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Für einen existenzsichernden Mindestlohn in Asien Ziel ist es, in den Produktionsländern der Bekleidungsindustrie in Asien eine gemeinsame Lohnuntergrenze einzuführen, die nicht nur ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, sondern auch den regionalen Wettbewerb verringert.
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Für einen existenzsichernden Mindestlohn in Asien

Gesellschaftspolitik

Die "Asia Floor Wage Alliance" (AFW) kämpft für fairen Lohn in der Textilbranche.

In den für den Weltmarkt produzierenden Ländern der Bekleidungsindustrie, vor allem in Zentralamerika und Südostasien, sind in dieser Branche über 80 Prozent der Beschäftigten Frauen. Und ebenso ist es die Regel, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht zum Überleben ausreicht, wenn Familien zu erhalten sind. Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren durch das starke Ansteigen der Lebensmittelpreise sogar noch verschlechtert, obendrein werden selbst die schlechten gesetzlichen Lohnbestimmungen nicht eingehalten. An der Armutsgrenze lebende Menschen geben ungefähr die Hälfte ihrer Ausgaben für Ernährung aus. 

Arbeit rund um die Uhr

Mit exzessiven Überstunden und Zusatzschichten muss der Grundlohn aufgebessert werden, um das Überleben der Familie zu sichern. Der extreme Arbeitsstress wirkt sich natürlich negativ auf die Gesundheit und auf das Familienleben aus. Die Frauen verlassen frühmorgens das Haus und kommen spät am Abend zurück. "Meine Tochter sieht mein Gesicht nur an einem Tag in der Woche", erzählt Amanthi, eine Arbeiterin aus Sri Lanka.
Der Ruf nach existenzsichernden Löhnen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Die Verantwortung für die entsprechenden Löhne und Arbeitsbedingungen läge eigentlich beim Gesetzgeber, doch locken die Länder der Weltmarktproduktion die Investoren und Auftraggeber gerade mit Hungerlöhnen sowie schlechten Arbeits- und Umweltschutzbedingungen an. Und die Produktionsbetriebe selbst wälzen den Preis- und Zeitdruck, dem sie durch den internationalen Standortwettbewerb ausgesetzt sind, auf die Arbeitskräfte ab.
So bleibt der Kampf um menschenwürdige Löhne eine Aufgabe der Gewerkschaften, die jedoch in vielen Ländern schwach strukturiert sind und in ihrer Arbeit behindert werden. Obwohl im Allgemeinen das Vereinigungsrecht gesetzlich verankert ist, ist die Gewerkschaftsfreiheit in Staaten wie Bangladesch, Sri Lanka, Honduras und vielen anderen stark beschnitten. Oder dieses Recht wird nur den staatlichen Gewerkschaften zugestanden, wie beispielsweise in China.
In Asien läuft seit einiger Zeit ein interessantes Experiment, wie diesem Dilemma entkommen werden kann. Vor vier Jahren, im Mai 2007, fand in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, ein erstes Planungstreffen der "Asia Floor Wage"-Kampagne statt, einer Initiative zur Einführung eines flächendeckenden existenzsichernden Mindestlohns in Asien. Es handelt sich dabei um den historischen Versuch, für Millionen von ArbeiterInnen in einer ganzen Industriebranche einen Lohn einzuführen, der nicht nur das nackte Überleben sichert, sondern auch Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Kultur. In der Kampagne sind Gewerkschaften, darunter auch die Internationale Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter-Vereinigung (ITGLWF), Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftliche Initiativen wie die Clean Clothes-Kampagne (CCC), das europaweite Netzwerk zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie, zusammengeschlossen.

Gründung 7. Oktober 2009

Nach mehreren Vorbereitungstreffen wurde die AWF am 7. Oktober 2009, dem "Internationalen Tag der menschenwürdigen Arbeit", öffentlich lanciert. In Hongkong und Indonesien befinden sich Verwaltungsbüros; im internationalen Leitungsgremium sitzen auch VertreterInnen von Initiativen aus Europa, Kanada und den Vereinigten Staaten.
Immer mehr Gewerkschaften und arbeitsrechtliche Organisationen schließen sich der Allianz an, die mittlerweile bereits elf asiatische Länder umfasst. Ziel ist es, in den Produktionsländern der Bekleidungsindustrie in Asien eine gemeinsame Lohnuntergrenze einzuführen, die nicht nur ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, sondern durch die einheitliche Lohnbasisberechnung auch den regionalen Wettbewerb verringert und die Verhandlungsposition der ArbeiterInnen stärkt.
"Die Asia Floor Wage Alliance ist keine bloße Gewerkschaftsinitiative, sondern Ausdruck einer neuen sozialen Bewegung", sagt Ashim Roy, Generalsekretär des indischen Gewerkschaftsdachverbandes New Trade Union Initiative. Der studierte Mathematiker war maßgeblich an der Ausarbeitung des Berechnungsmodells für den AWF-Lohn beteiligt. Er gehört mit Anannya Bhattacharjee, Leiterin des internationalen AWF-Sekretariats, zu den führenden Köpfen der Allianz.
Die Arbeit für einen existenzsichernden Grundlohn ist allerdings nicht ungefährlich. Die von der AWF im Vorjahr inspirierten Streiks in Kambodscha und Bangladesch wurden von der Polizei mit brutaler Repression und der Verhaftung führender AktivistInnen beantwortet. Vorstandstreffen der Kampagne in Dhaka mussten schon mehrmals aus Sicherheitsgründen an geheimen Orten stattfinden, und immer wieder kommt es zu behördlichen Schikanen.

Verhaltenskodex für Auftraggeber

Die Einführung des Grundlohnes ist in den Produktionsbetrieben jedoch nur möglich, wenn die - meistens in Europa und Nordamerika angesiedelten - Auftraggeber ihre Geschäftspraktiken ändern. Sie müssen sich in ihrem Verhaltenskodex verpflichten, nicht nur den im Land der Zulieferfirma branchenüblichen oder gesetzlichen Mindestlohn einzuhalten, sondern sich zur Zahlung eines existenzsichernden Lohnes verpflichten. Angesichts der Tatsache, dass die Lohnkosten in der Produktion gerade einmal 0,5 bis drei Prozent des Verkaufspreises ausmachen, keine besondere Mehrausgabe.
Das AWF-Modell kann nur mit starken ArbeiterInnenvertretungen vor Ort funktionieren. Angesichts der großen Diskrepanz zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und dem AWF-Grundlohn kann dessen Umsetzung nicht von heute auf morgen erfolgen. Deshalb sollen die Auftraggeber einen Implementierungsplan mit konkreten Meilensteinen erstellen und öffentlich machen.
Noch erscheint die Einführung eines existenzsichernden Mindestlohns auf kontinentaler Ebene als Utopie, doch sind auf diesem Weg schon wichtige Schritte wie Planung und Berechnung umgesetzt worden. Die in der Asia Floor Wage Alliance praktizierte Zusammenarbeit von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen aus dem Süden und dem Norden kann den nötigen Druck schaffen, um bei diesem historischen Projekt weitere Fortschritte zu erzielen.
 

Internet:
Weiterführende Information:
Dokumentation "fairness en vogue" der Erklärung von Bern vom 3. September 2010
 www.evb.ch 
Studie "Würdige Löhne über Grenzen hinweg: Der "Asiatische Grundlohn"
Download auf
www.saubere-kleidung.de 
Dort findet sich auch eine Protestmail-Vorlage an 14 deutsche Unternehmen
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werner.hoertner@suedwind.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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