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Gütesiegel Praktikum - eine Initiative der Österreichischen HochschülerInnenschaft, der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft GPA-djp und der Plattform "Generation Praktikum"

Generation Praktikum

Schwerpunkt

Praktika können den Einstieg ins Berufsleben fördern. Für viele junge Menschen sind sie jedoch ein weiterer Schritt ins Prekariat.

Geht es nach Veronika Kronberger, ist die Generation Praktikum kein Mythos, sondern drastische Realität. In der gesamten EU sind mehrere Millionen junger Menschen als Praktikantinnen und Praktikanten beschäftigt. In vielen EU-Staaten hat sich ein regelrechter „PraktikantInnen-Arbeitsmarkt“ entwickelt. Die Generation Praktikum ist auch eine Generation des „Es wird schon irgendwie gehen“.

Späterer Eintritt ins Erwerbsleben

In Zeiten steigender Jugendarbeitslosigkeit geben sich junge Erwachsene schneller am Arbeitsmarkt zufrieden. Hauptsache arbeiten, egal was und unter welchen Bedingungen. Langfristig kann das laut Kronberger nicht funktionieren. Die Vorsitzende der Plattform „Generation Praktikum“ verweist auf die schwerwiegenden sozialen und ökonomischen Folgen des wachsenden Praktikum-Daseins.
Schon jetzt haben sich fixe Anstellungen im Vergleich zu den 1990ern um fünf bis zehn Jahre verschoben. Frauen bekommen später Kinder und die Kaufkraft junger Erwachsener verschiebt sich entsprechend nach hinten. Es ist fraglich, wie lange sich die Wirtschaft den Wegfall dieser wichtigen Zielgruppe leisten kann. Mit dem späteren Eintritt ins Erwerbsleben sind massive Einbußen bei den Pensionsansprüchen verbunden. Vor allem für Frauen ist diese Entwicklung ein weiterer Schritt in die Altersarmut.
Zum besseren Verständnis der Entwicklung einer eigenen Generation ist ein historischer Vergleich der letzten 30 bis 40 Jahre hilfreich. Mit dem Anstieg an Maturantinnen und Maturanten sowie Studierenden seit Ende der 1970er sind mehr qualifizierte junge Leute auf den Arbeitsmarkt geströmt. Ende der 1990er begannen Unternehmen, berufsadäquate Erfahrungen bereits beim Arbeitseintritt zu fordern. Erfahrungen, die vielen Studierenden fehlen und nach ihrer Ausbildung durch Praktika nachgeholt werden. Der Bologna-Prozess verschärfte diese Forderungen und machte Pflichtpraktika zur Voraussetzung zahlreicher Studienabschlüsse. Das Phänomen „Praktikum“ hat sich so seit den 2000er-Jahren auch in Österreich etabliert. Die Plattform „Generation Praktikum“ erforscht dieses Phänomen und betreibt Lobbying mit dem Ziel, bessere Arbeitsbedingungen für Praktikantinnen und Praktikanten zu erzielen. Bei ihrer Gründung im Jahr 2006 gab es weder statistisches Datenmaterial noch arbeitsmarktpolitische Studien über deren Situation. Seither wurde einiges dazu publiziert.

Was ist ein Praktikum?

Der Überblick über die Lage in Österreich bleibt jedoch unbefriedigend. Die Schwierigkeit liegt unter anderem darin, Praktika zu klassifizieren. Sprachlich wird meistens nicht zwischen Volontariat, Ferialjob, Pflichtpraktikum oder Traineeship unterschieden. Aus rechtlicher Sicht sind die Unterschiede jedoch gravierend. Ob es sich um ein Praktikum handelt und wenn ja, um welches, ist weniger von der Vereinbarung zwischen ArbeitgeberIn und PraktikantIn abhängig als von der tatsächlichen Ausgestaltung der Beschäftigung.

Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis?

Praktika können in Österreich als Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer befristeten Anstellung oder als Ausbildungsverhältnisse gestaltet sein. Im Falle eines Ausbildungsverhältnisses besteht weder Anspruch auf Bezahlung, noch gilt das Arbeitsrecht. Diese Form von Praktika liegt vor, wenn keine Arbeitspflicht, keine persönliche Abhängigkeit, keine fixen Arbeitszeiten und keine Eingebundenheit in den betrieblichen Arbeitsprozess bestehen. Zudem muss der Ausbildungszweck gegenüber der Arbeitsleistung überwiegen.
Der springende Punkt ist laut Kronberger, dass Praktika zunehmend ihren Ausbildungscharakter verlieren und faktisch Arbeitsverhältnisse sind, ohne rechtlich als solche gehandhabt zu werden. Praktikantinnen und Praktikanten arbeiten häufig unter schlechten Bedingungen, ohne Kranken- und Sozialversicherung und in Form von Ketten-Praktika. Die Chancen auf reale Beschäftigung sind gering.
Die Arbeitsbedingungen hängen von der Form des Praktikums und der Branche ab. Pflichtpraktika in Schulen sind besser geregelt als Praktika von Studierenden und Graduierten. Besonders problematisch erweisen sich einzelne Branchen wie im Sozial- und Gesundheitsbereich, bei zivilgesellschaftlichen Organisationen oder in der PR- und Medienbranche. Hohe Arbeitsbelastungen bei geringer Entlohnung gehören hier zum Praktikumsalltag. 

Fehlende Protestkultur

Obwohl ein Großteil der Praktika Arbeitsverhältnisse sind und entsprechend entlohnt werden müssten, wagen die wenigsten Praktikantinnen und Praktikanten den Schritt zur Klage. Einerseits weil es an Informationen über Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten fehlt, andererseits fürchten viele Nachteile beim Berufseinstieg. Laut Kronberger sei das gefährlich, da langfristig junge Leute heranwachsen, die mehr Augenmerk auf ihre Pflichten legen als auf ihre Rechte.
Den wenigsten ist bekannt, dass eine Klage auch drei Jahre rückwirkend eingereicht werden kann. Trotz magerer Judikatur gilt diese als praktikantInnenfreundlich, da im Zweifelsfall von einem Arbeitsverhältnis inklusive aller Rechte auszugehen ist und nicht von einem Ausbildungsverhältnis. „In Österreich braucht es mehr mutige PraktikantInnen, die ihre Rechte einklagen“, meint Veronika Kronberger. Es fehle hierzulande an einer Protestkultur wie in Italien oder Frankreich, wo junge Menschen für ihre Rechte auf die Straße gehen.
In Frankreich haben die Proteste der „generation precaire“ zu einem Verbot unbezahlter Arbeit geführt. Auch wenn die Politik nur schleppend auf die Wildwüchse bei Praktika reagiert, sei das Problembewusstsein in Österreich durchaus vorhanden, so Kronberger. 2012 wurden im Rahmen der Dienstrechtsnovelle unbezahlte Praktika im öffentlichen Dienst abgeschafft. Mit dem Gütesiegel Praktikum – einer Initiative der Österreichischen HochschülerInnenschaft, der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft GPA-djp und der Plattform „Generation Praktikum“ – werden seit 2011 Unternehmen ausgezeichnet, die entlang definierter Kriterien Praktikantinnen und Praktikanten einstellen. Wie sehen faire Praktika aus? Laut der Plattform sind solche zeitlich begrenzt, unterliegen gängigen Standards sozialer Sicherung, werden angemessen vergütet, im Rahmen der Ausbildung absolviert und knüpfen inhaltlich an diese an.

Kein „Arbeitsrecht light“

Arbeiterkammer und ÖGB fordern klare gesetzliche Regelungen, dass Pflichtpraktika nur im Rahmen echter Arbeitsverhältnisse zulässig sind. Dies auch in den Lehrplänen zu verankern ist insofern dringend, da ab dem Schuljahr 2014/15 auch in Handelsschulen und Handelsakademien Praktika absolviert werden müssen. Die Zahl der Pflichtpraktika erhöht sich damit von rund 19.000 auf schätzungsweise 29.000 jährlich.
Für die Plattform „Generation Praktikum“ und die GPA-djp steht fest: es darf kein eigenes Gesetz für Praktikantinnen und Praktikanten geben. „Wir wollen kein ‚Arbeitsrecht light‘ und keine ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse. Wir wollen, dass Praktika als normale Arbeitsverhältnisse mit rechtlichen Ansprüchen und sozialer Absicherung gelten!“, so Veronika Kronberger. Die Vorsitzende der Plattform zeigt sich optimistisch, dass ihre Forderungen in der Politik Gehör finden. Die Politik habe es zwar jahrelang verabsäumt, Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dass mit der Ausbildungsgarantie Maßnahmen für gering qualifizierte Jugendliche gesetzt wurden, lässt Kronberger hoffen, dass nun auch gut qualifizierte Jugendliche die nötige politische Aufmerksamkeit erlangen.
Tatsächlich scheint Österreich im EU-Vergleich eine Insel der Seligen zu sein. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt mit 9,3 Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt von 23,4 Prozent (AMS, Stand: Juli 2013). Dennoch ist das keine Einladung zum sorglosen Zurücklehnen, denn die Verschlechterungen in den Nachbarländern machen vor Grenzen nicht halt. In Italien nennt man Jugendliche bereits die „1.000-Euro-Generation“. Auch hierzulande wird dafür plädiert, die „Generation Praktikum“ in „Generation prekär“ umzubenennen.

Plattform „Generation Praktikum“ in Österreich:
www.generation-praktikum.at
FORBA-Studie „Praktika und Praktikanten/Praktikantinnen in Österreich“:
tinyurl.com/mogn42d

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at 

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