadtklima in einschlägigen Untersuchungen bisher wenig behandelt wurden.

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Städte nennen sich oft "smart", ohne zu definieren, was gemeint ist, schreibt der Soziologieprofessor Robert G. Hollands (2008) in seinem Aufsatz "Will the real smart city please stand up?". Weltweit gehöre es zum modernen City-Branding, sich selbst bzw. die Stadt als "smart" zu bezeichnen. Der Schwerpunkt sollte jedoch nicht auf Marketingkampagnen liegen, meint Hollands, sondern auf dem "Humankapital", nämlich dem Potenzial aller EinwohnerInnen. "Das brächte einen wirklichen Ausgleich in der Machtbalance zwischen der Nutzung von Informationstechnologie durch Wirtschaft, Regierung, Gemeinden und den 'gewöhnlichen‘ Menschen, die in den Städten leben."

Umdenken in Planungsprozessen

Entwicklung und Umsetzung von "Smart Cities", im Sinne nachhaltiger, postfossiler Gesellschaften, sind Prozesse, die sich über Jahrzehnte erstrecken und daher von Beginn an mit allen betroffenen AkteurInnen abgestimmt werden müssen. "Das erfordert ein Umdenken in herkömmlichen Planungsprozessen, die in der Regel zu wenig koordiniert erfolgen, vor allem aufgrund teilweise widersprechender Interessen von Akteuren", statuiert die genannte Studie des ÖIR. Derzeit gebe es zu wenig Abstimmung zwischen Politikinstrumenten in den verschiedenen Bereichen wie Raumplanung, Wohnbau, Verkehr und Energie, wodurch kontraproduktive Effekte aufträten. Eine erste Vernetzung auf offizieller Ebene sollte das Projekt "Smart City Wien" sein, das 2011 unter Federführung der Stadt Wien gestartet wurde. Als Kernstück gilt ein sogenannter Stakeholder-Prozess, an dem unterschiedliche Interessengruppen arbeiten. Zu den Projektbeteiligten gehören etwa die zuständigen Magistratsabteilungen, die Technische Universität Wien, die Aspern Development AG oder Siemens Österreich. Ausgangspunkt sind Dachprogramme wie das Klimaschutzprojekt Wien, das Städtische Energieeffizienz-Programm (SEP) oder der Stadtentwicklungsplan (STEP). Bei den genannten Stakeholder-Prozessen ist allerdings nur ein geringer Ausschnitt der Gesamtbevölkerung vertreten. Im Rahmen der Transition-Town-Bewegung (etwa: Städte im Wandel) gestalten seit 2006 Umwelt- und Bürgerinitiativen in vielen Städten der Welt auf nicht offizieller Ebene den Übergang in eine postfossile Wirtschaft. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Politik nicht entsprechend auf den Klimawandel und andere akute Probleme reagiert, wurden Gemeinschaftsprojekte begonnen, um für die Zukunft ohne bzw. unerschwinglicher Roh- und Treibstoffe gerüstet zu sein. Dazu gehören etwa Maßnahmen zur Verbrauchsreduktion von fossilen Energieträgern oder zur Stärkung der Regional- und Lokalwirtschaft. In Österreich fördert das globalisierungskritische Netzwerk attac die Neuorientierung der Gesellschaft in Richtung höherer Lebensqualität bei gleichzeitiger Verringerung des Ressourcenverbrauchs. "In Zeiten des Wandels sind friedvolle Gemeinschaften mit einer Gesprächskultur, die auf Souveränität und Mitgefühl aufbaut, von besonderer Bedeutung", lautet ein Grundsatz. Beispiele dafür sind Unterstützungsgruppen, Lebensmittelkooperativen, gemeinschaftliche Wohnprojekte, Co-Housing, Nachbarschaften und Dorfgemeinschaften.
Die Ausgangsbasis: "Zunehmende Ungleichheit, Abbau von Sozialleistungen, Arbeitslosigkeit und Armut, der Verlust an Artenvielfalt, Klimawandel und die Anhäufung von Reichtum in den Händen einiger weniger sind Ausdruck einer umfassenden Krise. Die Ursachen liegen in einem Wirtschaftssystem, das auf Profitstreben, Wachstumszwang, Wettbewerb, Raubbau an der Natur und Ausbeutung der Menschen beruht und die Demokratie untergräbt." Teilhabe und Mitbestimmung beginnen im Kleinen, meinen die AktivistInnen von attac, und sollen am Arbeitsplatz und in der Schule genauso selbstverständlich sein wie in der Politik, z. B. bei Verkehrsplanung, Energieversorgung oder öffentlichem Budget. Der Arbeit an alternativen Wegen aus der Krise angeschlossen haben sich, neben attac und der Armutskonferenz, unter anderem auch die Gewerkschaften GdG-KMSfB, GPA-djp und PRO-GE.

Postwachstumsökonomie

Die Frage lautet daher weniger, ob eine Stadt im Ranking als "smart" gilt, sondern die entscheidende Frage heißt: Soll die Wirtschaft ökologischer und nachhaltiger werden, eine "Postwachstumsökonomie" sein, regionaler und krisenfester werden? Eine Antwort könnte die von attac-Mitarbeiter Christian Felber mitinitiierte Gemeinwohl-Ökonomie sein. Mit ihr sollen überlebensfähige Strukturen geschaffen werden, die ökologische Schocks solidarisch abfedern, anstatt sie zu produzieren.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.wege-aus-der-krise.at 
www.smart-cities.eu 

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
gabriele.mueller@utanet.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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