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Der Weg aus dem Geld Militärische Disziplin wurde in die Schulen importiert, Fließbandarbeit diente danach als Vorbild zur Schaffung von Arbeitsrobotern. So erklärte John Taylor Gatto in "Dumbing Us Down", dass das US-Pflichtschulsystem von der Elite eingeführt wurde, um die
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Der Weg aus dem Geld

Schwerpunkt

Nicht nur mit der gewagten Idee eines Wirtschaftssystems mit demokratischem Geldsystem macht WU-Professor Franz Hörmann von sich reden.

Franz Hörmann, ao. Professor für Unternehmensrechnung an der WU Wien, veröffentlichte in "Das Ende des Geldes" gemeinsam mit Wirtschaftswissenschafter Otmar Pregetter Erklärungsmodelle der Krise und die Theorie eines Wirtschaftssystems mit demokratischem Geldsystem. Damit gilt er als Querdenker an der Wirtschaftsuni.

Pseudowissenschaft Wirtschaft

Schon Alfred Nobel sah die Wirtschaftswissenschaften als nicht preiswürdig an; der Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank ist kein Nobelpreis. Auch Hörmann sieht in Wirtschafts- und Rechtswissenschaften Pseudowissenschaften: Sie behaupteten, normative Wissenschaften zu sein, definierten Regeln, an die sich alle halten müssen, die Regelunterworfenen besäßen jedoch kein Mitspracherecht, das sei undemokratisch. Auch seien sie unwissenschaftlich, weil Karl Poppers Falsifikationsprinzip in vielen Bereichen nicht angewandt werde. Ohne empirische, objektive Wissenschaft öffne man Manipulation und Willkür Tür und Tor. Diese normgebenden Wissenschaften, die gesellschaftliche Konstrukte und keine unveränderlichen Naturgesetze seien, würden aber kaum hinterfragt: "Die Employability, ein störender und verstörender Faktor, verhindert schon, dass StudentInnen hinter die Kulissen schauen." Einer der großen Fehler unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems sei das indoktrinäre Schulsystem: "Maria Theresia war nicht an einer gebildeten Bevölkerung interessiert, sondern an Soldaten", so Hörmann. Militärische Disziplin wurde in die Schulen importiert, Fließbandarbeit diente später als Vorbild zur Schaffung von Arbeitsrobotern. So erklärte John Taylor Gatto in "Dumbing Us Down", dass das US-Pflichtschulsystem von der Elite eingeführt wurde, um die Bevölkerung zu verdummen, und in "Hidden Curriculum", dass der heimliche Lehr-plan die Übung von hierarchischem Denken, Leistungskonkurrenz und Normkonformität enthalte. Schule verspreche Emanzipation und Aufklärung, fördere aber Anpassung und stabilisiere das System.
Da eine demokratische Gesellschaft gar nicht möglich sei, lebten wir auch in keiner Demokratie. "Wir leben in einer Gesellschaftsform, in der große Unternehmen die mächtigsten Gebilde sind, Nationalstaaten nicht als machtrelevanter Faktor existieren und 'Eigentümer‘ regieren, in einer Corporatocracy." Höchstes Ziel eines Unternehmens sei individuelle Bereicherung und Maximierung des Shareholder-Profits. Es stifte somit auch keinen gesellschaftlichen Nutzen. Das für Shareholder im deutschsprachigen Raum verwendete Wort EigentümerInnen sei so Hörmann der falsche Begriff: EigentümerInnen/Shareholder hätten zwar Anspruch auf ihr "Pyramidenspiel", das "zinseszinsbasierte Schuldgeldsystem", in dem Buchgeld von Privatbanken "aus Luft" erzeugt wird, "wertlose Aktienzettel" und "unternehmensplündernde Dividenden". Das Unternehmen selbst sei aber ein Bündel von Prozessen, ein soziales Netzwerk von Wissen und Fähigkeiten, das niemand sein Eigentum nennen könne. Entscheidungen über Unternehmen träfen kleine Gruppen von Menschen, die ihr subjektives Interesse mit Hilfe von für Laien unverständlichen Pseudowissenschaften und somit Unterdrückungsinstrumenten in der Gesellschaft durchsetzen wollten. Genau dieses zinseszinsbasierte Schuldgeldsystem, das für eine Umverteilung in der Volkswirtschaft zugunsten der obersten zehn Prozent sorge, sei Wurzel der Wirtschaftskrise. Um diesen Trend nicht abreißen zu lassen, würde in den Schulen nur Konkurrenz und nicht Kooperation konditioniert. Letztere wäre eine Gefahr für das herrschende System, in dem ein Geldadel über die wichtigsten Fragen unserer Gesellschaft entscheide.

Human-Way-Partei gegründet

Mit dem Ziel einer Gesellschaft ohne soziale Schichtung und dem Bestreben, durch achtsamen Umgang mit der Erde zur menschlichen Entwicklung beizutragen, gründete Hörmann mit anderen "QuerdenkerInnen" zu Jahresbeginn die Partei Human Way. Ihren Grundsätzen zufolge beginne "Demokratie mit einem demokratischen und transparenten Geldsystem". Vorstellbar wäre ein vollelektronisches, echtzeitfähiges Kommunikationssystem in öffentlicher Hand, demokratisch überwacht, nicht von Unternehmen.
Hörmann kritisiert das Schuldgeldsystem nicht nur wegen des exponentiellen Wachstums des Zinseszinses, dem völlig unhinterfragt ewiges Wachstum unterstellt werde, sondern auch wegen des Monopols der Geldschöpfung in der Hand privater Geschäftsbanken (statt der Nationalbanken). Diese erfolge durch Kreditvergabe als Buchgeld, welches bei Rückzahlung vernichtet werde. Es sei auf beiden Seiten der Bilanz (als Forderung gegenüber KreditnehmerInnen und als Verbindlichkeit) verzinst und stelle so leistungsloses Einkommen dar. Die Bank gehe - auch wenn anders erklärt - bei einer Kreditvergabe kein Risiko ein. Der Kreditsumme stünden keine liquiden Mittel gegenüber, aber die Sicherheit des Kreditnehmers könne bei dessen Ausfall verwertet werden. Bei der Geldschöpfung wird nur das Kreditkapital erzeugt und nicht die Zinsen. Das begründe die Konkurrenz der Unternehmen, die das Zinsgeld zurückzahlen müssen.
Im von Hörmann erträumten demokratischen Geldsystem würden Zähleinheiten für Leistung vergeben und nicht das Übervorteilen Anderer mit Hilfe von "Informationsasymmetrien" belohnt werden. Aber nicht nur neue Denkansätze eines Geldsystems seien für die Zielerreichung einer kooperativen Gesellschaft wichtig: Dazu brauche es einen Multiparadigmenwechsel, eine Loslösung von materialistischen Wertvorstellungen, die auf beabsichtigter Verknappung von Ressourcen beruhten, ein Wirtschafts- und Geldsystem, das den größten Gemeinschaftsnutzen sicherstelle. Durch technische Infrastruktur, aber auch die "richtige" Geisteshaltung, sollten Ressourcen für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. So sei schon die Sprache ein wesentliches Merkmal der sozialen Schicht und ein bedeutender Hinderungsgrund für die Teilhabe am demokratischen Entscheidungsprozess. Im Zukunftsmodell Hörmanns bedarf es keiner JuristInnen, die erst ein Verständnis geltender Normen möglich machten, da man sich auf eine demokratische für alle verständliche Sprache geeinigt habe.

Die Mehrheit verliert ...

Die Theorie des Wirtschaftssystems "nach dem Schuldgeldsystem" hat klare Grundsätze. Das oberste Ziel sei die Überwindung von Knappheit (von Gütern, Dienstleistungen) mit ökosozialer Produktionsweise und die Schaffung einer selbstorganisierten Wissensgesellschaft, in der weder Geschlechter noch Ethnien oder Religionen benachteiligt werden sollten. Für die Übergangsphase ist eine "temporäre, empathische Technokratie" angedacht. Ihr Ziel sei Selbstorganisation in einem elektronischen Kommunikationssystem, wo nur bei Konsens der Bevölkerung Handlungen gesetzt würden. Denn im politischen System wie wir es kennen, so Hörmann, entscheide eine Minderheit, wobei automatisch die Mehrheit die "VerliererInnen" seien.

Anmerkung der Redaktion:

Nach Fertigstellung dieses Artikels geriet Franz Hörmann mehr und mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. So tauchten antisemitische Äußerungen des Schweizers Hans-Jürgen Klaussner, eines Mitbegründers der Human-Way-Partei, auf,  von denen sich Hörmann angeblich distanziert hätte, wie er im Interview mit unserer Redakteurin erklärte. Schließlich geriet aber auch Hörmann selbst in Verdacht rechten Gedankenguts und der Holocaust-Leugnung. Er betonte, dass die Human-Way-Partei eine Konsensbewegung sei, die im offenen Diskurs keine Ausgrenzung unterstütze und vermutet, er sei deswegen ins Visier gekommen, weil er Machtsysteme hinterfrage. Ein Dialog aller sozialer Schichten oder Religionen, wo private Meinungen diskutiert würden, wäre die Vorwürfe wert, so Hörmann. Inzwischen haben sich sowohl Occupy Austria als auch sein Ko-Autor Pregetter von ihm distanziert (siehe umseitig). Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft - wegen Verdachts auf Wiederbetätigung und Volksverhetzung. (Stand 27. 1. 2012)

Internet:
Mehr Infos unter:
www.das-ende-des-geldes.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
h0701971@wu.ac.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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