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Gleichstellung light Laut EU-Strukturindikator "Gender Pay Gap" beträgt das Verdienstgefälle hierzulande 25,5 Prozent. Gemessen werden dabei die relativen Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Bruttoverdienststunden in der Privatwirtschaft.

Gleichstellung light

Gesellschaftspolitik

In Stellenausschreibungen muss seit März das Gehalt angegeben werden. Aber: Wie wirkungsvoll ist diese Maßnahme?

Gleich viel zu verdienen wie die Männer ist kein Privileg. Es ist unser Recht!" Als die Näherin Rita O’Grady diesen Satz sagt, ist ihr noch nicht bewusst, dass sie damit etwas auslösen wird, was Jahre später als "Equal pay" in ganz Europa zum Kürzel für die Lohngleichheit von Frauen und Männern werden sollte. Der zitierte Satz ist aus dem Film "Made in Dagenham" (deutscher Verleihtitel "We want Sex") und es gibt keine Garantie, dass er so jemals gesagt wurde. Tatsache ist jedoch, dass die Einführung des Equal-Pay-Acts oder Lohngleichstellungsgesetzes in Großbritannien unmittelbare Konsequenz des Streiks der Näherinnen in der Ford-Fabrik von Dagenham war. Und das bereits 1970.

Verdienstgefälle 25,5 Prozent

Was vor mehr als 40 Jahren in Großbritannien erstmals beschlossen wurde, ist jedoch bis heute nicht selbstverständlich. Nämlich gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Lohnunterschiede von bis zu 30 Prozent sind auch 2011 an der Tagesordnung. Österreich gehört dabei zu den negativen Spitzenreitern: Laut EU-Strukturindikator "Gender Pay Gap" beträgt das Verdienstgefälle hierzulande 25,5 Prozent. Gemessen werden dabei die relativen Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Bruttoverdienststunden von weiblichen und männlichen ArbeitnehmerInnen in der Privatwirtschaft. Werden Unterschiede in der Ausbildung oder Berufserfahrung berücksichtigt, verdienen Österreicherinnen trotzdem noch durchschnittlich 18,1 Prozent weniger als Österreicher. Noch größer als in Österreich sind die Unterschiede nur noch in der Tschechischen Republik und in Estland. Im EU-Durchschnitt liegt der Gender Pay Gap bei 17,5 Prozent.
Mit Einkommensberichten in Unternehmen und der Verpflichtung, bei Stellenausschreibungen das Brutto-Entgelt anzugeben, will die österreichische Regierung nun mehr Transparenz schaffen. Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern hat die Stellenanzeigen in österreichischen Tageszeitungen in den vergangenen Wochen genau unter die Lupe genommen. Das ernüchternde Ergebnis: Nur eine Minderheit der Unternehmen hält sich an die neuen gesetzlichen Vorgaben. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich hier wirklich um ein wirkungsvolles Instrument zur Gleichstellung handelt, und wie Stellenausschreibungen formuliert sein müssten, um mehr Chancengleichheit zu garantieren.
Seit 1. März 2011 sind ArbeitgeberInnen gesetzlich verpflichtet, bei Stellenausschreibungen das Brutto-Mindestgehalt sowie die Bereitschaft zur Überbezahlung für die zu besetzende Stelle anzugeben.  Diese Verpflichtung betrifft alle Stellenausschreibungen von privaten ArbeitgeberInnen sowie ArbeitsvermittlerInnen. Als Stelleninserate gelten dabei ganz klar externe Veröffentlichungen in Printmedien, Internet etc. Aber auch betriebsinterne Ausschreibungen im Intranet des Unternehmens oder an Informationstafeln, dem sogenannten "Schwarzen Brett", sind Stelleninserate im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes, wenn eine Person für einen konkreten Arbeitsplatz gesucht wird.

Mehr Einkommenstransparenz

Um den im Gesetz normierten Anforderungen gerecht zu werden, muss die Angabe über das geltende kollektivvertragliche oder das durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt betragsmäßig, günstigerweise unter Angabe der Zeiteinheit (Stunde/Woche/Monat) und unter Einrechnung personenbezogener Zulagen erfolgen. Der alleinige Hinweis auf den anzuwenden Kollektivvertrag ist keinesfalls ausreichend. Die Bereitschaft zur Überzahlung, die in vielen Fällen bestehen wird, ist im Stelleninserat zwingend anzugeben.
Das Ziel nach mehr Einkommenstransparenz soll zudem durch die Erstellung von Einkommensberichten erreicht werden. Unternehmen einer bestimmten Größe sind verpflichtet, jährlich eine Einkommensanalyse zu erstellen, wobei das Gleichbehandlungsgesetz einen zeitlichen Stufenplan hinsichtlich der erfassten Unternehmen, abhängig von der Anzahl der Arbeitnehmerinnen, vorsieht. In großen Unternehmen, die zumeist über eine Belegschaftsvertretung verfügen, hat der Betriebsrat bereits jetzt rechtlich die Möglichkeit, Einsicht in die Bezüge und die zur Berechnung erforderlichen Unterlagen zu nehmen, und die Pflicht, hinsichtlich der Einhaltung der die ArbeitnehmerInnen betreffenden Rechtsvorschriften zu intervenieren und auch gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Ob Einkommenstransparenz erreicht oder zumindest gefördert wird, hängt nicht zuletzt von der Aussagekraft der Berichte ab. Besteht nämlich weder ein betriebliches Entlohnungsschema noch ein anwendbarer Kollektivvertrag, sind die Berichte anhand von Funktionsgruppen zu erstellen. Die Einkommen sind in der jeweiligen Kategorie zusammenzufassen und stellen somit Durchschnitts- oder Medianeinkommen und nicht die Entgelte einzelner Personen dar. Fraglich ist, ob das ausreicht, um eine Diskriminierung im Rahmen einer Klage glaubhaft machen zu können.

Was bleibt für die Zukunft zu tun?

Die Einhaltung der neuen Regeln für mehr Gehaltstransparenz in Ausschreibungen muss sowohl von Einzelpersonen als auch von den Verwaltungspersonen eingefordert werden. Nach der bisherigen Erfahrung werden sich die meisten Unternehmen und Personalberatungen erst gesetzeskonform verhalten, wenn ab 1. Jänner 2012 Verwaltungsstrafen drohen. Diese sind relativ gering (maximal 360 Euro) und werden nur auf Antrag verhängt. Da nur BewerberInnen und die Gleichbehandlungsanwaltschaft Anzeige erstatten dürfen, wird die Wirksamkeit vor allem davon abhängen, ob diese von ihrem Recht Gebrauch machen.
Die Wirkung der Einkommensberichte wird man erst im Jahr 2014 abschätzen können - erste Tendenzen werden aber schon im Sommer 2011 erkennbar sein. Doch der Großteil der österreichischen Unternehmen mit weniger als 150 MitarbeiterInnen ist sowieso nicht zur Erstellung eines Berichts verpflichtet.Fazit: Es ist zu befürchten, dass die neuen gesetzlichen Bestimmungen für mehr Gehaltstransparenz nur einen geringen Beitrag zur Beseitigung unterschiedlicher Gehälter von Frauen und Männern leisten werden.
Es gibt viele Möglichkeiten, das Ziel gleicher Gehälter für gleichwertige Arbeit zu erreichen. Unternehmen können freiwillige Maßnahmen setzen, die über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen. Denkbar wären etwa Gehaltsbandbreiten in Ausschreibungen, wie sie z. B. in England üblich sind (Jahresbrutto: 35.000 bis 38.000). Außerdem müssen Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie systematisches Karenzmanagement als Thema gesehen werden. Kurzfristig unterstützt das vor allem Mütter, motiviert aber auch Männer in Karenz zu gehen. BetriebsrätInnen können ebenfalls einen wichtigen Beitrag zu mehr Einkommensgerechtigkeit leisten. Sie haben schon aufgrund des Arbeitsverfassungsgesetzes die Möglichkeit, alle Gehälter im Unternehmen einzusehen und können daher nicht gerechtfertigte Einkommensunterschiede aufdecken. Beschäftigte sollten die BetriebsrätInnen auch mehr in die Pflicht nehmen, um dieses Thema innerbetrieblich anzusprechen.
Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen in Partnerschaften und Familien verhindert ebenfalls die Angleichung der Einkommen. So lange weniger als fünf Prozent der Väter in Karenz sind, ergibt sich eine Schieflage zulasten der Frauen. Es bleibt abzuwarten, ob die seit 2010 geltenden fünf Modelle des Kinderbetreuungsgelds Männer motivieren, häufiger in Karenz zugehen.

Die Politik ist gefragt

Nach den bisherigen Erfahrungen steht zu befürchten, dass nur sanfter Druck tatsächliche Änderungen bewirken wird. Dazu zählt etwa die weitere Flexibilisierung der Karenz. So sollten Eltern auch länger als einen Monat parallel Kinderbetreuungsgeld beziehen dürfen. Auch die verpflichtende Väterkarenz sollte zumindest als befristete Maßnahme diskutiert werden. Schon ein relativ kurzer Zeitraum von z. B. drei Monaten würde für Erfahrungen, die den meisten Männern bisher verwehrt blieben, ausreichen.
Ohne flankierende politische Maßnahmen, die wirklich zur Gleichstellung der Geschlechter in Beruf und Partnerschaft beitragen, werden die neuen gesetzlichen Vorgaben gut gemeinte Versuche ohne Wirkung bleiben.

Internet:
Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern:
www.klagsverband.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen
daniela.almer@klagsverband.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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