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Zehn Jahre Allianz für den freien Sonntag Die im Oktober 2001 gegründete bundesweite Allianz, die für den arbeitsfreien Sonntag eintritt, betont den Wert gemeinsamer freier Zeit für Individuum und Gesellschaft. Sie zeigt die Bedeutung des freien Sonntags für Zeitwohlstand und Lebensqualität auf.

Zehn Jahre Allianz für den freien Sonntag

Gesellschaftspolitik

"Am 7. Tage sollst du ruhen" - das ist in neoliberalen Zeiten nicht selbstverständlich.

Seit dem vierten Jahrhundert hat sich aus jüdisch-christlichen Wurzeln das heutige Kulturgut des Sonntags entwickelt. Für ChristInnen ist der Sonntag das älteste Fest. Sonntag bedeutet seither gemeinhin einen Tag Arbeitsruhe für alle zur Erholung von Körper und Geist sowie zur Pflege menschlicher Beziehungen. Arbeitsfrei war der Sonntag deshalb aber noch lange nicht. Erst durch die ArbeiterInnenbewegung des 19. Jahrhunderts wurden erste gesetzliche Regelungen erkämpft, und diese bildeten die Grundlage für den gesetzlich freien Sonntag. Ausnahmen gab es für gesellschaftlich notwendige Arbeiten, z. B. in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und in der Grundstoff- und verarbeitenden Industrie im Schichtbetrieb. Seit ca. 30 Jahren wird von UnternehmerInnenseite im Zuge der Liberalisierung der Märkte (nicht nur) der freie Sonntag offensiv und zum Teil per Gesetzesbruch infrage gestellt und bekämpft - zum Schaden der ArbeitnehmerInnen und der gesamten Gesellschaft.

Im Oktober 2001 gegründet

Daher gibt es seit nunmehr zehn Jahren die "Allianz für den freien Sonntag Österreich", um diese gesellschaftliche Errungenschaft zu verteidigen. Die im Oktober 2001 gegründete bundesweite Allianz, die für den arbeitsfreien Sonntag eintritt, betont den Wert gemeinsamer freier Zeit für Individuum und Gesellschaft. Sie zeigt die Bedeutung des freien Sonntags für Zeitwohlstand und Lebensqualität auf und ruft den gesellschaftlichen Wert der gemeinsamen freien Zeit ins öffentliche Bewusstsein.

Anliegen topaktuell

Zehn Jahre später ist das Anliegen, den freien Sonntag und damit Zeitwohlstand und Lebensqualität durch gemeinsame freie Zeiten zu sichern, noch topaktuell. Denn in einer zunehmend liberalisierten und stressigen "Hochleistungsgesellschaft", in der sich immer mehr Reiche auf Kosten der größer werdenden Masse der Arbeitenden etwas leisten können, erkennen immer mehr Menschen, dass der freie Sonntag ein Fixpunkt für den Ausstieg aus dem Alltag ist und er Regeneration ermöglicht. Wenn zum Beispiel die UnternehmerInnenseite oder die Finanzministerin die hohe Frühpensionsrate durch Invalidität beklagen, aber weiter Arbeitszeiten verlängern oder flexibilisieren wollen, dann zeigt sich, wie wichtig berechenbare, fixe Erholungszeiten für gesunde Menschen und eine funktionierende Gesellschaft sind. Die Institution des freien Sonntags schafft Lebensqualität.
Der Sonntags-Allianz gehören mittlerweile über 50 Organisationen aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaft an. Sie vereint so unterschiedliche Institutionen und Bewegungen wie ATTAC, Kinder- und Jugendorganisationen, KAB (Katholische Ar-beitnehmerInnen Bewegung), Freizeitorganisationen, den Österreichischen Gewerkschaftsbund, die christlichen Kirchen, die Plattform für Alleinerziehende oder studentische Organisationen.
Die gemeinsamen Ziele sind:

  • Der Einsatz für den Schutz des freien Sonntags vor schleichender Aushöhlung durch Politik und Wirtschaft sowie
  • die Förderung von Zeitwohlstand und Lebensqualität,
  • die Schaffung öffentlichen Bewusstseins für die Bedeutung des Wertes gemeinsamer freier Zeiten im Gegensatz zu rein individualisierten Zeiten und
  • dem Trend entgegenzuwirken, dass Lebenszeit zu Arbeits- und Konsumzeit wird.

Anlässlich des Jubiläums "10 Jahre Allianz für den freien Sonntag", zu dem der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Heinz Fischer Mitte November ins Parlament eingeladen hatte, wurde Bilanz gezogen, worin der Gewinn des freien Sonntags für Gesellschaft und Individuum besteht.
Bischof Ludwig Schwarz erinnerte als Sprecher der Sonntags-Allianz und Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz daran, dass in der Bibel beim Sonntag der soziale Aspekt im Vordergrund steht: "Somit ist wohl das dritte Gebot ('Du sollst den Tag des Herrn heiligen‘) das älteste Sozialgesetz der Menschheit."
Allianz-Sprecher Franz Georg Brantner (ÖGB, GPA-djp) betonte, dass die "Öffnungszeiten im Handel ein Taktgeber für die ganze Gesellschaft" sind. Eine Gesellschaft brauche gemeinsame, synchronisierte Zeit für so unterschiedliche Anliegen wie Freundschaften, Familie oder ehrenamtliches Engagement, genauso wie auch für Entschleunigung. Sonntagsarbeit müsse daher auf gesellschaftlich notwendige Bereiche beschränkt bleiben. Brantner drückte seine Wertschätzung für die KollegInnen aus, die in den Bereichen Verkehr, Gesundheit und Freizeit am Sonntag arbeiten müssen. Er machte deutlich, dass die Angriffe auf den freien Sonntag oftmals von Einkaufszentren kommen, die häufig im Besitz internationaler Immobilienfonds stehen, deren Ziel Gewinnmaximierung und das Abziehen von Kaufkraft von kleineren HändlerInnen sei.

"Ein Stück Kultur"

ÖGB-Präsident Erich Foglar unterstrich, dass die Gewerkschaftsmitglieder ein klares Bild vom arbeitsfreien Sonntag haben. Sonntagsarbeit sei akzeptabel, wenn diese sich auf gesellschaftlich sinnvolle Bereiche wie Gesundheit oder andere öffentliche Interessen beschränke. Für den ÖGB stehe der gesellschaftspolitische Aspekt des freien Sonntags neben dem sozialen im Vordergrund. Es gehe dabei um ein Stück Kultur, das wir uns "nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen wegnehmen lassen sollen".
Fritz Aichinger, Spartenobmann für den Handel in der Wirtschaftskammer, sagte, dass es für ihn als Unternehmer und Betriebswirt neben den gesellschafts- und familienpolitischen Argumenten auch ein betriebswirtschaftliches Argument für den freien Sonntag gebe. Ein siebenter Tag im Handel würde 16 Prozent mehr Umsatz erfordern, wofür die Kaufkraft fehle. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht würde eine Sonntagsöffnung im Handel zu einer enormen Konzentration führen wie auch zu einer Verlagerung in 1-a-Lagen, womit die Nahversorgung gefährdet werde. Das Beispiel Samstag zeige, dass maximal ein Drittel der Geschäfte offen halte. Aichinger betonte, dass 95 Prozent der 80.000 Handelsbetriebe mit über 550.000 Beschäftigten den freien Sonntag wünschen.
Die Geschäftsführerin der Plattform für Alleinerziehende, Elisabeth Wöran, hob als Vertreterin der Zivilgesellschaft hervor, dass es um das Anliegen des "erwerbsfreien Sonntags" gehe, da Arbeit mehr sei als Erwerbsarbeit, nämlich auch die viele unbezahlte Arbeit, die vor allem von Frauen geleistet wird. Von den ca. 175.000 Alleinerziehenden seien allein 22.000 im Handel beschäftigt. Für Alleinerzieherinnen brauche es unter der Woche verbesserte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Ziel müsse es sein, dass am Sonntag Zeit für die Kinder ist und keine zusätzliche außerhäusliche Kinderbetreuung geschaffen werden muss.
Bischof em. Maximilian Aichern hob beim Festakt die gute Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsorganisationen der Allianz für den freien Sonntag hervor. Er war langjährig in der Österreichischen Bischofskonferenz für soziale Fragen zuständig und setzt sich seit den späten 1980er-Jahren gemeinsam mit der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung (KAB) und der Gewerkschaft für den Erhalt des arbeitsfreien Sonntags ein. Schritt für Schritt kam es unter seiner Führung zur Gründung von Länderallianzen (erste Bundesländerallianz 1997 in OÖ) und schließlich zur bundesweiten Allianz für den freien Sonntag Österreich.

Seit Juni 2011 Europäische Allianz

Die offenen Angriffe auf den freien Sonntag oder die schleichenden Aushöhlungsversuche des freien Sonntags werden weitergehen, daher ist die Allianz nicht nur weiter gefragt, sondern eine Ausweitung nötig. Deshalb entstanden nach dem österreichischen Vorbild Sonntags-Allianzen in Deutschland (2006), Polen (2008) und in der Slowakei (2009). Mittlerweile gibt es in Europa zehn nationale Allianzen bzw. Initiativen für den freien Sonntag.
Im Juni 2011 wurde die "Europäische Allianz für den freien Sonntag" in Brüssel geschaffen, an der die österreichische Allianz maßgeblich beteiligt war - sie ist Gründungsmitglied der "European Sunday Alliance".

Internet:
Mehr Infos unter:
www.freiersonntag.at
www.europeansundayalliance.eu
www.oegb.at
www.gpa-djp.at
www.ksoe.at 
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